Essen. „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ bietet wenig Neues, obwohl Indy altert. Und es deutet sich an, wie das Kino des 20. Jahrhunderts endet.

Auch Unmögliches kann wahr werden. Als vor beinah zehn Jahren erstmals die Idee von einem weiteren Film um Indiana Jones mit Harrison Ford in der Hauptrolle kursierte, da glaubten nicht wenige an einen schlechten Scherz. 1981, im „Jäger des verlorenen Schatzes“, hatte Ford die Rolle geprägt, die ihn mehr noch als Han Solo zu einem Archetypus des Kinos am Ende des 20. Jahrhunderts machte – als Archäologe (genauer: Grabräuber) mit begnadeter Physis und einem untrüglichen Gespür für mystische Artefakte und jede Menge Ärger, zumal auch Adolf Hitler und seine Nazi-Chargen nach machtgewaltigen Dingen wie der Bundeslade oder dem heiligen Gral gieren.

Seither springt und rennt, stürzt und prügelt sich Ford durch drei Fortsetzungen, zuletzt 2008 in „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“, wo erstmals Held und Hauptdarsteller in Personalunion zeigten: Indy altert. Zugleich waren alle erstaunt, wie scheinbar mühelos Ford immer noch rannte und sprang usw., so dass man glatt vergaß, dass hier jemand mit 66 eine Actionrolle bestritt, wo die meisten anderen in diesem Alter sich höchstens noch Actionfilme anschauen.

Harrison Ford als junger Mann, Mads Mikkelsen ebenfalls

Und nun, im Jahr 2023 gibt es tatsächlich einen neuen, den fünften Indiana-Jones-Film mit Harrison Ford. Man sieht einen Bahnhof, darüber eine Burg auf einer Bergkuppe. Fieberhaft verladen Nazis Raubkunst in Waggons, während droben unterm Burgdach Indiana Jones als US-Spion gehängt werden soll. Klar, er wird sich befreien, den Zug entern, die Kunstschätze retten und dabei mehr Nazis killen als die US-Armee am D-Day.

Wiederauferstehung für Humphrey Bogart, Marilyn Monroe und Sean Connery?

Was an dem Prolog aber wirklich verblüfft, ist die digitaltricktechnische Errungenschaft, dass Harrison Ford und sein Co-Star Mads Mikkelsen sehr glaubhaft die Gesichter von jungen Männern tragen. Angesichts dieser Szenen darf man sicher sein, dass nun alles möglich ist und es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, dass Humphrey Bogart, Marilyn Monroe, Steve McQueen oder Sean Connery als James Bond wiederauferstehen werden.

Nach dieser nostalgischen halben Stunde beginnt die eigentliche Handlung. Indiana Jones und Helena (Phoebe Waller-Bridge), die Tochter eines Freundes, jagen kurz nach der Mondlandung 1969 der Antikythera nach, einem (realen) von Archimedes konstruierten Kalendermechanismus, der (erfunden) eine Reise zurück in die Zeit berechnen kann. Nazi-Forscher Dr. Voller (Mads Mikkelsen) ist auch hinter dem Artefakt her.

Schnitzeljagd mit Action, Regisseur James Mangold richtet eine Materialschlacht an

So weit, so einfach, alle Indiana-Jones-Filme sind ja im Kern Schnitzeljagden, aufgemöbelt mit Action. Das ist auch hier so. Und schade. Regiehandwerker James Mangold entfesselt muntre Materialschlachten, aber über Sinn für Magie oder Abenteuer oder Figuren verfügt er nicht. Die Action ist maßlos übertrieben und in die Länge gezogen.

Und Mads Mikkelsens Dialogsatz: „Wir sehen uns in der Vergangenheit, Dr. Jones“, bleibt ein hohles Versprechen. Etliche interessante Nebenfiguren werden leichtfertig bis lustlos aus dem Film gekippt, und die Sitcom-Sprüche von Phoebe Waller-Bridge hätte man sich besser für eine Komödie aufgespart.

Komödien-Sprüche und Millionen

So teuer wie der Film ist (die Angaben schwanken zwischen 295 und 340 Millionen US-Dollar), erfüllt er Mindestansprüche an Schauwert und Rasanz. Aber seit „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ 1984 geht es nur noch um kalkulierte Überwältigung und Atemlosigkeit, und am Ende grabscht Indy wieder nach seinem Hut.

Ein sechster Teil aber erscheint mittlerweile doch illusorisch. Am ehesten als rein digitales Abenteuer mit einem auf ewig alterslosen Helden. Das Kino des 20. Jahrhunderts hätte damit endgültig ausgedient.

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„Jäger des verlorenen Schatzes“ (1981) kostete 18 Millionen Dollar und spielte weltweit das 22-Fache ein. Mit den Fortsetzungen stiegen die absoluten Zahlen, aber der Profit sank. „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ (1984) kostete 28 Millionen und erlöste 330 Millionen Dollar. „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) kostete 48 Millionen und erbrachte 470 Millionen Dollar. „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ spielte 742 Millionen ein, kostete aber auch 185 Millionen.