Haltern am See. LWL-Römer-Museum in Haltern am See feiert – das erwartet die Besucher am letzten November-Wochenende. Auch für nächstes Jahr gibt es große Pläne.
Im einzigen „Römer-Escape-Room“ Germaniens lassen sich Besuchergruppen reihenweise einschließen. Im Museum prescht Nero Claudius Drusus ins hiesige Feldlager, der Stiefsohn von Kaiser Augustus. Es ist ein Römerhelm mit VR-Brille, der das wie im Kino vor Augen führt. Man sieht, wenn man den Kopf wendet, auch die Hunderte von Zelten, die so ein Römerlager ausmachten – samt Legionären beim Würfelspiel davor.
Ja, und Legionäre aus Fleisch und Blut gibt es hier auch: Es ist die I. Kohorte jener XIX. Legion, die fast vollständig in Aliso, dem heutigen Haltern am See stationiert war – mehr als 20 Freiwillige mimen die römischen Soldaten. Und weil viele von denen zugleich auch Handwerker waren, stellt die I. Kohorte ihre Rüstungen selber her. Probiert aus, wie die Römer Leder nähten, wie sie Eisen und Stahl schmiedeten. Die Legionäre 2.0 marschieren, exerzieren, kämpfen wie die Römer.
LWL-Römermuseum mit Mitmach-Stationen – Römerdolch selbst anfertigen
Und am kommenden Sonntag, 26. November, sind sie die Star-Gäste auf der Geburtstagsfeier des Hauses: Seit genau 30 Jahren gibt es das Römermuseum in Haltern, eine selten so geglückte Kombination aus Familienausflugsziel und wissenschaftlicher Forschungsstätte, die bislang von 1,7 Millionen Menschen besucht wurde. Am gesamten Wochenende feiert das Museum seinen Geburtstag – mit einem Programm für die ganze Familie: Für Kinder gibt es Mitmach-Stationen, an denen sie sich etwa einen eigenen Römerdolch anfertigen können. Oder sie begeben sich auf eine Römer-Rallye. Für die Erwachsenen stehen „Live-Speaker“ Rede und Antwort rund um die Schmiedekunst der Römer.
Um die dreht sich auch die kleine Sonderausstellung, die am Samstag eröffnet wird. Sie beschreibt den Halterner Jahrhundertfund aus dem Jahr 2019: Damals wurde am Rand eines Gräberfelds ein römischer Dolch entdeckt, samt der Metallbeschläge des Waffengurts, an dem jeder römische Legionär seinen Dolch in einer Scheide trug, den „Pugia“ für den Nahkampf. Der Waffengurt war ein echtes Statussymbol unter den Soldaten.
Wieso er am Rand des Gräberfelds lag, das vorschriftsgemäß mehr als 900 römische Fuß (ca. 300 Meter) südwestlich von der Siedlung entfernt war, ist noch ein Rätsel: „Die Römer bestatteten ihre Toten ohne Schmuck, meist nur in einer Leinen-Tunika und den Sandalenstiefeln“, sagt Archäologin Bettina Tremmel, „sie bekamen höchstens Lebensmittel und Getränke in Krügen mit“. Aber vielleicht wollten Soldaten einem gefallenen Kameraden doch noch eine letzte Ehre erweisen – der Dolch wurde jedenfalls nicht im Kampf verloren. Und er muss, durch ein Unwetter vielleicht, schnell und dicht verschüttet worden sein, an den Metallteilen des Waffengurts klebten noch Reste von Leder und Garn aus Flachsfasern, so dass nicht nur der Dolch (in neun Monaten Schmiedearbeit), sondern auch der Gurt samt Scheide rekonstruiert werden konnte.
LWL-Römermuseum zeigt die Ausstellung „Ein heißes Eisen!“
Die Ausstellung „Ein heißes Eisen!“ zeigt sehr anschaulich den Herstellungsprozess für einen solchen Dolch, der von den Römern in einer fast industrialisierten Produktion hergestellt wurde. Aus zwei Kilogramm Roh-Eisen wurde durch Schmelzen und Schmieden ein Dolch, der nur noch ein Viertel wog. Er bestand aus drei verschiedenen Stahl-Arten: der innere Stahl war eher weich (so wie eine Büroklammer), damit die Klinge nicht so leicht brechen konnte. Der Stahl darüber war mit Phosphor angereichert und ergab weiße Stellen im Muster. Der äußere Teil der Klinge schließlich bestand aus hartem Stahl – so blieb sie länger scharf. Wie überhaupt die Qualität des römischen Waffen-Stahls erst wieder in unserer Neuzeit erreicht wurde. Für die Herstellung eines solchen Dolchs waren 120 bis 130 Kilo Holzkohle nötig. Man muss sich ihr Reich als ganz schön verqualmt vorstellen: In Bohrkernen der Arktis, auch das zeigt die Ausstellung, schlägt sich der Ruß der römischen Schmiede-Industrie vor 2000 Jahren so intensiv nieder, wie es später erst wieder unser Industriezeitalter tun sollte.
In den 30 Jahren des Museums ist nicht nur seine Ausstellung (auch um Mitmach-Stationen) gewachsen, sondern auch der Außenbereich: Das Westtor des Lagers und ein Teil seines Mauer-Walls wurden rekonstruiert; in der Wachstube des Tors befindet sich der so beliebte Escape-Room, in dem die Situation der von Germanen eingeschlossenen Römer 1:1 nachgespielt wird. Und es geht weiter: „Nächstes Jahr“, sagt Museums-Chef Josef Mühlenbrock, „graben wir auf zwei Arealen, wo wir eine Kaserne vermuten.“
30. Geburtstag, Öffnungszeiten, Eintritt – und die Haltern-App: „Magic Road to Aliso“
LWL-Römermuseum, Weseler Str. 100, 45721 Haltern (barrierefrei). Geöffnet: Sa/So 10-18 Uhr, Di-Fr 9-17 Uhr. Eintritt: 6 €, erm. 3 €, Kinder bis 17 frei. Zum Museum gibt es die App „Magic Road to Aliso“, mit der man den jungen Römer Petronius Fiosculus durch die Gefahren und Tücken beim Eintritt in die Legion begleitet. Die Römerkohorte Opladen hat dazu online auch ein Quiz im Angebot: https://www.roemercohorte.de/de/quiz