Düsseldorf. Kunst, Kitsch und Kommerz: Der Kunstpalast in Düsseldorf zeigt die erste große Museums-Ausstellung zum schön-schrecklichen Horror-Schauder.
Gothic- und Steampunk-Klamotten, ein bunt bemalter Sarg. Das martialische Logo von Rihanna, Heavy-Metal-Plattencover, ein „Zombie Boy“ ohne tätowierungsfreie Körperstelle und (denmächst) noch eine Geisterbahn udn ein Rockkonzert vorm Museumseingang: Da kann man schon sicher sein, dass die Ausstellung „Tod und Teufel“ nicht nur anderes und jüngeres Publikum ins Haus locken wird, sondern auch die erfolgreichste des Jahres für den Kunstpalast.
Dass es „die erste umfassende Ausstellung zum Thema Horror in Museen weltweit ist“, wie Hausherr Felix Krämer vor Eröffnung der Schau frohlockte, mag man kaum glauben, auch wenn man sich denken kann, dass die meisten Museen spitze Finger bekommen, wenn es an die trivialen Seiten des Horrors geht. Der Kunstpalast kennt da keine Berührungsängste, aber er sichert auch der Kunst ihr Recht auf diesem ebenso vielgestaltigen wie weiten Feld.
Sieben Stoffklumpen an Fleischerhaken
Die Spannbreite zeigt sich etwa zwischen dem Kleid, das der US-Modedesigner Thom Browne 2018 für seine Frühjahrskollektion fertigen ließ, und einer gespenstisch-tragischen Installation der britischen Künstlerin King Cobra. Brownes Seiden-Tunika ist mit einem maßstabsgetreuen Skelett aus Hunderten von Plastikperlen und geschliffenen Glasstückchen auf höchste Auffälligkeit getrimmt (die Musikerin Phoebe Bridgers trug es zu diesem Zweck bei der Grammy-Verleihung 2021). Die Installation von King Cobra dagegen besteht aus sieben mit Stecknadeln bestückten, verdrehten und verformten (Kunst-)Stoffklumpen, die nebeneinander an Fleischerhaken hängen; sie erinnern an schwarze Frauen, die im 19. Jahrhundert in den USA den medizinischen Experimenten eines weißen Arztes zum Opfer fielen. Nicht nur hier zeigt sich die von Kuratorin Westrey Page betonte „kritische, ja politische“ Dimension des Horrors, aber sie wird so deutlich wie nirgends sonst.
Den Anfang aber machen Albrecht Dürer (dessen Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel“ neben seinen „Apokalyptischen Reitern“ wahre Bestseller des 16. Jahrhunderts waren) und ein imposanter Triptychon-Flügel der Hölle in Öl von Friedrich Wilhelm von Schadow (1788-1862) und seinen Schülern: Da hockt der splitterfasernackte Fürst der Finsternis (als Verkörperung des Bösen und Falschen) und trägt nicht nur Dreizack und Fledermausflügel, sondern hat auch in Denkermanier das Kinn auf die Faust gepflanzt. Das Bild hängt normalerweise übrigens im Düsseldorfer Landgericht...
Angst- und Bangemachen vor der Hölle
Im 19. Jahrhundert löste sich der Horror aus seinem religiösen Kontext, in dem er stets dazu diente, den Kirchen ihre Schäfchen auch durch Angst- und Bangemachen vor der Hölle in die Gottesdienste zu treiben. Aber mit der Begeisterung der englischen Upper Class für alles Morbide, Vergängliche, Bizarre war der Boden bereitet für das, was mit den Horrorfilmen des frühen 20. Jahrhunderts zu einer echten Konjunktur wurde (den ersten drehte übrigens George Méliès 1896: „Das Schloss des Teufels“). In der Düsseldorfer Ausstellung gibt es Ausschnitte mit den ikonisch gewordenen Stummfilm-Bildern von F. W. Murnaus „Nosferatu – Sinfonie des Grausen“ und dem „Kabinett des Dr. Caligari“. Spätestens hier entwickelt das Angstlust-Bedienen seine Doppelköpfigkeit aus Kunst und Kommerz.
Die sich so gern dunkel gebenden Gothic-, Heavy- und Dark-Metal-Szenen, die sich seit fünf Jahrzehnten immer weiter entwickeln, werden mit Fotos und Plattencovern ausgeleuchtet. Des Horrors bedient sich aber auch die Pop-Sirene Rihanna, die sich ein Metal-Logo mit maximal vielen Zacken entwerfen ließ (vom selben Designer stammt das Logo für die Ausstellung), oder der Rapper Lil Nas X und Hit-Sängerin Billie Eilish.
Kunst, die Horror und Humor miteinander verbindet
Neben den bizarren Gothic-Schuhen, deren eingebauter Fersensporn vielleicht weniger etwas für die Orthopädie als für eine andere medizinische Fachrichtung ist, gibt es auch Kunst, die Horror und Humor miteinander verbindet. Gregor Schneiders „Mann mit Steifem“ (eine Leiche, bei der auch die Erektion mit abgedeckt ist) zeigt, dass die groteske Seite des Künstlers auch heitere Züge annehmen kann. Ernst aber wird es mit Andres Serranos dezentem und doch vielsagendem Foto eines Mordopfers aus der Pathologie oder Mat Collishaws Aufnahmen von Henkersmahlzeiten, die so gar nicht nach Foto, sondern nach altmeisterlicher Malerei aussehen. Und mit dem Schauder nicht nur spielen, sondern in ihrer Stilllebensnähe zu veritablen Anklagen der Todesstrafe werden.
Dass am Ausgang der Ausstellung ein Trümmerhaufen aus Sperrholzmöbeln zu überqueren ist, mahnt allerdings nicht nur in diesen Katastrophentagen, dass der wahre Horror in der Wirklichkeit stattfindet.
Infos zur Ausstellung
„Tod und Teufel. Faszination des Horrors“. Museum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf. Bis 21. Januar. Geöffnet: Di-So 11-18 Uhr, Do bis 21 Uhr. Eintritt: 12 €, erm. 9 € (inkl. Claudius-Völker-Ausstellung). Katalog (Sandmann Verlag): 29,80, im Buchhandel 42 €.
Großes Begleitprogramm:www.kunstpalast.de.