Duisburg. Rosen für Duisburg! Der gleichnamige Shootingstar gehörte zu den gefeierten Acts beim Traumzeit-Festival an diesem Wochenende im Lapa.

Hä, sind wir jetzt hier beim Ballett? Als Samstagnacht halbnackte Männer die steinerne Bühne in der Gießhalle betreten und zu Technoklängen ihre begnadeten Körper bewegen, betritt das für seine künstlerische Vielfalt immer wieder zurecht gelobte Traumzeit-Festival einmal mehr Neuland.

Es ist ein Ensemble der Deutschen Oper am Rhein, das da in schwarzen Unterhosen und langen Strümpfen das Stück „Salt Womb“ performt. Ein Novum im Set des Drei-Tage-Happenings, das am Wochenende rekordverdächtige fast 9.000 Musikfans in den Landschaftspark Nord lockte – und ansonsten eher für alternative Musik sowie Kapellen für den nötigen Spaßfaktor bekannt ist.

Den stärksten Tag am Hochofen erlebt das Publikum, wie gewohnt, am Samstag, der vielen Traumzeit-Gänger nachhaltig in Erinnerung bleiben dürfte.

Etwas für die große Bühne

Los geht’s um 17 Uhr mit De Staat. Ein grauer Anzug und ein schwarzes Hemd sind eher nicht das beste Outfit, wenn einem die Sonne mitten ins Gesicht knallt. Torre Florim kommt mit den 30 Grad aber bestens klar. „Style statt comfort“ erklärt er mit einem Zwinkern. Es ist eine Mischung aus avantgardistischem Indierock, tanzbarem Techno und mega Ausstrahlung, mit der die Formation aus Nijmegen die Meute auf dem Cowperplatz ausrasten lässt. Mit ihrem Auftritt sind De Staat die Überraschung schlechthin beim Traumzeit-Festival, denn bekannt sind sie bisher nur in ihrem Heimatland Niederlande, wo sie größere Locations problemlos füllen. Sollten sie künftig noch einmal für die Traumzeit gebucht werden, dürfte ihnen ein Slot im Abendprogramm gewiss sein.

Den hat ein junger Typ aus Stuttgart schon sicher, obwohl er erst vor drei Jahren seinen ersten Song geschrieben hat. „leichter/kälter“ heißt der – und ist von Edwin Rosen. Der 25-Jährige bringt am Samstag ordentlich Kreischfaktor in die Gießhalle. Eine Gitarre, ein Mikro und ein Synthesizer: Mehr braucht es nicht, um über 1.000 Fans, darunter viele Mädels mit schmachtendem Blick, zum Kochen zu bringen. Edwin Rosen scheint seine Stücke mit einer Selbstverständlichkeit zu komponieren, als ob er schon ganz lange dabei wäre. Er ist aber nicht nur ein in Deutschland gerade schwer angesagter Musiker, der mit seinem Sound einen Nerv getroffen hat, sondern einfach ein sehr sympathischer Typ. „Ich laufe hier nachher noch auf dem Gelände herum, also wenn Ihr mich seht, sprecht mich an, wir können ein Fotos machen oder so“, erzählte er bestens gelaunt. Das Angebot wird übrigens häufig angenommen...

Nach den Belgiern von Deus am Freitagabendgebührt am Samstag einem international renommierten Topact der Cowperplatz. Zwar haben die Macher des Traumzeit-Festivals in den vergangenen Jahren immer wieder auch größere Namen wie die Editors oder The Jesus and Mary Chain an den Hochofen geholt, doch Stars aus New York haben Duisburg vielleicht nicht sofort auf dem Schirm.

Stilecht in schwarzen Anzügen, weißen Hemden und feinen Lederslippern betreten Interpol die große Bühne. Die Formation um Sänger Paul Banks liefert, mit wenigen Ausnahmen, als es in zwei, drei Songs holpert, eine beeindruckende Leistung seines musikalischen Könnens ab. Ob sie jetzt Post Punk oder Post New Wave sein sollen, Schubladen gibt es in der Musik viele, ist dabei egal. Interpol haben in ihrem nunmehr über 20-jährigen Schaffen mit Songs wie „Evil“ oder „Obstacle 1“ bewiesen, dass sie zur ersten Liga der sogenannten Indiekapellen zählen. Beim Set in der Duisburger Abenddämmerung fehlt keiner der Hits, was die Fans glückliche Momente erleben lässt. Und weil Frontmann Banks, entgegen seiner Gewohnheiten, auch noch mehrfach mit dem Publikum spricht, darf dieser Abend als besonderer Moment in der Geschichte des Traumzeit-Festivals notiert werden.

Fotostrecke vom Traumzeit-Festival: https://www.nrz.de/staedte/duisburg/32-bands-beim-traumzeit-festival-die-besten-buehnen-bilder-id238713503.html

Letzte Schicht mit Atoem

Eine Stunde nach dem letzten Akkord von Interpol geht nebenan in der Gießhalle die Post ab. Atoem laden zum Mitternachtsspektakel, mit seinem knallharten Industrial-Techno und einer stylischen Lightshow passt das DJ-Duo aus Frankreich perfekt in die stählerne Kulisse am Hochofen. Es ist Zeit zu tanzen, irgendwo zwischen Kraftwerk und den Chemical Brothers liefern Atoem den Sound zur letzten Schicht – ehe es mit der Tanzperformance „Salt Womb“ hinaus in die Nacht geht.

Immerhin noch über 1.000 Feierbiester bestaunen die Choreografie der Israelin Sharon Eyal zu hämmernden Beats von Ori Lichtik. „Mit dem Ballettchef Demis Volpi haben wir eine weitere Zusammenarbeit vereinbart“, blicken die Traumzeit-Festival-Leiter Vivian Theweleit und Frank Jebavy in die Zukunft. Für Vivian Theweleit war der Kontakt zu den Musikerinnen und Musikern besonders beeindruckend: „Das war eine herzliche, fast familiäre Atmosphäre. Alle 30 Bands haben sich auf dem Festival offensichtlich wohlgefühlt.“

Einige von ihnen wird man hier sicher wiedersehen.

Der Termin fürs nächste Jahr steht schon fest

Knapp 9.000 Besucherinnen und Besucher an drei Tagen sorgten für eine 90-prozentige Auslastung bei den verkauften Tickets. Komplett ausverkauft war der Festivalsamstag.Einen Rekord gab es mit 827 Gästen auf dem Campingplatz, darunter waren auch etliche Familien mit Kindern.Der Termin für die nächste Traumzeit: 21.-23. Juni 2024.