Essen. Schlagzeuger Bertram Engel trommelt regelmäßig mit Udo Lindenberg und Peter Maffay. Der 66-Jährige hat auch ein Buch veröffentlicht.
Bertram Engel ist einer der bekanntesten Schlagzeuger Deutschlands. Seit Ende der 70er-Jahre spielt er für Udo Lindenberg und Peter Maffay. Kürzlich hat der 66-Jährige das Erinnerungsbuch „Mit alten Männern spiel’ ich nicht“ veröffentlicht, das er im März 2025 auf einer Solotour vorstellen wird. Unsere Sonntagszeitung sprach mit Engel über seine Karriere, Lindenberg, Maffay – und die bevorstehende Tour im Januar.
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Bertram, du bist seit 40 Jahren Schlagzeuger bei Peter Maffay und Udo Lindenberg. Wie blickst Du zurück?
Bertram Engel: Seit 1976 spiele ich bei Udo und seit 1977 bei Maffay. Das sind 47, 48 Jahre. Es ist unvorstellbar, fast 50 Jahre in zwei Bands zu spielen. Woanders werden ständig die Leute ausgetauscht. Ich muss also irgendwas richtig gemacht haben, dass ich immer noch dabei bin. Man hört oft: „Der ist besser“ oder „der ist besser“. So denke ich aber nicht über Kunst. Wir machen ja keinen Sport. Für mich gibt es nicht „besser“ oder „schlechter“, sondern nur „anders“.
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Wie fing alles an?
Mein Bruder Thomas ist neun Jahre älter als ich und hatte zuerst eine Band, bei der ich oft dabei war. Ich war sofort infiziert. Mein Bruder kannte Steffi Stephan, der zusammen mit Udo das Panikorchester 1973 gegründet hat. Mein Bruder nahm mich häufig mit in den Proberaum, weil die Band in Münster probte. Das Panikorchester und Udo hatten ihre Basis in Münster an der B54 – für mich die Route 66 Deutschlands. Dort sind auch Künstler wie Alphaville, Johannes Oerding, Tanita Tikaram oder die H-Blockx hervorgegangen. Wir sind alle aus demselben Blut – da gibt es einen gewissen gemeinsamen Pulsschlag. So kam ich 1976 zu Udo. Ein Jahr später lernte ich Peter kennen, weil er mich bei einem Udo-Konzert in München gesehen hat. Kurz darauf rief mich Peters Manager an und wollte mich unbedingt haben.
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Mit sieben Jahren hast du erstmal angefangen, Klavier zu spielen.
Von 1970 bis 1976 war ich regelrecht vernarrt in Elton John. Damals hatte er eine richtige Band, ähnlich wie das Panikorchester. Ich hatte das Glück, lange Zeit mit Ray Cooper bei Maffay spielen zu dürfen, der früher Percussionist in Elton Johns Band war. Gleichzeitig habe ich auch die härtere Richtung gehört – natürlich fand ich Phil Rudd von AC/DC großartig. Ich habe immer Rockmusik gehört, die vom Soul beeinflusst war. Keith Richards sagte einmal: „It’s more the roll than the rock I like.” Der Swing in der Musik hat mich immer fasziniert.
Udo Lindenberg nennt dich gern den „Bomber von Billerbeck“, Peter Maffay sagt „der Schmied“. Warum?
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„Bomber“ und „Schmied“ sind eigentlich Udos Ideen. Er hat mir auch einmal ein schönes Bild mit dem Titel „Der Schmied von Billerbeck“ gemalt, welches auch mal auf meiner Bass-Drum zu sehen war. Peter hat den „Schmied“ dann übernommen. Er nennt mich aber auch „den Motor“, der die Band antreibt.
Du hast dich kürzlich auf Social Media gegen Berichte gewehrt, die dich mit Drogen in Verbindung bringen. Wie sehr hast du das Klischee von Sex, Drugs Rock’n’Roll gelebt?
Die Zeitung mit den vier Buchstaben hat eine Geschichte aus meinem Buch genommen und daraus eine Schlagzeile gemacht, die den Eindruck erweckt, als wäre es ein aktuelles Ereignis. In den 80er- und 90er-Jahren waren wir keine Kostverächter und haben sicherlich nicht in Weihwasser gebadet. Aber wir waren auch keine Drogensüchtigen, die in der Ecke lagen. Das wird oft etwas übertrieben dargestellt. Von 1976 bis 1983 war ich naiv und unbescholten. Ich wollte einfach nur Musik machen und diszipliniert sein. Danach begann die Zeit von Sex, Drugs Rock’n’Roll. Haschisch oder LSD habe ich nie konsumiert.
Du giltst als der beste Schlagzeuger Deutschlands. Was macht das mit dir?
Da hat jeder seine eigene Meinung. Ich gehöre sicher zu den besseren Schlagzeugern in Deutschland, weil ich sehr musikalisch bin und das schon seit langer Zeit mache. Da muss also etwas dran sein. Ich behaupte nicht, der Beste zu sein, aber ich halte mich für einen guten Trommler.
Wenn du Lindenberg und Maffay vergleichen müssten, was würde dir da einfallen?
Udo ist von der Mentalität eher langsam, während Peter schnell ist. Peter ist wie Bruce Springsteen, und Udo ähnelt Tom Petty, der leider schon verstorben ist. Udo ist eher laid-back, während Peter up-front ist. Bei Udos Aussagen weiß man manchmal nicht genau, wie er es meint. Wenn Peter sagt: „Das ist heute so“, dann bleibt das auch morgen noch so.
Welches ist dein Lieblingslied von den beiden?
Da gibt es einige. „Woddy Woddy Wodka“ von der „Stark wie Zwei“-Platte von Udo oder große Nummern aus den 70ern und 80ern wie „Der sizilianische Werwolf“ oder „Mr. Nobody“. Ich finde die Platte „Panische Nächte“ unglaublich toll. „Mein Ding“ ist ebenfalls ein super Song. Bei Peter sind es „Eiszeit“ und „Gib die Liebe nicht auf“. Ich habe viele Stücke für Peter geschrieben. Besonders bei Tabaluga gibt es sehr schöne Lieder wie „Eis im September“ oder „Der Schlüssel zur Macht“. Beide Songs werde ich auch auf meiner Solotour spielen.
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Seid ihr, also du, Udo Lindenberg und Peter Maffay, ziemlich beste Freunde?
Ich denke, dass man das nach 47 Jahren so nennen kann. Wenn ich Peter und Udo anrufe und Hilfe oder einen Rat brauche, sind wir uns schon sehr nah. Verbal bin ich oft mit Peter im Dialog. Udo lebt oft in seiner Popstar-Welt. Bei Peter ist es etwas persönlicher. Aber ich kann sagen, dass wir Freunde geworden sind. Wir würden zwar nicht zusammen in Urlaub fahren, aber sie sind Freunde, mit denen man vernünftig reden und von denen man Hilfe bekommen kann.
Du hast einmal gesagt, dass man bei Lindenberg nur dich am Schlagzeug sehen will. Ganz schön frech.
Ich würde eher sagen: selbstbewusst. Ich bin derjenige, der von hinten den Swing hat. Wir sind wie ein Fußballteam, und Udo und Peter sind vorne wie Cristiano Ronaldo. Ich bin hinten wie früher im Fußball der klassische Libero, der alles zusammenhält. Ich kenne Udo und Peter schon unfassbar lange. Jeder, der neu dazukommen würde, kann das sicherlich gut spielen, aber er kennt die Band nicht so gut wie ich. Ich denke, ich bin der beste Schlagzeuger für die beiden, weil ich das seit 50 Jahren mache.
Wer ist für dich in Deutschland noch ein richtig guter Trommler?
Aus dem Genre, in dem ich spiele, gibt es nicht so viele Leute, die ich nennen könnte. Sie sind alle gut, aber einer, von dem ich wirklich etwas mitnehmen kann, wenn ich ihn spielen höre, ist mein Freund Wolfgang Haffner (deutscher Jazz-Schlagzeuger, Anm. d. Red.), der eine ganz andere Musik macht. Er hat auch diese Erfahrung und Reife, gewisse Dinge einfach wegzulassen. Er muss nicht beweisen, dass er toll trommelt. Das ist einer, den ich verehre. Und Hans Wallbaum, der lange Zeit bei Stoppok am Schlagzeug saß. Er hat auf der legendären Platte „Happy End im La-La-Land“ gespielt, die wir alle geliebt haben. Das ist die beste Rockplatte, die es in Deutschland je gegeben hat. Stoppok und Hansi auf dieser Scheibe – das fand ich total geil.
Du hast auf der Unplugged-Scheibe von Lindenberg nicht mitgespielt, weil du mit Peter auf Tour warst. Hat dich das nicht geärgert?
Ich war damals Peter gegenüber loyal. Ich halte meine Verträge ein. Man denkt sich kurz: „Schade“, aber mehr auch nicht. Ich konnte damals einfach nicht weg. Was mich nur im Nachhinein genervt hat, war das Gerede, ob ich nicht mehr bei Udo spiele. Es wurde ständig das Video gezeigt, in dem man Tim Lorenz am Schlagzeug sieht. Das war unangenehm für mich, weil ich natürlich weiterhin Udos Schlagzeuger war. Aber bei diesem Projekt spielte eben eine andere Band. Beim zweiten Unplugged-Projekt haben wir uns dann den Job geteilt.
Dein Buch heißt „Mit alten Männern spiel’ ich nicht“ - wie bist du auf den Titel gekommen?
Vor 40 Jahren kamen wir ins Studio für eine Plattenproduktion, und die anderen hatten nicht so trainiert. Ich spiele so, und die Band war schlapp drauf. Nach zwei Stunden habe ich meine Stöcke weggeworfen und meinte so in etwa: „Ich habe keinen Bock auf diesen alten Männer-Scheiß.“ Peter war erst angepisst, aber 40 Jahre später immer noch tief beeindruckt. Und er hat diesen Satz „Mit alten Männern spiele ich nicht“ immer wieder erwähnt. Das bedeutet einfach, dass man im Kopf jung bleiben soll. Das gilt für jeden Job. Ich habe einfach keinen Bock, mit alten Männern zu spielen, die im Kopf nicht mehr jung sind. Deshalb fand ich diesen Titel für ein Buch so toll.
Du gehst mit dem Buch auf Tour. Jetzt fragen sich viele Fans: Was kriegt man da zu sehen? Einen Trommler auf der Bühne, der liest?
Das erfordert natürlich eine Erklärung: Auf der Tour bin ich kein Schlagzeuger. Ich bin als Pianist groß geworden. Zwar wird ein Schlagzeug auf der Bühne stehen, aber ich trete als Performer und Singer-Songwriter auf. Gitarrist und Sänger Benny Young wird dabei sein – ein junger Kollege von mir aus Berlin. Er war auch schon auf der letzten Panikorchester-Tour dabei, ein echt cooler Typ. Und da ich nicht mit alten Männern spiele, passt er perfekt dazu. Wir spielen viele Songs, die ich für Maffay und viele andere Künstler geschrieben habe, und es wird auch neue Stücke geben.
Du hast auch schon einmal für Bruce Springsteen gespielt. Wurde eigentlich jemals versucht, dich abzuwerben?
Das gab es nur einmal – 1995 nach der „Leopardenfell-Tour“ mit Wolfgang Niedecken. Damals fragte mich der BAP-Manager Balou, ob ich mir vorstellen könnte, bei BAP einzusteigen. Dafür hätte ich aber Peter und Udo verlassen müssen. Das war wie eine Art Abwerbung. Ich sagte nur: „Vielen Dank für das Kompliment, aber ich bin nicht BAP.“ Woanders ist das so nie wieder passiert.
Bertram Engel: Mit alten Männern spiel’ ich nicht: Der Schlagzeuger von Udo Lindenberg und Peter Maffay über sein bewegtes Leben. Riva Verlag, 304 Seiten, 22 Euro
Tourdaten (Auswahl) 9.1.25: Berlin, Theater Potsdamer Platz. 11.1.25: Erfurt, Texas Steaklounge. 14.1.25: Hannover, Theater am Aegi. 22.1.25: Essen, Lichtburg.
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