Frankfurt/M. Beim Deutschen Buchpreis sind sieben von 20 nominierten Romanen Debüts. Im Rennen sind elf Autorinnen und neun Autoren.
Sie spielen in einem jüdischen Ort in Sibirien oder in der ehemaligen DDR, sie erzählen aus der Sicht eines Tintenfischs oder von der Zuschauertribüne des NSU-Prozesses. 20 Romane haben es auf die mit Spannung erwartete Longlist für den Deutschen Buchpreis 2023 geschafft. Elf Autorinnen und neun Autoren. In die Vorauswahl schafften es bekanntere Namen wie Terézia Mora, Clemens J. Setz, Angelika Klüssendorf, Raphaela Edelbauer, Teresa Präauer oder Kathrin Röggla.
Zu den prominentesten Namen gehören Terézia Mora, die bereits 2013 den Buchpreis gewann und diesmal mit ihrem Roman „Muna oder Die Hälfte des Lebens“ dabei ist, der von einer toxischen Liebesbeziehung erzählt. Oder Georg-Büchner-Preisträger Clemens J. Setz, der sich in „Monde vor der Landung“ mit einem fast vergessenen Hohlwelttheoretiker auseinandersetzt. Zugleich finden sich aber auch sieben Erstlings-Romane auf der Liste – der Buchpreis als kleiner literarischer Debütantenball. Luca Kieser beschäftigt sich beispielsweise in „Weil da war etwas im Wasser“ mit einem monströsen Tintenfisch, dessen Arme und Tentakel zu erzählen beginnen. Und Charlotte Gneuß’ „Gittersee“ spielt in den 70er Jahren im gleichnamigen Dresdner Vorort und wurde bereits mit dem Jürgen Ponto-Preis 2023 ausgezeichnet.
Eingereicht waren 196 Romane von 113 Verlagen – siebenköpfige Jury
„Unsere Auswahl ist auch in diesem Jahr wieder der Beweis dafür, dass die deutschsprachige Gegenwartsliteratur voller Überraschungen ist“, erklärte die Sprecherin der Jury, Katharina Teutsch, die als freie Kritikerin tätig ist. Neulinge stünden selbstbewusst neben etablierten Autorinnen und Autoren, „kleine Verlage wechseln sich mit großen Verlagen ab; Geschichten von tragischem Ernst stehen neben Kapriolen der Fantasie.“
Die Kritikerin betont zudem, dass die siebenköpfige Jury völlig frei von politischen oder moralischen Ansprüchen an die Arbeit gegangen sei. Dennoch habe sich am Ende herausgestellt, dass es in vielen Werken auch um Migration gehe. So handle Tomer Dotan-Dreyfus’ Debüt („Birobidschan“) von einem jüdischen Städtchen, das in den 30er Jahren in Sibirien gegründet wurde. Sherko Fatah beschäftige sich in „Der große Wunsch“ mit Migration und ihren Folgen und Elena Fischer („Paradise Garden“) mit Einwanderung aus Ungarn. Necati Öziri bilde in seinem Debüt „Vatermal“ deutschtürkische Realitäten verschiedener Generationen ab. Und Anne Rabe erzähle in „Die Möglichkeit von Glück“ von der Migration aus der verschwundenen DDR in den Westen.
Wer den Deutschen Buchpreis gewinnt, erhält 25.000 Euro
In diesem Jahr waren insgesamt 196 Romane von 113 deutschsprachigen Verlagen im Rennen. Aus der 20 Titel umfassenden Longlist wird dann in den kommenden Wochen die Shortlist mit den sechs besten Romanen gebildet. Diese will die siebenköpfige Jury am 19. September veröffentlichen. Der Gewinner oder die Gewinnerin wird bei der Preisverleihung am 16. Oktober, zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse, verkündet.
Der Jury gehören an: Shila Behjat (Journalistin und Publizistin), Heinz Drügh (Literaturwissenschaftler Goethe-Universität Frankfurt am Main), Melanie Mühl (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Lisa Schumacher (Steinmetz’sche Buchhandlung, Offenbach), Katharina Teutsch (freie Kritikerin) und Florian Valerius (Gegenlicht Buchhandlung, Trier).
Kostenloses Taschenbuch mit Leseproben
Der Deutsche Buchpreis gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen der Branche und wird seit 2005 verliehen. Der Preis ist mit insgesamt 37.500 Euro dotiert: Der Sieger oder die Siegerin erhält 25.000 Euro, die übrigen Autoren der Shortlist jeweils 2500 Euro.
Vergeben wird der Buchpreis von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Im vergangenen Jahr hatten 124 Verlage 202 Werke eingereicht. Der Preis ging dann an Kim de l’Horizon für den Roman „Blutbuch“.
Ein Taschenbuch mit Leseproben ist ab dieser Woche in vielen Buchhandlungen kostenlos erhältlich.
Die vollständige Liste der Nominierten:
- Tomer Dotan-Dreyfus: Birobidschan (Verlag Voland & Quist, Februar 2023)
- Raphaela Edelbauer: Die Inkommensurablen (Klett-Cotta, Januar 2023)
- Sherko Fatah: Der große Wunsch (Luchterhand Literaturverlag, August 2023)
- Elena Fischer: Paradise Garden (Diogenes Verlag, August 2023)
- Charlotte Gneuß: Gittersee (S. Fischer Verlag, August 2023)
- Luca Kieser: Weil da war etwas im Wasser (Picus Verlag, August 2023)
- Angelika Klüssendorf: Risse (Piper Verlag, August 2023)
- Sepp Mall: Ein Hund kam in die Küche (Leykam Verlag, August 2023)
- Terézia Mora: Muna oder Die Hälfte des Lebens (Luchterhand Literaturverlag, August 2023)
- Thomas Oláh: Doppler (Müry Salzmann Verlag, Februar 2023)
- Angelika Overath: Unschärfen der Liebe (Luchterhand Literaturverlag, April 2023)
- Necati Öziri: Vatermal (Claassen, Juli 2023)
- Teresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert (Wallstein Verlag, Februar 2023)
- Anne Rabe: Die Möglichkeit von Glück (Klett-Cotta, März 2023)
- Kathrin Röggla: Laufendes Verfahren (S. Fischer Verlag, Juli 2023)
- Tonio Schachinger: Echtzeitalter (Rowohlt Verlag, März 2023)
- Sylvie Schenk: Maman (Carl Hanser Verlag, Februar 2023)
- Clemens J. Setz: Monde vor der Landung (Suhrkamp Verlag, Februar 2023)
- Tim Staffel: Südstern (Kanon Verlag Berlin, September 2023)
- Ulrike Sterblich: Drifter (Rowohlt Verlag Hundert Augen, Juli 2023)