Düsseldorf. „Abenteuerland“ wird am 22. Oktober in Düsseldorf uraufgeführt. Bei der Probe hatte Engler Taschentücher dabei. Warum, erzählt er im Interview.
Jetzt also ein Musical. 43 Jahre nach Bandgründung in Bietigheim-Bissingen hat Produzent Martin Flohr („West Side Story“, „Bodyguard“) den musikalischen Schatz von Pur gehoben und zu einer familienfreundlichen, mal lustigen, mal dramatischen Geschichte rund um einen Dreigenerationenhaushalt neu verschraubt. Wir unterhielten uns mit Pur-Frontmann Hartmut Engler (61) über das Abenteuer namens “Abenteuerland”, das am 22. Oktober im Düsseldorfer Capitol Theater Weltpremiere feiern wird. Zum Zoom-Termin hat der Sänger und Texter das Weltall als Hintergrundbild gewählt.
Hinter Ihnen funkelt ja das halbe Sonnensystem. Sind Sie ein Hobbyastronom?
Hartmut Engler: Ich gucke sehr, sehr gerne in die Sterne. Ich liebe Sonnenuntergänge. Und ich bin ein richtiger Mondanbeter. Zum Teil plane ich sogar meine Urlaubsreisen so, dass ich vor Ort den Vollmond genießen kann.
Im Urlaub sind Sie aber gerade nicht.
Nein, ich sitze am Esstisch daheim in Bietigheim-Bissingen. Aber auch hier ist alles um mich herum sehr grün und sehr lebendig. Ich muss gestehen, ich habe im Sommer viel Zeit im Garten und in meiner Hängematte verbracht, gelesen und in die Natur geschaut. Ich war ein bisschen faul.
Ist Nichtstun für Sie die beste Erholung?
Manchmal ja. Um den Körper zu regenerieren, steige ich allerdings auch häufig aufs Rad.
Der Müßiggang sei Ihnen gegönnt. Zuletzt haben Sie ja mit Pur so einiges an Konzerten gespielt und die Arbeit am „Abenteuerland“-Musical dürfte Sie ja auch ganz schön fordern.
Die Tour zu unserem aktuellen Album „Persönlich“ ist wirklich wunderbar gelaufen. Es war ein Genuss, und die Band hat sich durch die Umbesetzungen sehr belebt. Auf der Bühne und auch dahinter ging es sehr freundschaftlich zu.
Im kommenden Sommer wollen wir übrigens noch deutlich mehr Shows spielen, bevorzugt an schönen Orten wie Marktplätzen oder Schlossparks. Wir sind in der glücklichen Situation, dass uns im Prinzip alle buchen wollen. Auch nach fast vierzig Jahren ist Pur ein Garant dafür, dass viele Menschen kommen.
Sie wirken darüber fast schon überrascht...
Das „Persönlich“-Album entstand in einer Phase der Selbstzweifel, die für mich nicht leicht war und die zum Glück ausgestanden ist. Ich weiß wieder, warum ich das alles mache.
Man kann also sagen, dass Sie glücklich sind?
Mit dem Glück tue ich mich manchmal schwer. Ich bin jemand, der das Haar in der Suppe sucht. Trotzdem muss ich sagen: Ich habe den geilsten Job der Welt. Was wir machen, hat sehr viel mit Magie zu tun.
Zaubern Sie auch das Älterwerden weg? Ihre 61 Jahre sieht man Ihnen jedenfalls nicht an.
Ab und zu spüre ich die 60, hier und da zwicken die Gelenke. Insgesamt aber bin ich mit meinem Aussehen und meinem Körper sehr zufrieden.
Haben Sie auf Tournee einen Physiotherapeuten mit dabei?
Ja. Ein guter Freund von mir ist nicht nur Physio, sondern auch mein Fahrer und aufgrund seiner Statur und Wirkung auch mein Bodyguard. Wir kennen uns sehr gut, haben schon Urlaube miteinander verbracht, das bedeutet ein bisschen Heimat, obwohl man unterwegs ist.
Meine Lebensgefährtin Katrin hat mich dieses Mal ebenfalls komplett auf Tour begleitet, sie hat vor allem dafür gesorgt, dass auch kleinere emotionale Blessuren sofort und gründlich behandelt wurden.
Das mit der Zeit könnte gerade eng werden. Im Moment stecken Sie mitten in den Vorbereitungen für das Pur-Musical „Abenteuerland“. Ist nach vier magischen Jahrzehnten Pur nun der richtige Zeitpunkt für ein Musical mit Ihren Songs?
Wir haben ja wirklich alles gemacht, was eine Band machen kann. Wir haben in Stadien gespielt, mit klassischem Orchester, wir haben Unplugged-Konzerte gegeben, es gibt nicht viel, was wir noch nicht umgesetzt haben. Aber dieses Musical ist jetzt wirklich ein Ritterschlag. Wir sind die erste deutschsprachige Band mit einem eigenen Musical. Überhaupt gab es in diesem Bereich vor uns nur Udo Lindenbergund Udo Jürgens. Ich denke, wir bieten eine neue Facette.
Welche ist das?
Uns ist wichtig, dass die Leute am Schluss glücklich sind. Alles, was zwischendurch passiert, kann auch mal traurig und traumatisch sein.
„Abenteuerland“ zeichnet anhand von dreißig Pur-Songs das Porträt einer Dreigenerationenfamilie.
Uns hat gleich gefallen, dass die Story nicht die Vita von Pur nacherzählt, denn damit hätten wir uns überhaupt nicht wohlgefühlt. So spannend ist das dann ja auch nicht. Die Idee, eine Handlung über ganz normale Personen zu stricken, die im Hier und Jetzt leben, fand ich dagegen sehr spannend. Das passt zu uns und unserem Publikum, das ja auch inzwischen aus drei Generationen besteht.
Wie ist „Abenteuerland“ zustande gekommen?
Der Produzent Martin Flohr kam 2018 mit der Drehbuchidee auf mich zu. Wir haben tagelang über die Inhalte gesprochen. Es ist sein Werk, aber ich durfte einiges mit einbringen. Im Oktober 2022 habe ich dann ein 50-minütiges sogenanntes Reading besucht, bei dem Schauspielerinnen und Sänger, noch ohne Kostüme, einiges vortragen. Ich war so begeistert, dass ich eine Packung Taschentücher neben mir liegen hatte.
Lagen die nur da – oder haben Sie sie auch benutzt?
Ich musste sie auch benutzen (lacht). Pur-Stücke leben ja auch von meiner Stimme und meiner Art der Darbietung, daher hatte ich vorher etwas die Sorge, wie das wohl sein würde, wenn andere diese Lieder singen. Diese Befürchtung wurde mir schlagartig genommen. Es gibt den Stücken sogar noch mehr, wenn nicht ich, sondern die 16-jährige Tochter der Familie selbst darüber singt, wenn sie vor dem Spiegel steht. Das hat mich schon sehr berührt, und ich habe gemerkt, dass man die Songs wunderbar auf mehrere Personen aufteilen kann.
Sind Sie mit der Auswahl der Darstellerinnen und Darsteller zufrieden?
Total. Ich durfte bei den Castings auch ein bisschen meinen Senf dazugeben, und wir hatten wirklich schnell einen Konsens. Auch mit den musikalisch Beteiligten bin ich sehr happy. Die kommen aus England, haben schon mit dem großen Andrew Lloyd Webber zusammengearbeitet und waren sogar bei der Krönung von König Charles dabei.
Wie gut kennen Sie sich überhaupt mit Musicals aus?
Das ist ausbaufähig. Ich bin ein großer Fan des „Mamma Mia“-Musicals, und es macht mir richtig Freude, Pierce Brosnan beim Singen zuzuschauen. Martin Flohr hatte die Idee, uns für ein Wochenende nach London einzuladen, dort haben wir uns gründlich inspirieren lassen.
Mir war klar, dass ich keinen Klamauk will, und dass das Stück sowohl seine hochdramatischen als auch seine lustigen Momente haben sollte. Manche Songs haben wir jetzt sogar auf vier Personen aufgeteilt, das ermöglicht richtig spannende Perspektivwechsel.
Warum haben Sie sich für den Spielort Düsseldorf entschieden?
Das war ein Vorschlag der Musicalfirma, auf den wir gern eingegangen sind. Das Ruhrgebiet, überhaupt Nordrhein-Westfalen, ist für Pur das größte Einzugsgebiet. Nicht umsonst spielen wir ja immer wieder gerne in der Schalke-Arena.
Sie haben sich vor einem Jahr in unserem letzten Gespräch als „hoffnungsvollen Pessimisten“ bezeichnet. Ist diese Grundstimmung weiterhin aktuell?
Ja. Es gibt einen dreißig Jahre alten Song von mir, der heißt „Sie sieht die Sonne“. Darin geht es um eine Freundin von mir. Immer, wenn wir in den Urlaub gefahren sind und die Regenfront nicht weichen wollte, hat sie gesagt „In einer halben Stunde kommt die Sonne durch“. Ich habe ihr das nie so richtig geglaubt, aber ich habe mich immer sehr gefreut, wenn sie Recht hatte. Man hat ja immer das Bild mit dem Glas vor Augen. Ich habe immer das Gefühl, dass das Glas halbleer ist. Aber ich glaube, dass bald jemand kommt und es wieder vollgießt.
>>> Das Pur-Musical „Abenteuerland“ im Capitol-Theater <<<
Die Endproben für das Pur-Musical laufen, der Kartenvorverkauf hat längst begonnen. Im Düsseldorfer Capitol, Erkrather Straße 30, wird „Abenteuerland“ gespielt.
Derzeit laufen Voraufführungen, Premiere ist aber am 22. Oktober, danach wird (von wenigen Tagen abgesehen) pausenlos gespielt.
Fans haben ausreichend Gelegenheit, ins „Abenteuerland“ zu reisen: Bis mindestens März 2024 soll das Musical in Düsseldorf zu sehen sein. Für Familien gibt es auch Nachmittagsvorstellungen. Karten ab 49,90 Euro, www.capitol-theater.de