Bochum. Martin Schepers war in der Atacama-Wüste, die Bochumer Situation Kunst zeigt als Ergebnis die Ausstellung: „Im Lithium Dreieck – wir verdunsten“
Als trockenster Punkt der Erde ist die Atacama-Wüste in Chile ein Fixstern im Kosmos des Extrem-Tourismus. Aber der Künstler Martin Schepers fuhr 2021 zum Arbeiten in diesen Teil des Lithium-Dreiecks zwischen Argentinien, Bolivien und Chile, in dem 50 Prozent der weltweiten Reserven an Lithium vermutet werden – jenem Grundstoff der Energiewende, mit dem unsere Groß-Akkus vom Auto bis zum Stromspeicher der Photovoltaik-Anlage arbeiten.
Aus der Atacama-Wüste mitgebracht hat der im münsterländischen Lengerich geborene Schepers, der seit dem vergangenen Jahr Professor für Malerei und Zeichnung an der Universität Gießen ist, Fotos, Zeichnungen, Videos und Materialien für Collagen. In der Ausstellung „Im Lithium-Dreieck – Wir verdunsten“ zeigen sie nun in der Bochumer Situation Kunstverschiedene Facetten einer Rohstoffgewinnung, die auf nur auf den ersten Blick unproblematisch erscheint.
Martin Schepers händigte Einmal-Kameras aus, weil er nicht fotografieren durfte
Denn Lithium wird gewonnen, indem man unterirdisch vorhandene Sole, die etwa das Achtfache an Salz enthält wie Meereswasser, in künstliche oberirdische Becken pumpt und das Wasser verdunsten lässt. Die großartige Farben, welche die Salzsole im Prozess der Verdunstung annimmt, sind in Bochum nur auf Fotos von Einmalkameras zu sehen, die Schepers den dortigen Beschäftigten mitgeben musste. Bei der Vorbereitung seiner Reise schienen ihm die Abbau-Firmen noch ohne weiteres den Zutritt zu solchen Becken gestatten zu wollen, vor Ort riss die Verbindung aber ab.
Schepers ging bei seiner Materialsammlung wie ein Anthropologe vor, der eine ganzheitliche Lebenswelt in der Region dokumentiert, die größer ist als das Saarland; es gibt dort etwa einzelne kleine Oasen, in denen manche der rund 6000 Einwohner durchaus Pflanzen anbauen). Neben dem Lithium-Abbau, der die Trockenheit der Region auf die Spitze zu treiben droht, sind das etwa die vielen „Aminitas“, kleine und auch größere, mit ungemein viel Phantasie, Alltagsschrott und Trivial-Zierrat gebastelte Gedenk- und Protest-Orte in animistischer Tradition, die auch Unfallstellen markieren. Oder auch kunterbunte Müllhalden mit Klamotten aus Europa, die dank des Klimas nicht verrotten.
„Der ideale Wasserkreislauf der Atacama-Wüste“ ist eine ruppig Zeichnung mit Stoff
Schepers entwarf zudem in einer Riesenzeichnung, in die er gewebten Stoff integrierte, einen „idealen Wasserkreislauf der Atacama-Wüste“, der in der Machart ähnlich schnoddrig und provisorisch anmutet wie der hin und wieder mit Eiswürfeln zu fütternde, sparsam tropfende Baldachin „Haus des Regens“, der für Kuratorin Eva Wruck ebenfalls ein „Gedenkort“ ist. Ähnlich ruppig die Video-Installation unter zwei maßvoll Dunkelheit spendenden Zeltplanen, mit Salztabletten-Säcken als Sitzgelegenheit: Das Video stellt die Realität vor Ort dem Reden der Rohstoff-Multis von verantwortungsvoller Lithium-Gewinnung gegenüber. Künstlerisch ergiebig sind vor allem 42 Aluminiumtafeln und Kacheln mit den Ergebnissen von Verdunstungs-Experimenten, die Schepers unternommen hat.