Hagen. . Schock für viele Musik-Fans: Gitarren-Gigant Gibson ist pleite. Aber wie verbreitet ist handgemachte Musik noch? Eine Spurensuche in der Region.
Für Profimusiker und Jugendzimmer-Gitarristen ist eingetreten, was viele für unmöglich gehalten hatten. Am 1. Mai ging der amerikanische Gitarrenbauer-Gigant Gibson in die Insolvenz. Gibson – die Marke mit der Slash (Guns N’ Roses), Angus Young (AC/DC), Jimmy Page (Led Zeppelin) zu Rocklegenden und zum Vorbild junger Nachwuchsgitarristen wurden. Woran liegt es, dass eine Kultmarke der Musikszene abrutscht? Wie verbreitet ist handgemachte Musik noch? Eine Spurensuche in der Region.
„Ich bin ja ein Dinosaurier“, sagt Günter Erdmann aus Wetter. 1980 hat er sich mit einem Tonstudio selbstständig gemacht. Damals befand sich Pink Floyd mit „Another Brick In The Wall“ auf Platz zwei der deutschen Hitparade. Als Erdmann in der Musikbranche anfing, zeichneten Studios noch auf analogen Bandmaschinen auf. In seinem Earth-Music-Studio stehen heute ein großes halb-analoges Mischpult und ein Computer – im Aufnahmeraum nebenan ein knappes Dutzend Gitarrenverstärker.
Musik mit Seele
Auf Gibson angesprochen sagt Erdmann: „Man sieht es mit ein wenig Wehmut, wenn so eine Sache den Bach runter geht.“ Denn: „Eine Gitarre ist etwas anderes als ein Auto. Wenn man eine Gitarre in die Hand nimmt, hat man manchmal das Gefühl: Die ist für mich hergestellt, es passt alles.“
Sein erstes Instrument – eine Fender Stratocaster – kaufte er in einem Dortmunder Musikgeschäft, in dem er Mitte der 70er neben dem Musikstudium jobbte.
Für Erdmann hat handgemachte Musik noch immer einen hohen Stellenwert: „Das ist eine ganz andere Kreativität. Heutige Gummimusik hat nicht viel Seele.“
Musikbranche mit Umsatzplus
Die deutschen Musikgeschäfte haben im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 6,4 Prozent gemacht, wie der Branchenverband SOMM mitteilt. Maßgebliche Wachstumsfaktoren waren Tasteninstrumente und Ausstattung für den Homerecording-Bereich. Der Umsatz im Bereich Gitarren ist dagegen um 4,8 Prozent zurückgegangen.
Etwa 14,5 Millionen Deutsche machen laut Angaben des Verbandes Musik. Eine etwa gleich große Gruppe hätte Lust, ein Instrument zu lernen. Der Verband fand außerdem heraus: Am liebsten sind den Deutschen die Gitarre (15,9 Prozent), die Blockflöte (14,4) und das Klavier (12,0).
Meinolf Kahrig verkauft seit 1987 in Brilon Musikinstrumente. Natürlich hat er auch Sechssaiter aus dem Hause Gibson im Portfolio. Zu den aktuellen Entwicklungen sagt er: „Das war absehbar. Firmenchef Henry Juszkiewicz hat einige massive Fehlentscheidungen getroffen.“ 2014 kaufte die Firma mit Sitz in Nashville die Kopfhörer- und Lautsprecher-Sparte von Philips; jahrelang versuchte Juszkiewicz eine Gitarrenmechanik zu verkaufen, die sich automatisch stimmt. Der Briloner Händler kommentiert: „Kein Mensch, der 4000 Euro für eine Gitarre ausgibt, will so eine Robotermechanik.“
Kahrig beobachtet aber noch einen weiteren Trend: „Die Branche leidet unter einem gesellschaftlichen Wandel.“ Durch die Umstellung des Schulsystems auf G8 hätten die Kinder weniger Zeit, um Musik-Instrumente zu lernen.
Gesellschaftlicher Wandel
Auch die dauerhafte Vernetzung per Smartphone und das damit verbundene unendliche Unterhaltungsangebot spielten eine Rolle. „Musik hat immer damit zu tun, dass man sich täglich damit beschäftigt. Jugendliche wollen sich nicht mehr so stark verpflichten.“ Die Verkäufe im Einsteigersegment seien zurückgegangen.
Eine Eigenheit des Instrumentenhandels ist die lange Haltbarkeit der verkauften Produkte: „Kunden, die sich ein gutes Instrument kaufen, sieht man teilweise jahrzehntelang nicht wieder.“
Eine feste Größe der Hagener Musikszene ist Siggi Bemm. In seinem Woodhouse Studio hat er zum Beispiel mit Zoff, Peter Maffay und Udo Lindenberg zusammengearbeitet. „Gibson hat sich selbst ein Grab geschaufelt“, sagt er. Bei den örtlichen Musikern beobachtet Bemm aber keine Flaute. „Wir haben regional sehr viele Bands. Aktuell sehr im Trend ist Vintage-Style. Die Bands entdecken die Musik der 70er Jahre wieder.“
Probleme sieht der Produzent eher in mangelnden Proberäumen und „schwierige Auftrittsmöglichkeiten durch GEMA-Auflagen“.
Beim Blick auf die anstehenden Veränderungen im Hause Gibson ist Siggi Bemm optimistisch. „Gibson wird sich wieder erholen, wenn sie den richtigen Weg gehen.“ Potentielle Käufer dürfte es in ausreichendem Maße geben.