Essen. Eine wechselvolle Geschichte: Die Bibliothek der Villa Hügel umfasste einst über 20.000 Bände. Von denen die meisten verschenkt wurden.
Es ist nicht so, dass sich die Krupps nur für ihre Geschäftsbücher interessiert hätten: Als Alfried Krupp von Bohlen und Halbach 1966 die Bibliothek der Villa Krupp der kurz zuvor gegründeten Ruhr-Universität in Bochum als Grundstock für eine Hochschulbücherei schenkte, ging es um immerhin 21.000 Bände. Es handelte sich allerdings um einen ziemlich uneinheitlichen Bestand: 5700 literarische Werke, 4000 „Prachtwerke“ wie Kunstbücher, Grafik- und Fotomappen, 4400 Bände zur Geschichte und 1800 zur Geografie sowie 1400 Biografien..
Alfred Krupp (1812-1887), der Begründer des Welt-Konzerns, war fast nur an technisch-ingenieurwissenschaftlichen Büchern interessiert. Als ihm kurz nach 1880 einmal ein Band über die Rippenquallen im Golf von Neapel in die Hände fiel, den sein hochgradig naturwissenschaftlich interessierter Sohn Friedrich Alfred (1854-1902) hatte anschaffen lassen, notierte er auf der Rückseite einer Abbildungstafel voller Spott: „Recht interessant und zu Bewunderung auffordernd ist solch ein Studium“, aber: „Was nützt die Kenntnis von all‘ diesem Gequalster im Hafen von Genua oder Neapel. Der Schöpfer weiss es allein und wir werden schwerlich dahinter kommen.“ Und fügte ironisch hinzu: „Der Mensch ist gar ein eitles Thier. Der Nimbus des Gelehrten thut so wohl.“ Um schließlich zu ätzen: „Schade für den Platz, wo diese mühevolle Arbeit aufbewahrt werden wird. Es ist Vermehrung von Brennmaterial und Vergrösserung der Gefahr (von) Feuer im Hause.“
Gelesen hat Friedrich Krupp vielleicht eine 1870 erschienene Biografie über Alexander von Humboldt, mit dem er sich mehr als einmal ausgetauscht hatte.
Thomas Kempf setzt eine Spitze gegen Alfred Krupp
Jedenfalls, darauf weist Thomas Kempf in seinem neuen Bändchen über die Bibliothek der Villa Hügel hin, war schon im ältesten Entwurfsplan Friedrich Krupps für das voluminöseste Einfamilienhaus Deutschlands ein Platz für eine Bibliothek vorgesehen. Kempfs Bemerkung, „gegen Bücher hatte Krupp gar nichts einzuwenden, er wusste nur nicht, was er mit ihnen anfangen sollte“, ist deshalb eher als Spitze eines glühenden Buch-Verehrers gegen einen zu verstehen, der Bücher ausschließlich nach ihrem Nutzwert beurteilte.
Übrigens wurden nicht alle Bände der Hügel-Bibliothek an die Ruhr-Universität gegeben, „Das Kapital“ von Karl Marx etwa „in vier anscheinend ungelesenen Bänden“ blieb in Essen. Wie rund 3400 weitere Bücher, die bis heute dort hinter verglasten Vitrinentüren stehen. Die Regale waren übrigens zunächst kunstvoll vergittert gewesen, kurz vor dem Ersten Weltkrieg schaffte man dann Vitrinen an, die abgeschlossen werden konnten. Die Hügel-Bibliothek war ja keine öffentliche Bücherei wie die 1899 von Friedrich Alfred gegründete „Kruppsche Bücherhalle“. So setzte sich die Abgabe der 21.000 Bände aus der Hügel-Bibliothek an die Ruhr-Universität denn auch über eine Verfügung ihres Gründers von 1885 hinweg: „Es soll diese Sammlung nicht als eine Leihbibliothek angesehen werden.“ Den Nutzen dieser Unbotmäßigkeit hatte die noch junge Universitätslandschaft Ruhr.