Iserlohn. Wie man eine Mutter-Kind-Kur beantragt, eine Klinik findet und warum die Nordsee nicht immer ideal ist. Tipps vom Profi.

Völlig erschöpft? Der Rücken schmerzt? Aber keine Aussicht auf Erholung. Das kennen einige Mütter – und auch Väter. Da könnte eine Mutter-Kind-Kur oder auch Vater-Kind-Kur die Lösung sein. Aber wem steht solch eine Kur überhaupt zu? Und was muss man beachten, wenn man eine Kur beantragen möchte? Wir haben mit Inci Atay vom Caritasverband Iserlohn, Hemer, Menden und Balve gesprochen. Sie berät auch im Auftrag des Müttergenesungswerks Mamas – und ebenso Papas –, die eine Kur machen möchten.

Welchen Menschen steht eine Mutter- oder Vater-Kind-Kur zu?

„Grundsätzlich allen Eltern, die in Erziehungsverantwortung stehen“, sagt Inci Atay. Also auch Müttern, die das Kind des Partners in einer Patchworkfamilie betreuen. Ebenso Vätern, die Pflegekinder großziehen. In besonderen Fällen kann die Kur auch bewilligt werden, wenn das Kind zum Beispiel im Haushalt der ehemaligen Partnerin lebt, weil sich die Eltern getrennt haben. Dann kann der Vater eine Kur beantragen, zum Beispiel „um die Bindung zum Kind zu stärken“. 

Zudem müssen die Eltern gesundheitlich beeinträchtigt sein und Erschöpungssymptome zeigen, die im Familienalltag entstanden sind, etwa Schmerzen im Rücken und Nacken, stressbedingte Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden oder hohe Infektanfälligkeit. „Häufig liegt die Diagnose ,psychovegetatives Erschöpfungssyndrom‘ vor“, so die Kurberaterin. Dann sei die Luft einfach raus.

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Was erwartet Eltern während eines Kuraufenthalts?

Während die Kinder betreut sind, können sich die Mütter in der Kur entspannen und Kraft für den Alltag tanken.
Während die Kinder betreut sind, können sich die Mütter in der Kur entspannen und Kraft für den Alltag tanken. © Getty Images | LumiNola

In der dreiwöchigen Kur in einer Klinik können Eltern Zeit für sich finden, während ihre Kinder betreut werden, so die 48-Jährige. „Es geht darum, Kraft zu tanken, wieder fit zu werden, neue Strukturen für den Alltag zu entwickeln.“ In den Häusern gibt es zum Beispiel psychologische Einzel- und Gruppengespräche, Physio- und Bewegungstherapie sowie Ernährungsberatung. Auch bei Fragen zur Erziehung werden die Eltern unterstützt. „Die Kliniken haben sehr gute Konzepte, damit die Mutter oder der Vater gestärkt und mit neuen Zielen wieder nach Hause fährt.“

Wie können Mütter und Väter eine Kur beantragen?

„Ich empfehle auf jeden Fall ein Erstgespräch in einer Beratungsstelle“, sagt Inci Atay. Dieses Gespräch und weitere sind kostenlos. Die Person füllt dann einen Selbstauskunftsbogen aus und holt sich einen Termin beim Hausarzt oder der Hausärztin, um eine Verordnung zu bekommen. Mit diesen Unterlagen kann man zurück in die Beratungsstelle gehen. „Wir stellen dann den Antrag“, so Inci Atay. Wobei es kein explizites Antragsformular gibt. „Die medizinische Verordnung gilt schon als Antrag.“

Nach etwa drei Wochen gibt es eine Rückmeldung von der Krankenkasse, meist mit einer Liste an möglichen Kliniken. Während dieser Zeit kann man sich bereits über Kliniken informieren. „Ich bespreche, welche Klinik sich die Mutter vorstellen kann, sie hat ja ein Wunsch- und Wahlrecht.“ Gemeinsam schauen sie, was passt. Man kann natürlich auch selbstständig, ohne Beratung, die Kur beantragen. Inci Atay betont jedoch: „Die Kur soll ja wirklich guttun und die Beratungsstellen kennen die meisten Kliniken und deren Schwerpunkte.“

Kann man sich den Kurort und den Zeitpunkt der Kur aussuchen?

Mütter oder Väter können sich den Ort für die dreiwöchige Kur aussuchen. Aber nicht immer wird es die zuerst genannte Wunschklinik, weil zum Beispiel kein Platz frei ist. Oder: „Nehmen wir mal an, eine Mutter möchte unbedingt an der Nordsee eine Kur machen, aber die Klinik ist gar nicht passend für sie oder sie fühlt sich nicht wohl, weil die Klinik vielleicht zu groß ist und sie da gar nicht zurechtkommt.“ Bei größeren Kliniken gibt es zudem mehrere An- und Abreisetage, so dass man die ganze Kurzeit– im Gegensatz zu einer kleinen Klinik – nicht mit der gleichen Gruppe verbringt. Solche Dinge berücksichtigten Beratungsstellen.

Kurberaterin Inci Atay empfiehlt Müttern den für sie passenden Kurort.
Kurberaterin Inci Atay empfiehlt Müttern den für sie passenden Kurort. © privat | Privat

Bekommt die Mutter oder der Vater eine Zusage von der Krankenkasse, haben sie mindestens sechs Monate Zeit, die Kur anzutreten. „Aber die Krankenkassen kennen die aktuelle Termin-Situation und genehmigen von sich aus oft schon eine Zusage für ein Jahr.“ Eltern können sich den Zeitpunkt der Kur mitbestimmen. „Viele Mütter mit Schulkindern möchten unbedingt in der Ferienzeit fahren, weil sie die Sorge haben, dass ihr Kind in der Schule schwächer wird, wenn es drei Wochen fehlt.“ So etwas wird nach Möglichkeit berücksichtigt, wobei es auch am Kurort Schulunterricht gibt.

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Wie lange dauert eine Mutter-Kind-Kur?

Eine Kur dauert in der Regel drei Wochen. Wenn der Arzt oder die Ärztin es vor Ort für notwendig erachtet, kann auch noch eine Woche verlängert werden, so Atay.

Können Eltern gemeinsam als Familie zur Kur gehen?

Es gibt Familienkuren mit Kindern, die ein Handicap haben. „Die Belastung ist ja in der Regel für die ganze Familie hoch. Es gibt spezielle Kliniken, die Anwendungen für die ganze Familie anbieten.“ Auch Familien mit verhaltens- und/oder emotional auffälligen Kindern, die vom Jugendamt begleitet werden, können solch eine Kur nutzen, um sich zu stärken, sagt Atay.

Andere Mütter und Väter versuchen es ebenfalls, gemeinsam eine Kur zu machen – mit Erfolg. Doch Atay sagt: „Die Kliniken empfehlen das nicht.“ Der Sinn solch einer Kur sei, Abstand von zu Hause zu gewinnen, auch vom Partner. Eltern, die gemeinsam in Gruppengesprächen sitzen, würden sich nicht so sehr öffnen.

Welche Voraussetzungen müssen Kinder mitbringen, um mit der Mutter mitzufahren?

Kinder bis zum zwölften Lebensjahr können meist problemlos als Begleitkind in die Kur mitfahren. Bei Kindern mit einem Handicap ist die Altersgrenze für ein Begleitkind aufgehoben. Wenn die Kinder selbst einen Behandlungsbedarf haben, können sie als sogenannte Therapiekinder mitfahren. Dann benötigen sie ein Attest vom Kinderarzt. Therapiekinder können je nach Klinik auch älter als zwölf Jahre sein.

Häuser, die eine Betreuung für ganz kleine Kinder anbieten, machen meist eine Eingewöhnung. Eine Betreuung für Kinder ab drei Jahren ist in den Kliniken stets gewährleistet, so Atay. Je nach Klinik bleiben die Kinder dort bis mittags oder nachmittags „Grundsätzlich werden die Kinder in der Klinik in altersentsprechenden Gruppen betreut“, sagt Atay. „Schulkinder bekommen außerhalb der Ferien auch Unterricht.“ Pädagogen würden zudem die Hausaufgaben begleiten.

„Was ich noch wichtig finde“, betont Atay, „Kinder, die nicht mitfahren, sollten in der Zeit wirklich gut versorgt werden.“ Wenn zum Beispiel ein älteres Kind die Mutter nicht begleiten möchte, muss der Vater in dieser Zeit für die Tochter oder den Sohn da sein.

Wer übernimmt die Kosten für eine Mutter- oder Vater-Kind-Kur?

Wenn die Krankenkasse den Antrag bewilligt, übernimmt sie die Kosten. Die Mutter – oder der Vater – zahlt einen Eigenanteil von zehn Euro pro Tag an die Klinik. Wenn eine Mutter gar kein Einkommen hat, kann sie die Befreiung von der Zuzahlung beantragen. Über das Müttergenesungswerk gebe es dann noch die Möglichkeit, einen Zuschuss für Taschengeld und Fahrtkosten zu bekommen, so Atay.

Bei Privatversicherten gebe es keine einheitlichen Abläufe. Ob und in welcher Höhe die Kosten übernommen werden, sei von der Kasse abhängig, von den vereinbarten Leistungen, ob eine stationäre Maßnahme mitversichert ist. Und auch wenn die Beihilfe in Anspruch genommen werden kann, könne man keine allgemeingültigen Aussagen treffen. „Erfahrungsgemäß wird für 30 bis 80 Prozent der Kosten Beihilfe gewährt. “

Müssen berufstätige Eltern in der Zeit der Kur auf Gehalt verzichten oder Urlaub nehmen?

Arbeitgeber stellen die Menschen für die Zeit der Kur frei, so ist es gesetzlich geregelt. „Da wird kein Gehalt gekürzt und auch kein Urlaub angerechnet oder Überstunden gegengerechnet“, sagt Atay. Sobald die Kostenzusage da ist, sollte man den Arbeitgeber über die Kur schriftlich informieren.

Woran scheitert ein Antrag für eine Mutter-Kind-Kur?

„Wenn die gesundheitlichen Indikationen nicht ausreichen, es keine Symptomatik gibt, die aus der Erziehungsverantwortung hervorgeht“, sagt Atay. Wenn also jemand zum Beispiel eine Hauterkrankung anführt, die mit der Erziehung oder dem Familienleben nichts zu tun hat. „Da können Kassen eventuell ablehnen oder einen Nachbericht fordern.“

Was kann man unternehmen, wenn die Krankenkasse die Kur ablehnt?

„Man kann innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen“, sagt Atay. Oft würden die Ärzte dabei unterstützen. „Aber wenn man das selber auch gut begründet, warum man gerade die Kur braucht, dann haben wir auch häufig positive Ergebnisse.“

Wie oft kann man eine Kur beantragen?

„Alle vier Jahre kann man eine Kur beantragen“, sagt Inci Atay.

>>> Das Müttergensungswerk

Das Deutsche Müttergenesungswerk (MGW) wurde 1950 von Elly Heuss-Knapp, der Frau des ersten Bundespräsidenten, gegründet. Ziel der gemeinnützigen Stiftung ist die Gesundheit von Müttern und inzwischen auch von Vätern und pflegenden Angehörigen. Mehrere Wohlfahrtsverbände arbeiten unter dem Dach des MGW zusammen. Rund 900 Beratungsstellen gibt es in Deutschland. Die Gespräche sind kostenlos. Das MGW ist auf Spenden angewiesen.

Beratungsstelle in der Nähe: https://www.muettergenesungswerk.de/kur-fuer-mich/beratung

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