Essen. Jimmy Page wurde mit Led Zeppelin zum Mega-Star des Rock, verkaufte Millionen Alben und neigt verständlicherweise zur Unbescheidenheit.
Die Liste seiner besten Gitarren-Soli ist bei Spotify über drei Dutzend Titel lang. Aber für einen konzentrierten Eindruck von der Bandbreite des Jimmy Page reicht schon der Jahrhundert-Hit „Stairway to Heaven“: Was mit einem zart-klaren, ausgeruhten Fingerpicking-Intro beginnt, mündet später in ein ekstatisch-verzerrtes, kurz mal infernalisch schnelles Solo. Um bei diesem Song in Konzerten nicht dauernd die Gitarre wechseln zu müssen, legte sich Page eine Gibson EDS-1275 mit zwei Hälsen zu, einen mit zwölf und einen mit sechs Saiten – was später zum Sinnbild einer gewissen Überladenheit im Stil von Supergruppen wie Led Zeppelin wurde.
Jimmy Page prägte auch „Whole Lotta Love“, „Rock‘n‘Roll“, „Black Dog“ und „Heartbreaker“
Aber Page konnte eben auch gnadenlos hämmernde Riffs vom Schlage eines „Whole Lotta Love“ oder „Rock‘n‘Roll“, „Black Dog“ oder „Heartbreaker“.
Jimmy Page, vor 80 Jahren als Sohn eines leitenden Angestellten in Heston bei London zur Welt gekommen, hatte, wie so viele Gitarristen seiner Generation, den Blues inhaliert. In den frühen 60ern wird er ein gefragter Studiomusiker, ist in Plattenaufnahmen von Marianne Faithfull, Joe Cocker, Tom Jones oder Donovan zu hören. Als die Yardbirds einen Nachfolger für seinen Freund Eric Clapton suchen, empfiehlt er erst einmal seinen Freund Jeff Beck, bevor er dann dessen Nachfolger wird.
Page gründete mit Robert Plant, John Boham und John Paul Jones Led Zeppelin
Er gründet 1968 dann die New Yardbirds mit dem ebenso virtuosen Sänger Robert Plant, John Paul Jones am Bass und an den Keyboards sowie Schlagzeuger John Bonham, der die doppelte Bass-Drum zum Standard erhebt. Schnell nennen sie sich Led Zeppelin und weigern sich bis auf zwei Ausnahmen, Singles aus ihren Langspielplatten auskoppeln zu lassen.
Kritiker konnten die Band nicht leiden, sagten Page einen „nasalen Bluesstil“ nach und attestierten ihm die „Belanglosigkeit von Plastik-Sex“. Auch später glaubten manche, Led-Zeppelin-Songs seien nur noch dazu da, eine Plattform für Pages Können am Instrument zu bieten.
Bescheidenheit gehörte in der Tat nicht zu den herausragenden Charaktermerkmalen – aber wie soll einer auch auf dem Teppich bleiben, wenn er schon 1975 fünfmal hintereinander ein Stadion mit 20.000 Plätzen ausverkauft? Oder von den Fans im Laufe der 70er-Jahre 300 Millionen Alben abgekauft bekommt?
Jimmy Page hinter Jimi Hendrix und Eric Clapton
Page experimentierte, strich die Gitarrenseiten mit Geigenbögen, setzte zahllose Effektgeräte wie einen Ringmischer oder mehrfachen Echohall ein. Diese Form von Kreativität verdeckte lange, dass dem Duo Page/Plant beim Songwriting allmählich die Substanz abhanden kam – als Schlagzeuger John Bonham 1980 nach einer Drogenparty bei Page starb, löste dieser die Band auf.
Bei aller Neigung zu Exzessen und orgiastischen Feiern ist der Gitarrist, dem okkultistische Neigungen nachgesagt wurden und der in London eine Zeitlang eine esoterische Buchhandlung betrieben hat, bis heute ein Kontrollfreak geblieben. Er hat nicht wenig Zeit damit verbracht, die alten Led-Zeppelin-Alben zu remastern und Neuauflagen herauszubringen. Und während er sich stets offen für eine Wiedervereinigung der Band zeigte, wollte Robert Plant offenbar nur noch sporadisch mit ihm zusammenarbeiten. So dürfte es dabei bleiben, dass der „Rolling Stone“ ihn auf Platz drei der besten Rock-Gitarristen führt, hinter Jimi Hendrix und Eric Clapton.