Köln. Auf seiner Abschiedstournee spielt Elton John dreimal in der Kölner Lanxess-Arena. Der Auftakt war ein Abend voller Mitsingen, Tanzen und Feiern.
Das war groß. Ganz, ganz groß. Wer dabei war, wird das bestätigen. Und wer nicht dabei war, hat noch zweimal, Donnerstag und Freitag, mit etwas Glück, Gelegenheit, das noch nachzuholen. Wobei man sich fragt, am Dienstag in der rappelvollen Lanxess-Arena, wo diese „wenigen, kurzfristig freigegebenen Plätze“ denn sein sollen. Mit 16.000 Karten pro Abend sind alle drei Kölner Konzerte von Elton John auf „Farewell Yellow Brick Road Tour“ bereits jetzt ausverkauft. Eigentlich.
Zu bestaunen, zu bejubeln und zu befeiern gibt es nicht nur einen Superstar und dessen Lebenswerk, sondern auch einen Künstler und Menschen, der ebenso sympathisch wie empathisch rüberkommt. Mit einem Gutteil augenzwinkernder Selbstironie.
Wenn Elton John lächelt, blitzt die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen
Um Elton John noch einmal zu erleben, auf seiner allerallerletzten Tour, und er schwört, dass dem so sei, reichen knapp zweieinhalb Stunden und 23 Stücke nicht annähernd aus. Wobei „Cold Heart“, der Disco-„Sacrifice“-Remix mit Sängerin Dua Lipa, und „Your Song” im Zugabenteil einen Brückenschlag im Zeitraffer darstellen: der letzte Hit, von 2021, und „my very first song”, mein allererstes Stück, von 1970. Ersteres ein Beweis dafür, dass der für seine ausgefallenen Bühnenkostüme und Brillen bekannte Brite sich immer noch neu erfinden kann. Letzteres der Beginn einer äußerst fruchtbaren Zusammenarbeit mit Lied-Texter Bernie Taupin.
Ob im Glitzerfrack, im raffiniert gemusterten blaurotweiß gemusterten Jackett mit Pierrot-Optik oder, bei den Zugaben, im opulenten rosé Hausmantel mit hellblauem Futter – Elton John ist seinem Stil treu geblieben. Noch immer trägt er den tropfenförmigen Perlenohrring, noch immer passen die getönten Brillen im XL-Format farblich zur Kleidung. Und wenn er lächelt, und das tut er oft an diesem Abend, blitzt die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen auf, die er nie hat korrigieren lassen. Warum auch?
Elton John zeigt, was ein klassisch ausgebildeter Musiker alles so drauf hat
Sie gehört genauso zu ihm wie der riesenlange Flügel, der an eine Instrument gewordene Stretch-Limousine erinnert, und an dem er Platz nimmt, um zu zeigen, was ein klassisch ausgebildeter Musiker alles so drauf hat. Und so unsterbliche Hits wie „Bennie and the Jets“, „Tiny Dancer“ oder „Rocket Man (I Think It´s Going To Be a Long, Long Time” zu singen. Noch immer kraftvoll, bisweilen allerdings mit viel Hall versehen. Nur wenn er aufsteht, um sich zu bedanken – „Für all eure Freundlichkeit, für eure Liebe, für eure Loyalität, ich werde euch nie vergessen” – um sich zu verbeugen und mit erhobenen Armen den wilden Jubel noch weiter anzufachen, merkt man ihm sein Alter an. Er ist jetzt 76. Das Gehen macht ihm Mühe, für die Verschiebung der ursprünglich für 2020 geplanten Konzerte war die Pandemie verantwortlich, aber auch die Pause aufgrund einer Hüft-OP.
Nicht erst beim infernalisch-bombastischen „Funeral For a Friend“ zeigt sich, wie großartig seine Band ist. Und das schon ziemlich, ziemlich lange. Mit Drummer Nigel Olsson, nur um ein Beispiel zu nennen, spielt er jetzt seit 54 Jahren.
Elton John in Köln: Aufstehen, Hinsetzen, Aufstehen - fast wie in einem Gottesdienst
Als Bühnenbild dient ein barocker, goldener Rahmen, der, damit nimmt das Augenzwinkern seinen Anfang, das „Gesamtkunstwerk“ Elton John umfasst. Dominierend auf der Leinwand sind regenbogenbunte, leuchtende Farben, Blumen, Fantasie-Geschöpfe, Fabel-Landschaften, es gibt aber auch Düsteres wie schwarze, klauenfingrige Mangrovenwälder vor einem blutroten Himmel, unter dem ein Sträfling in Ketten vor seinen Häschern flieht, die Stetsons und spiegelnde Sonnenbrillen tragen: „Have Mercy on the Criminal“.
Und wieder, immer wieder, Bilder aus mehr als 50 Jahren, die Elton John, den Jüngeren, Agilen, Exzentrischen mitunter auch Tolpatschigen, Lächerlichen und Albernen zeigen. Szenen, die er auch aussparen könnte. Was er aber, Stichwort Selbstironie, nicht tut. Lieber zollt er seinen Musikern Dankbarkeit – „Es ist ein Vergnügen, es ist ganz wunderbar mit euch, ihr seid fantastisch, inspirierend“ – widmet ihnen das Stück „Don’t Let The Sun Go Down On Me“ und zeigt dazu Fotos aus dem Bandalbum, die Jahrzehnte alt sind. Oder jung.
Der Abend, mit immer wieder Aufstehen, Hinsetzen, Aufstehen, mutet fast wie ein Gottesdienst an. Bevor mit „The Bitch Is Back“ die ultimative Party losgeht. Von da an, über „I`m Still Standing“ und „Crocodile Rock“ bis hin zu „Saturday Night’s Alright for Fighting“ – alles ein einziges Mitsingen, Tanzen, Feiern. So, genau so, fühlt sich Glück an. Man spürt es im ganzen Körper.
Elton John auf weltweiter Abschiedstour: Mehr als 800 Millionen Dollar Umsatz
„Goodby Yellow Brick Road“, das Stück, das der Tour ihren Namen gibt und das exakt vor 50 Jahren herauskam, markiert den Schlusspunkt dieses denk- und erinnerungswürdigen Konzerts. Auf der Leinwand sieht man einen stilisierten, jüngeren Comic-Elton John den gelben Ziegelweg aus „Der Zauberer von Oz“ entlanggehen. In den von rosenroten Wölkchen gesäumten Sonnenuntergang hinein. Kann man kitschig finden. Oder einfach nur schön.
Oder sich für Elton John freuen, dem seine weltweite Abschiedstour, nach Angaben des Billboard Magazine, schon im Januar 817, 9 Millionen Dollar Umsatz beschert hat. Über 800 Millionen Dollar pro Tour hat bisher niemand geschafft. Dieser Ziegelweg ist mit Gold gepflastert.