Hagen. . Der neue Hagener Generalmusikdirektor Joseph Trafton (39) verrät, warum ihm Kinder und Familien als Zielgruppe besonders am Herzen liegen

Der junge Amerikaner hat sich die Sache reiflich überlegt. Denn als neuer Generalmusikdirektor des Theaters Hagen muss Joseph Trafton in den kommenden Jahren an einem bitteren Sparpaket mitwirken. Und doch blickt der 39-Jährige voller Optimismus in die künstlerische Zukunft der Hagener Philharmoniker. Im Interview verrät er, warum das so ist.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Arbeit als Generalmusikdirektor in Hagen gesetzt?

Joseph Trafton: Ich stehe für die Vielfalt. Ein Orchester ist kein Luxus. Es gehört zum Leben der Stadt, dass es Orte gibt, wo wir uns gemeinsam treffen und kulturell austauschen können. Das Theater Hagen und die Stadthalle sind unsere zentralen Begegnungsstätten, und zwar direkt mitten in der Stadt. Das ist wichtig. In den USA liegen die Konzerthäuser außerhalb in den Vorstädten. Die Innenstädte sind oft verödet. Jetzt wird dort viel versucht, um die Zentren wieder aufzubauen.

Hagen und Umgebung müssen für Sie als Amerikaner doch eher kleinstädtisch wirken. Haben Sie sich schon eingelebt?

Wir fühlen uns hier wohl und haben auch schon sehr nette Leute kennengelernt. Ich bin natürlich mit Volldampf bei der Arbeit. Wir wohnen direkt am Theater, um die Energie der Stadt zu genießen, es ist sehr multikulturell hier, man hört viele Sprachen. Wir lieben es, im Wald spazieren zu gehen, die hügelige Landschaft ist so schön und das Sauerland ist nahe. Mannheim war auch schön, aber flach. Ich war vorher noch nie im Ruhrgebiet. Man ist schnell von hier aus überall, in Paris, Amsterdam, London, Wien. Und man hat hier einen so offenen Blick.

Sie haben vor wenigen Tagen im Konzerthaus Wien ein zeitgenössisches Programm mit einer Uraufführung dirigiert. In Deutschland kommt moderne Musik beim Publikum nicht gut an.

Für mich ist es eine reizvolle Aufgabe, meine eigenen Impulse und Ziele in enger Verbindung mit dem Publikum umzusetzen. Man muss neuen Sachen begegnen, das macht das Leben aus. Nehmen Sie zum Beispiel Käse. Als ich nach Europa kam, kannte ich lediglich den Käse auf der Pizza. In Europa habe ich gelernt, wie viele Käsespezialitäten es gibt. Bei den Blauschimmelsorten bin ich immer noch ein wenig misstrauisch, aber man erarbeitet sich ein Vertrauen. Auch in der Musik muss man mit unbekannten Namen einige gute Erfahrungen machen, und es ist mein Traum, diese Erfahrungen mit schönen Stücken zu ermöglichen. Ich mag die Traditionen sehr, Bach, Beethoven und Brahms sind meine großen Helden, aber ich möchte alte Werke neu entdecken und neue Erlebnisse auf den Weg bringen. Man muss sich mit dem Publikum natürlich darüber austauschen; ich höre gerne ein Feedback.


Gibt es eine Zielgruppe, die Ihnen besonders wichtig ist?

Ja, Kinder, Jugendliche und Familien liegen mir sehr am Herzen, und zwar aus meiner Erfahrung in den USA heraus. Ich bin durch meine Eltern mit klassischer Musik in Berührung gebracht worden, in der Stadt gab es gar nichts. Das Orchester macht bereits viele Programme für Jugendliche, aber ich möchte das noch ausbauen. Wir bieten jetzt ein neues Format an, und zwar Krabbelkonzerte für Kinder im Alter von null bis zwei Jahren. Die sind bereits alle ausverkauft, wir müssen sogar ein Zusatzkonzert organisieren. Dabei spielen wir keine Kindermusik, sondern Mozart, Chick Corea, Schumann. Ich finde es grauenhaft, was meine Neffen und Nichten in den USA unter dem Stichwort Kindermusik im Fernsehen hören, das ist Wegwerf-Musik. Außerdem konnte ich Juri Tetzlaff als Moderator für die Familienkonzerte gewinnen. Mein Ziel ist es, dass junge Familien einen Ort haben, wo sie Musik kennenlernen und sogar anfassen können. Unser Theater, unser Orchester, unsere Sänger: Diese Verbindung schätzen viele Menschen.


Deutsche Sinfonieorchester sind selbstbewusst und nicht leicht zu führen. Wie sind Ihre ersten Erfahrungen?

Es ist ein tolles Orchester, die spielen gut zusammen und sind auch als Menschen großartig. Ich freue mich sehr, mit diesem Orchester zu arbeiten.