Essen. Marc Rothemunds neuer Film erzählt die wahre Geschichte vom autistischen Jason und seinem Vater Mirco auf der Suche nach einem Lieblingsverein.

Als der kleine Jason die Diagnose Autismus erhält, nehmen sich seine Eltern vor, ihm ein normales Leben zu ermöglichen. Leicht ist das nicht: Der Junge bekommt Panikattacken, wenn ihm jemand zu nahe kommt; wenn ein fremder Mensch auf „seinem“ Platz an der Bushaltestelle sitzt, rastet er aus. Und seine Religionslehrerin beschimpft er als „Verschwörungstheoretikerin“.

Um den Wechsel auf eine Förderschule zu vermeiden, macht sein Vater mit ihm einen Deal aus. Jason gibt sich im Unterricht alle Mühe – im Gegenzug besucht er mit ihm so viele Fußballspiele, bis er endlich einen Lieblingsverein gefunden hat.

Mit „Wochenendrebellen“ setzt Filmemacher Marc Rothemund („Es ist zu deinem Besten“) eine wahre Geschichte in Szene. Die Vorlage bot das Buch „Wir Wochenendrebellen“, in dem Mirco und Jason von Juterczenka ihre Erlebnisse schildern. Jedes Geräusch dröhnt ihm in den Ohren. Dafür weiß der zehnjährige Jason alles über Astronomie und Planeten, über die er mitten in der Nacht Vorträge hält.

Feste Regeln und Routine

Es ist schlicht umwerfend, wie der junge Cecilio Andresen die schwierige Rolle meistert. Dank seines feinen, ausbalancierten Spiels (und eines Sounddesigns, das die laute Umwelt erlebbar macht), werden Phänomene des Autismus plastisch und nachvollziehbar. Jason braucht vor allem eins: feste Regeln und Routinen. „In meinem Kopf ist Krieg“, wird er später zu seinem Vater sagen. Zu viele Gedanken wollen in zu viele verschiedene Richtungen.

„Wochenendrebellen“ nimmt von Beginn an gefangen und erinnert an die Tragikomödie „Dieses bescheuerte Herz“, die Filmemacher Rothemund 2017 vorstellte: Damals kümmerte sich Elyas M’Barek um einen herzkranken Jungen. Nun also ein Vater-Sohn-Gespann auf der Suche nach dem Glück des Augenblicks. Und diesmal hält ein gut aufgelegter Florian David Fitzdie Zügel in der Hand: Die charmante Allzweckwaffe des deutschen Films spielt den netten „Papsi“ Mirco zwischen Dauerstress und den besten Vorsätzen mit Gefühl und viel trockenem Humor.

„Jason, du musst zum Fußball!“

Ebenso glaubhaft: Aylin Tezel als allzu fürsorgliche Helikopter-Mutter Fatime, die ihr Kind in Watte packt – und Joachim Król als Opa und eingefleischter BVB-Fan, der für seinen Enkel nur einen Rat hat: „Jason, du musst zum Fußball.“

Und so sieht man Vater und Sohn viel in Zügen sitzen, wo der Junge prompt einen Koller bekommt, weil Nudeln und Tomatensauce nicht getrennt serviert werden. Von Haan bei Solingen führt die Reise jedes Wochenende bis nach Bayern und Berlin – auf einer Karte wird die Deutschlandtour akribisch nachgezeichnet. 56 Vereine kicken in der ersten, zweiten und dritten Liga. Und Jason will alle live sehen.

Auch interessant

Für seinen künftigen Favoriten gelten dabei strenge Kriterien: Das Maskottchen darf nicht albern sein (Sorry BVB, sorry Emma!). Im Stadion müssen Nachhaltigkeitsgebote gelten. Nicht zu viele Farben bei den Schuhen der Spieler, keine Umarmungen auf dem Platz. Und keine Nazis, weshalb eine Familientour ins Berliner Olympiastadion zugunsten eines Besuchs bei einem Viertligisten abgebrochen werden muss. Dem Jungen machen die Ausflüge Spaß, er beginnt, sich zu entspannen. Doch dann kommt es zum Konflikt.

Viele beeindruckende Fußballstadien

Man lernt bei diesem etwas anderen Roadmovie viele beeindruckende Fußballstadien kennen: 1. FC Nürnberg, Max-Morlock-Stadion, dann 1. FC Union Berlin, RB Leipzig, der BVB (Südtribüne!), der FC Bayern, Schalke, Fortuna Düsseldorf, immer neue Schals, immer neue Fahnen, Fangesänge und überall bestens gelaunte Fans („Gut, wenn du nicht für die Bayern bist. Dann lernst du was fürs Leben“).

Dabei schwappt einiges von der guten Stimmung tatsächlich bis ins Kino, wo sie auch die weniger Ballsport-Interessierten erreicht: Heile Welt allerorten, und der Fußball als Glücksbotschafter. Wobei man auch darüber staunt, dass Mirco offenbar unbegrenzte Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um an Karten zu kommen.

Schwamm drüber, auch über einigen Kitsch, dem wohltuende Ironie gegenübersteht („Papsi, ich bin nicht Rain Man!“). Die Authentizität der Geschichte macht es wett. Denn vor allem sorgen die „Wochenendrebellen“ für ein gutes Gefühl und schärfen das Auge fürs Anderssein. Ein optimistischer Seelenwärmer, mal lustig, mal zum Heulen schön. Und immer ein Plädoyer für das pralle Leben, das mitunter in einer Bierdusche steckt.