Essen. Ein Coveralbum der etwas anderen Art: Die Norwegerin Inger Marie Gundersen entschleunigt auf ihrem Album „Five Minutes“ viele Gassenhauer.

Vorab sind an dieser Stelle ausnahmsweise ein paar Regieanweisungen angebracht. Sie schaffen eine adäquate Hörsituation, um der Musik von Inger Marie zu lauschen.

Es kann – erstens – nicht schaden, wenn man sich in bester schlechter Laune daranmacht. Vielleicht gab es ja einen schweren eigenen Bock im Job oder eine heftige Auseinandersetzung mit dem Liebchen? Prima.

Zudem kann es – zweitens – keineswegs schaden, wenn sich ein gaaaanz trüber Herbsttag seinem Ende mit einsetzendem Dauerregen zuneigt, der so richtig schön gegen die Fensterscheiben prasselt. Kurzum: Ideal fürs Reinhören ist ein Tag zum Vergessen.

Und dann kann die knappe Dreiviertelstunde beginnen, bei der uns die Norwegerin Inger Marie Gundersen mit ihrem neuen Album „Five Minutes“ (Sundance Musik, erscheint am 27. Oktober) und rauchiger Stimme auf eine Reise mitnimmt, die einen gänzlich in wohlige Melancholie versinken lässt.

Eigentlich eher im Jazz zuhause: Inger Marie Gundersen.
Eigentlich eher im Jazz zuhause: Inger Marie Gundersen. © Stephen Freiheit | Stephen Freiheit

Kooperation mit Jasper Lind

Gundersen, die sich kurz Inger Marie nennt, ist seit mehreren Jahrzehnten eher im Jazzbereich unterwegs. Für ihr neues Projekt tat sie sich mit dem renommierten Produzenten Jasper Lind (Taylor Swift, Beyonce) zusammen und suchte sich neun Lieblingslieder aus, zu denen sie einen neuen, originellen Zugang suchte. Das Ergebnis: Selten gab es einen Longplayer, der derart entschleunigte Coverversionen in die Welt setzte.

Das Interessante an dieser Produktion ist, dass man die neuen Versionen altbekannter Stücke manchmal kaum erkennt, oft sind es nur einige Textfetzen, an die sich der Lauschende dann doch erinnert.

Die 66-Jährige hat sich beispielsweise auch „Wild Horses“ von den „Rolling Stones“ vorgeknöpft. Das klingt völlig anders als das Original, noch wehmütiger, noch zurückgenommener, interessant auf jeden Fall. Oder man wähle den Rod-Stewart-Gassenhauer „Sailing“: Verwunschene Akkorde setzen ein, dazu eine tieftraurige Frauenstimme, sonst vorerst nix.

Man sollte richtig schlechte Laune haben

Aber das hat einen eigenartigen Zauber, zumal Pianist Torjus Vierli diesen ewiggrünen Song mit spannenden, leicht angejazzten Harmonien neu ausleuchtet und schließlich ganz weit nach hinten gemischt die Pedalsteel von Kristian Frostad ihren entrückten Teppich legt. So sehr sie auf der Bremse steht: Es ist eine durchaus spannende Produktion.

Aber man sollte halt wirklich richtig schlechte Laune haben.