Essen. Neu im Kino: In „The Old Oak“ greift der britische Regisseur gewohnt gekonnt seine Lebensthemen auf. Es geht um ein altes Pub in Nordengland.
In seine Filme geht man weder wegen der Schauspielerinnen und Schauspieler noch wegen der Action. Und auch die Themen sind weitgehend bekannt. Man geht in seine Filme seinetwegen: Regisseur Ken Loach („Looking for Eric“, „The Wind that shakes the Barley“, „Angel’s Share“ ). Ungefähr so, wie man seine Lieblingskneipe besucht wegen des Wirts – selbst dann, wenn man weiß, worüber die Trinker am Tresen auch diesmal wieder lamentieren oder ihre Possen reißen.
„The Old Oak“ ist mehr als ein heruntergekommenes Pub
Da liegt es nahe, dass Ken Loach mit 87 Jahren seine letzte Regie-Runde spendiert mit einem Pub als Hauptdarsteller: „The Old Oak“. Die alte Eiche ist ein mehr als heruntergekommenes Pub in Nordengland. Vor dem Pub kommt eine Gruppe syrischer Flüchtlinge an, sehr zum Missfallen einiger Einheimischer; es gibt Gerangel, Pfiffe, eindeutige Gesten der Ablehnung, und einer jungen Flüchtlings-Frau namens Yara (Ebla Mari) geht der Fotoapparat zu Bruch.
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Ebla Mari ist unter den Amateurdarstellerinnen und -darstellern mit denen Ken Loach traditionell arbeitet, in diesem Film die große Entdeckung. Der einzige, zumindest Halbprofi ist der hauptberufliche Ex-Feuerwehrmann Dave Turner, der immerhin in seinem dritten Loach-Film (nach „Ich, Daniel Blake“ und „Sorry We Missed You“) mitspielt und den Pub-Besitzer TJ Ballantyne verkörpert.
Ken Loach präsentiert die britische Version der AfD-Gedankenwelt
Er nimmt sich der jungen Syrerin an. Versucht, ihre Kamera reparieren zu lassen. Und bekommt so Kontakt zu den Flüchtlingsfamilien, die hier von denen da oben, also der britschen Regierung, in den verarmten Bergbaustädtchen Nordenglands untergebracht werden. Es ist halt billiger so. Und die Einheimischen, die den Niedergang der Kohle miterleben mussten, müssen jetzt auch noch miterleben, wie sie Gefangene ihrer eigenen Immobilien werden, die so schnell und rapide im Wert fallen, dass Überschuldung droht, zumindest ein Verkauf und damit ein Weggang unmöglich wird.
Die Wut richtet sich – die britische Version der AfD-Gedankenwelt lässt grüßen – natürlich gegen die Flüchtlinge. Und Pub-Betreiber Ballantyne muss manches Widerwort schlucken, will er nicht noch seine letzten Kneipenbesucher verlieren. Er entscheidet sich dennoch zur Hilfe, öffnet den längst zum Abstellraum verkommenen Saal von „The Old Oak“ und etabliert dort gemeinsam mit den syrischen Familien einen Mittagstisch.
Loachs Botschaft lautet: Unterdrückte, vereinigt euch!
Loachs Botschaft ist genau diese schlichte Wahrheit: Wer gemeinsam am Tisch sitzt und miteinander isst, wird sich vermutlich nicht den Schädel einschlagen – und weitergehend: Unterdrückte aller Länder vereinigt euch! Der Altlinke Loach ist dennoch nicht naiv, verschweigt weder die bittere Armut der Einheimischen noch die sinnlose Brutalität, die sich hier und da Bahn bricht.
Aber – so viel sei verraten – er lässt sein Publikum nicht ohne Hoffnung aus dem Film gehen, von dem Dave Turner sagt, es sei Loachs letzter. Der hält sich zumindest ein Hintertürchen offen. Im Presseheft erklärt er: „Morgens denke ich, oh je, ich kann das nicht mehr. Aber nachmittags, zum Kaffee, denk ich schon wieder: vielleicht. Also warten wir’s ab.“
Schade, dass der Filmtitel „One for the road“ schon vergeben ist.