Essen. Verdis „Macbeth“ ist ein Psycho- und Politthriller mit Hexenspuk und Mordlust. Im Essener Aalto bleibt die Inszenierung von Emily Hehl aber blass
Erstaunlich brav ging die Eröffnungspremiere der Essener Oper über die Bühne. Dass dabei ausgerechnet Giuseppe Verdis alles andere als harmlose Shakespeare-Adaption „Macbeth“ auf dem
Programm stand, verheißt nichts Gutes. An den „Macbeth“, mit dem Hein Mulders und Tomaš Netopil vor zehn Jahren ihre Amtszeiten einläuteten, darf man nicht denken. Der Einstand des neuen Chefdirigenten Andrea Sanguineti unter der noch jungen Intendanz von Merle Fahrholz verlief wesentlich weniger glücklich. Was nicht nur der spannungslosen Inszenierung der 23-jährigen, mit dieser schwierigen Aufgabe noch überforderten Regisseurin Emily Hehl anzulasten ist. Auch musikalisch wollte der Abend nicht so recht in Schwung kommen.
Mit dem zwischen Hexenspuk, Psycho- und Politthriller changierenden Werk löste sich Verdi so radikal vom balsamischen Wellness-Feeling der traditionellen Belcanto-Oper wie in keinem anderen seiner frühen Werke. Maestro Andrea Sanguineti setzte im Vorspiel entsprechend harte Akzente, stoppte hier jedoch bereits durch überdehnte Generalpausen den Fluss der Musik. Verstärkt durch teilweise extrem zähe Tempi konnte er die Spannungsbrüche auch durch gelungenere Passagen nicht mehr kitten. Und auf der Bühne entfacht Emily Hehl einen dreistündigen „Reigen seliger Geister“ mit Hexen und viel Schottenvolk in züchtigem Weiß, das entzückt wie in Trance taumelte. Berauscht, allerdings nicht von einem harten Scotch, sondern von einer mittlerweile legalen Party-Droge.
Solistinnen des Aalto Balletts werden mit einem Schleiertanz unterfordert
Die ganze Produktion ist minuziös durchchoreografiert, gipfelnd in der von Verdi nachträglich für Paris komponierten, dramaturgisch aber völlig überflüssigen Ballettmusik, bei der drei Solistinnen des Aalto Balletts mit einem in schwarze Tücher gehüllten Schleiertanz unterfordert werden. Dramatische Ekstatik kommt angesichts der gekünstelten Bewegungstherapie nicht auf. Und Dämonie strahlen auch die ungewöhnlich neutralen und aussageschwachen Bühnenbilder von Frank Philipp Schlössmann nicht aus.
Einige deutliche Buh-Rufe für das szenische Team
Was insgesamt dazu führt, dass selbst die Hauptfiguren emotional wie ausgebremst wirken. Als Gast bringt Massimo Cavalletti für die Titelpartie ein ausreichendes Stimmvermögen mit. Dass sein Timbre recht rau und sein Bariton in der Höhe leicht brüchig klingt, kommt der mehr auf Realismus als auf Wohlklang ausgerichteten Partie durchaus entgegen. Wie auch die unruhig tremolierende Stimme des neuen Ensemblemitglieds Astrik Khanamiryan, die als Lady Macbeth mit dem weiten Umfang der heiklen Partie keine Probleme hat. Probleme könnte ihr jedoch ihr flackerndes Tremolo in anderen Partien bereiten. Völlig blass wirkt Sebastian Pilgrim als Banco. Für eine Dosis vokalen Glanzes sorgt Alejandro Del Angel in der kleinen Tenor-Rolle des Macduff. Schwerarbeit hat der Chor zu leisten, was Umfang und Variabilität seines Parts angeht, aber auch den Bewegungsdrang der Regisseurin.
Das Premieren-Publikum reagierte überwiegend begeistert. Einige deutliche Buh-Rufe musste allerdings das szenische Team einstecken. Insgesamt kein Saisonauftakt, der einen vom Stuhl reißt.
Spieldauer: ca. 3 Std., eine Pause. Die nächsten Aufführungen im Aalto-Theater Essen: am 16., 20. und 29. September sowie am 21. und 27. Oktober (Kartentelefon: 0201/8122-200; Internet:www.aalto-theater.de).