Dortmund/Iserlohn. Kamera-Autos sollen großflächig Kennzeichen scannen, um falsch geparkte PKW zu finden. Ist das erlaubt? Und haben die Städte die Technik dafür?
Die Politesse kommt auf vier Rädern und hat eine Rundumkamera auf dem Dach. Oder sie schickt einen kleinen Roboter, der Fotos von den Kennzeichen geparkter Autos macht. Im Ausland gibt es das schon, in Deutschland ist das bisher verboten. Geht es nach den Bundesländern, soll sich das so schnell wie möglich ändern. Sie haben die Bundesregierung jetzt aufgefordert, zu diesem Zweck das Straßenverkehrsgesetz zu ändern, wie die Rheinische Post berichtet. Viele Städte im Revier sind derzeit aber gar nicht in der Lage, Kameraautos einzusetzen.
Bislang sind in den Kommunen des Ruhrgebietes ausschließlich „Außendienstkräfte“ unterwegs, die jedes geparkte Fahrzeug einzeln checken – entweder anhand ausgelegter Parkscheine, Bewohnerparkausweise oder Ausnahmegenehmigungen. Oder über eine Online-Abfrage, wenn der Fahrer eine Handy-App zum Bezahlen genutzt hat. Gut 50 Fahrzeuge, heißt es bei den meisten Ordnungsämtern, könne eine Kontrollkraft pro Stunde überprüfen.
1000 Kennzeichen pro Stunde
Eine Zahl, über die die Behörden etwa in Paris oder Amsterdam nur müde lächeln. Die dort eingesetzten Kamera-Autos schaffen nach Informationen der Bundesländer rund 1000 Kennzeichen pro Stunde. Ein holländischer Anbieter solcher Kamera-Fahrzeuge spricht sogar von bis 3000 in 60 Minuten und schickt die Autos 15 Stunden am Tag durch die. Und wo es eng wird auf den Straßen gibt es auch entsprechend ausgerüstete Fahrräder oder Roller. In einigen Ländern wird mittlerweile sogar mit Roboterautos experimentiert, die automatisch über große öffentlicher Parkplätze rollen und Kennzeichen scannen.
Ob Handscanner oder Auto mit Rundum-Kameras, das Prinzip ist immer gleich. Wer parken will, muss sein Kennzeichen im Automaten oder in der Handy-App eingeben. Gespeichert wird die Eingabe in einer Datenbank, auf die sowohl der menschliche Kontrolleur als auch Auto oder Roboter Zugriff haben. Aus dem geschlossenen System heraus bekommen sie binnen Sekunden die Auskunft, wer die Parkzeit überschritten hat.
Wer fast sicher erwischt wird, zahlt lieber vorher
Das System hat Erfolg. Wo es bereits genutzt wird, wie etwa in Amsterdam oder Paris, melden die Behörden, dass sich die „regelkonforme Nutzung“ des öffentlichen Parkraums „signifikant“ erhöht habe. Anders gesagt. Wer fast sicher erwischt wird, der zahlt vorher lieber.
Trotzdem dürfte es noch dauern, bis im Ruhrgebiet flächendeckend Kennzeichen geparkter Autos gescannt werden. Zwar bieten Revierstädte wie Dortmund, Duisburg Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Herne, Oberhausen oder Witten schon lange „Handyparken“ alternativ zum klassischen Parkschein an, komplett abgeschafft aber hat den Papierstreifen noch Kommune. Und so lange das nicht passiert, sagt Philipp Zimmerman, Geschäftsführer von „smartparking“, einer Initiative für digitale Parkraumbewirtschaftung, sei der Einsatz von Scan-Autos unmöglich: „Das ist nicht kompatibel mit dem klassischen Prinzip des Parkscheins.“
Frage des Datenschutzes ist noch ungeklärt
Man wolle natürlich „mit der digitalen Entwicklung Schritt halten“, sagt dazu der Dortmunder Stadtsprecher Maximilian Löchter. Noch aber sei man in der „Findungsphase“. Und die Stadt Bochum antwortet auf Anfrage: „Wir haben die digitalen Möglichkeiten, Parkraum zu überwachen im Blick.“ Es seien aber noch etliche Punkte offen – so etwa zur Scan-Leistung, zu Sonderparkrechten (Handwerker-/Hebammenparkhausweis) und dem Datenschutz.
Letzteres sieht der ADAC-Verkehrsrechtsexperte Jost Kärger genauso. „Es gibt noch 1000 Fragen.“ Für einen anlasslosen Scan brauche es eine Rechtsgrundlage, die noch fehle. „Damit müssen sich auch die Datenschutzbeauftragten der Länder beschäftigen.“ In NRW ist das geschehen. Zumindest „Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW“ macht das auch.
Es müsse zumindest „ein Anfangsverdacht einer Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit“ bestehen, heißt es auf Anfrage bei der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit dort. Der liege „im Zeitpunkt der Datenverarbeitung mittels der Scanfahrzeuge …nicht vor“. „Vielmehr soll dieser erst mittels des Kennzeichenabgleichs ermittelt werden.“ Bei der manuellen Erfassung per Handscanner dagegen sei der Anfangsverdacht zuvor von den Bediensteten des Ordnungsamtes festgestellt worden. Wie eine Politesse allerdings vor dem Scannen erkennen kann, ob die Parkzeit überschritten ist, bleibt unklar. „Technisch sehe ich bei beiden Methoden keinen Unterschied“, sagt Kärger dann auch.
Die Stadt Iserlohn hat das nicht davon abgehalten, als eine der ersten Städte bundesweit ihr Parksystem komplett zu digitalisieren, alle 103 Automaten auszutauschen und seitdem Ordnungsamtskräfte mit Handscannern auf sie Straße zu schicken. Alle Daten würden weder verknüpft noch dauerhaft gespeichert. „Datenschutzrechtlich ist das alles konform“, hat Christian Eichhorn, Ressortleiter Bürger, Sicherheit, IT, deshalb bei der Einführung vor ein paar Monaten auch versichert. An den Einsatz von Autos mit Kamera ist derzeit aber selbst in der Waldstadt nicht gedacht. Erst einmal, ist aus dem Rathaus zu hören, müssten die Bürger grundsätzlich mit dem neuen System zurecht kommen.