Dinslaken/Duisburg. Braucht man einen Waffenschein fürs Lichtschwert? Muss das Batmobil zum TÜV? Richter und Film-Freak Thorsten Schleif hat im Gesetz nachgeschaut.
Er kommt gerade von der Arbeit, kommt vom Amtsgericht in Dinslaken. Jetzt sitzt Thorsten Schleifbei Kaffee und Cola in einem Café in der Fußgängerzone, um über sein neues Buch zu sprechen. Sein sechstes ist es und ganz anders als alles, was er bisher geschrieben hat.
Zum Autor geworden ist der 43-jährige Duisburger, weil er zeigen wollte, wie es Richtern in diesem Land geht. „Da gibt es völlig falsche Vorstellungen in der Bevölkerung.“ Exorbitantes Gehalt aber 15 Stunden-Woche – so etwas in dieser Art. Nach zwölf Jahren als Richter, erst am Landgericht in Düsseldorf, dann am Amtsgericht Dinslaken, weiß Schleif, dass das „völliger Unsinn ist“.
Richter Thorsten Schleif schrieb das Buch „Darf man Zombies eigentlich töten“
„Urteil: Ungerecht“ heißt das Buch, das er 2019 veröffentlicht und in dem er schreibt, wie er den Richterberuf erlebt, in dem er aber auch seinen eigenen Berufsstand nicht verschont. Der Richterschaft bescheinigt er eine Mischung aus zu wenig Selbstbewusstsein und zu viel Arroganz und spricht von gefährlicher Überlastung. Der Rechtsstaat sei in schlechtem Zustand und nahe am Abgrund, das Misstrauen der Bevölkerung wachse.
„Nestbeschmutzer“ nennen ihn manche Kollegen und Kolleginnen. „Aber ich habe auch viel Zustimmung aus dem ganzen Land bekommen“, sagt Schleif. Zumindest soviel, dass er noch zwei ähnliche Bücher nachlegt, bevor er das Genre wechselt und zwei fiktionale Romane über einen Richter schreibt, der auf eigene Faust Kriminalfälle löst. Eine Stunde am Tag schreibt er.. Jeden Tag. Dazu die Familie, der Job als Richter. „Zum Glück komme ich im Schnitt mit sechs Stunden Schlaf aus“, sagt er. „Sonst wäre das alles gar nicht zu schaffen.“
Autor Thorsten Schleif ist ein Cineast mit sehr gutem Gedächtnis
Zumal er ja zeitgleich auch auf der Klaviatur der sozialen Medien spielt. Auf Instagram und TikTok veröffentlicht er kurze Erklärvideos zu klassischen juristischen Fragen. Irgendwann will jemand wissen: „Darf man eigentlich Zombies töten?“ Wo andere vielleicht einmal kurz gelacht und die Sache denn vergessen hätten, ist Schleif elektrisiert. „Das war genau mein Ding. Ich habe schon immer dazu geneigt, Charaktere und Handlungen von Filmen rechtlich zu bewerten.“
Und Schleif sieht viele davon. Denn er ist Film- und Serienfan. Ein Cineast. Und zwar einer mit einem unglaublichen Gedächtnis. DVDs in vierstelliger Zahl hat er zu Hause und abonniert, was es an Streaming-Diensten so gibt. So muss er auch nicht lange suchen. Fündig wird er schnell in der US-Erfolgsserie „The Walking Dead“. „Staffel Eins, Folge sechs“, sagt er nur. Dort erklärt ein Experte, dass die Untoten immer noch Hirnfunktionen haben. „Damit ist ein Zombie ein Mensch im Sinne des Strafgesetzbuches“, stellt der Richter mit todernster Miene klar und warnt: Den verfaulenden Kameraden um die Ecke zu bringen, könne durchaus Mord oder Totschlag sein. Immerhin: „Meistens dürfte es sich ja um Notwehr handeln.“
Schleif bietet Kurzfilme zu juristischen Fragen, Ein Antwortvideo wird über 400.000 Mal geklickt
Hanebüchener Unsinn? Mit Sicherheit, aber die Follower des Richters sind völlig begeistert. Mehr als 400.000 Mal wird das Video binnen kurzer Zeit geklickt und der Jurist kann sich vor weiteren Anfragen kaum retten. Irgendwann ist die Resonanz so groß, dass jemand aus seinem Verlag vorschlägt: „Lass und doch ein Buch aus dem Thema machen.“ Das muss man Schleif nicht zweimal sagen.
Stunde um Stunde sieht er sich „sicherheitshalber“ noch einmal das Material an, zu dem es rechtliche Fragen gibt. Er kämpft sich durch die epische „Herr der Ringe“-Saga, fliegt mit der Enterprise dahin, wo nie zuvor ein Richter hingeflogen ist. Er ist zu Gast in Hogwarts und bei den Jedi-Rittern und rettet mit Superhelden die Welt. „Verhaltensauffällig“ nennt seine Frau das, Schleif selbst spricht lieber von „Recherche“.
Haben Vampire Anspruch auf Nachtarbeit?
Es ist jedenfalls eine Recherche, die sich gelohnt hat. Weil man nun endlich weiß, ob man nach deutschem Recht für ein Lichtschwert einen Waffenschein benötigt und ob Vampire einen Anspruch auf Nachtarbeit haben. Oder ob ein Werwolf Hundesteuer zahlen und das Batmobil auch mal zum TÜV muss. Schleif beantwortet die aberwitzigsten Fantasietatbestände auf ganz eigene Weise. Gekonnt mischt er den Stil einer Urteilsbegründung mit flapsigem, oft herrlich ironischen Humor, der manchmal ein wenig an die Achtsam morden-Reihe von Karsten Dusse erinnert. Und selbstredend wird jede Antwort mit Fußnoten zu Paragraphen, Gerichtsurteilen, literarischen Vorlagen und Filmszenen belegt.
Höchst unterhaltsam ist das alles, selbst wenn man als Leser juristisch unbelastet ist. Wer allerdings einen „Mandalorian“ für eine neue Obstsorte hält und „Blitzdingsen“ für eine Fehlfunktion seiner Smartphone-Kamera, könnte bei dem ein oder anderen Kapitel Verständnisschwierigkeiten haben. Das scheinen aber nur wenige Menschen zu sein. Denn obwohl das Buch erst seit wenigen Tagen im Handel ist, sind die Verkaufszahlen gut.
„Darf man eigentlich Zombies töten?“ Zweiter Band ist nicht ausgeschlossen
Bleibt das so, will Schleif nicht ausschließen, eine Fortsetzung hinterher zu schieben. „Es sind noch so viele Fragen unbeantwortet. Oder wollten Sie noch nie wissen, ob dem oft unter Alkoholeinfluss fahrenden James Bond der Entzug der Fahrerlaubnis droht? Oder ob man Indiana Jones wegen Störung der Totenruhe anzeigen kann?“
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BUCH UND HÖRBUCH
Das Buch „Darf man eigentlich Zombies töten? Unverzichtbares Rechtswissen für Film- und Serienjunkies“ ist als Taschenbuch für 12 € im Heyne-Verlag erschienen. Als Hörbuch (ca. 3h, 17,95€) wird es bei Random House aufgelegt, von Autor Thorsten Schleif selbst vorgelesen.