Berlin. Manche Arztleistungen müssen Patienten selbst zahlen. Experten warnen: Die meistverkauften IGeL-Leistungen schaden mehr als sie nützen.

  • Nicht alle medizinischen Leistungen werden von der Krankenkasse übernommen
  • Bei Bedarf müssen Patientinnen und Patienten selbst zahlen
  • Welche Gesundheitsleistungen sich lohnen könnten, zeigt der IGeL-Monitor

Ob Tests in der Schwangerschaft, eine Akupunktur-Behandlung oder auch die Früherkennung von einigen Krankheiten: Leistungen wie diese werden in der Regel nicht durch die Krankenkasse übernommen – Patientinnen und Patienten müssen sie bei Bedarf selbst zahlen. Aber bringt jede dieser individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) auch nachweislich etwas? Hier gehen die Einschätzungen laut dem IGeL-Monitor 2023 auseinander.

Bei vielen Selbstzahlerleistungen in Arztpraxen sind aus Sicht von Fachleuten nach wie vor Zweifel am medizinischen Nutzen berechtigt. Das schließt auch vergleichsweise neue Angebote ein, die sich an Menschen mit Beeinträchtigungen infolge von Long Covid richten.

IGeL-Leistungen: Großteil der Selbstzahlerleistungen fällt im Experten-Check durch

Bei einer Bewertung von insgesamt 55 bewerteten IGeL-Leistungen sei keine einzige als positiv eingestuft worden, nur zwei Leistungen als tendenziell positiv, wie der Medizinische Dienst Bund am Donnerstag mitteilte. Der überwiegende Teil der individuellen Gesundheitsleistungen sei mit unklar, tendenziell negativ oder negativ bewertet worden. Patientinnen und Patienten müssten zudem besser informiert werden.

Bei Selbstzahler-Leistungen muss der Arzt seine Patienten schriftlich über die voraussichtlichen Kosten informieren.
Bei Selbstzahler-Leistungen muss der Arzt seine Patienten schriftlich über die voraussichtlichen Kosten informieren. © dpa-tmn | Christin Klose

Meistverkaufte IGeL-Leistungen: Dafür zahlen die Deutschen beim Arzt

Außerdem teilte der Medizinische Dienst Bund mit, welche laut Befragung die meistverkauften Selbstzahlerleistungen seien. Die Rangliste zeigt sich im Vergleich zum IGeL-Report 2020 beinahe unverändert:

  • Ultraschalluntersuchungen der Gebärmutter und/oder der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung
  • Untersuchungen zur Glaukom-Früherkennung
  • zusätzlicher Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs.
  • PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs
  • zusätzliche Hautkrebs-Screenings
  • Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung
  • Blutbild zur Gesundheitsvorsorge
  • zusätzliche Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft
  • Netzhaut-Untersuchungen mit Laser zur Früherkennung von Glaukom und Makuladegeneration (altersbedingte Augenerkrankung)

Demnach sind die meistverkauften Selbstzahlerleistungen weiterhin Ultraschall der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung. Bewertet worden seien sie aber mit negativ beziehungsweise tendenziell negativ.

Bei dieser Untersuchung könne es häufig zu falsch-positiven Befunden und dadurch zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Eingriffen kommen, erklärte die Expertenorganisation, die die gesetzlichen Kassen berät. Oft würden junge Frauen völlig unnötig in Angst versetzt. Generell würden die Leistungen inzwischen immer häufiger auch an Jüngere verkauft.

Lesen Sie auch: Arzttermin – Welche kostenpflichtige Behandlung sinnvoll ist

Long Covid: Zwei neue IGeL-Leistungen unter Beschuss

Als unklar bewertet worden sei auch der Nutzen zweier neuer Angebote, die Menschen mit längeren Beeinträchtigungen nach Corona-Infektionen (Long Covid) teuer verkauft würden. Zu einer Blutwäsche (Apherese) seien nach intensiver Recherche in medizinischen Datenbanken gar keine Studiendaten zu finden gewesen. Zu einer Sauerstofftherapie sei eine Studie gefunden worden, aus der aber kein Nutzen habe abgeleitet werden können.

Wichtig sei jedoch, diese Ideen einer strukturierten Prüfung im Sinne einer klinischen Studie zu unterziehen und dabei Daten zu sammeln und auszuwerten. Die Angebote sollen darauf zielen, Symptome wie Erschöpfung oder Kurzatmigkeit zu lindern.

Nicht alle Selbstzahler-Leistungen (IGeL) beim Arzt sind laut Fachleuten ihr Geld wert.
Nicht alle Selbstzahler-Leistungen (IGeL) beim Arzt sind laut Fachleuten ihr Geld wert. © Shutterstock/sebra | sebra

Mehr zum Thema Gesundheit

Mehrheit nicht über Regeln bei IGeL-Leistungen aufgeklärt

In der repräsentativen Befragung hat der IGeL-Monitor für seinen IGeL-Report 2023 knapp 6000 Versicherte im Alter von 20 bis 69 Jahren befragt. Fast 8 von 10 der Befragten gaben an, die IGeL-Selbstzahlerleistungen zu kennen. Doch nur gut einem Viertel (28 Prozent) ist bekannt, dass es verbindliche Regeln beim Verkauf der Leistungen in der Arztpraxis gibt.

Dazu gehört, dass Patientinnen und Patienten über den wahrscheinlichen Nutzen und mögliche Risiken oder Schäden durch die Leistung aufzuklären sind. Über den Nutzen wurden 78 Prozent informiert, über mögliche Schäden nur 56 Prozent. Fast ein Fünftel (18 Prozent) gibt im Rahmen der Befragung zudem an, dass eine Behandlung mit einer Kassenleistung vom Kauf einer IGeL abhängig gemacht wurde.

(dpa/mahe)