An Rhein und Ruhr. Im Oktober 2021 teilte der NRW-Gesundheitsminister mit, dass 90 Prozent der Pflegeheimbewohner geboostert sind. Doch das stimmt so nicht.
„Wir haben – Stand heute – rund 90 Prozent unserer Altenheime eine Auffrischungsimpfung den Menschen gegeben“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josel Laumann im Oktober 2021 auf einer Pressekonferenz. Auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Frank Bergmann, betonte damals: Man habe in den Pflegeheimen die Auffrischimpfungen erfolgreich abschließen können. Doch zwei Monate später schreibt das Ministerium auf NRZ-Anfrage: Von insgesamt 50 Prozent der Heime, die Angaben gemacht haben, seien erst 85 Prozent der Pflegeheimbewohner geboostert, obwohl in der Zwischenzeit weitere Auffrischimpfungen durchgeführt wurden. Wie kommen die verschiedenen Angaben zustande?
Die Äußerungen von Minister Laumann stimmten damit überein, was das Ministerium auch auf Presseanfragen hin zum damaligen Zeitpunkt wiederholt betont habe: „Bis Ende Oktober hatten bereits 90 Prozent der stationären Pflegeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen über die Regelstrukturen, insbesondere die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, ein Impfangebot erhalten“, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Dies könne jedoch nicht unbedingt damit gleichgesetzt werden, dass 90 Prozent der Altenheimbewohner zu dem Zeitpunkt bereits tatsächlich geimpft worden waren.
Fluktuation der Bewohner in NRW liegt im Schnitt bei 30 Prozent
Immer wieder würden auch neue Bewohner in einer Einrichtung aufgenommen werden, deren Impfstatus noch nicht vollständig ist. Die Fluktuation der Bewohnerschaft in den Einrichtungen liege im Schnitt bei 30 Prozent. „Auch möchten sich einzelne Bewohnerinnen und Bewohner nicht impfen lassen oder können aufgrund einer Erkrankung oder eines akuten Ausbruchsgeschehens nicht geimpft werden“, so eine Sprecherin des Ministeriums. Dementsprechend würden immer wieder Auffrischungsimpfungen in den Pflegeeinrichtungen durchgeführt werden müssen, um auch jene Personen zu erreichen, die diese noch nicht erhalten haben.
Dies bestätigt auch Michael van Meerbeck, Direktor des Caritasverbands Dinslaken-Wesel: „Neueinzüge sind nicht unbedingt durchgeimpft. Das wird in den meisten Fällen aber schnell nachgeholt.“ In den drei Häusern des Verbands seien „alle weitestgehend durchgeimpft“. Von einer 99-prozentigen Impfquote spricht auch Christoph Wand, Sprecher der Diakonie in Düsseldorf. Von 800 Pflegeplätzen, verteilt auf acht Häuser, seien gerade einmal „zwei bis drei Bewohner“ nicht geimpft. Gleiches schreibt auch die Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen Essen (GSE). In den sieben vollstationären Einrichtungen verfügen „96 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner über einen vollständigen Impfschutz“, schreibt eine Sprecherin auf NRZ-Anfrage.
Pflegekammer NRW fordert nationales Impfregister
„Gefühlt“ würde auch Ludger Risse, stellvertretender Vorsitzender der Pflegekammer NRW, die Eindrücke unterschreiben, genau könne er es jedoch nicht sagen und kritisiert: „Bisher konnte sich die Politik nicht dazu durchringen ein nationales Impfregister zu erstellen.“ Dieses könnte eine Datenlücke schließen, so Risse. Ein Impfregister nach zwei Jahren Pandemie nachzupflegen sei nun jedoch „mehr als schwierig“.
Derzeit übermitteln die einzelnen Impfstellen, wie Ärzte oder Impfzentren, die Zahl der Impfungen an das Robert Koch-Institut (RKI). Dabei können jedoch immer Meldungen verloren gehen. Ein Impfregister würde zuverlässigere Daten liefern, ist sich auch der Experte sicher.