Duisburg. Das Buch „Alles Currywurst – oder was?“ weist endlich nach, dass das Kult-Gericht im Ruhrgebiet erfunden wurde. Den Imbiss gibt es bis heute.
Pünktlich zum 75. Geburtstag und dem „Tag der Currywurst“ am 4. September scheint der Streit um den Geburtsort des Kultgerichts entschieden. So beanspruchen Hamburg, Berlin und das Ruhrgebiet jeweils für sich, das Kultgericht erfunden zu haben. Einen echten Beweis konnte bislang keine Metropole liefern. Die beiden Autoren Tim Koch und Gregor Lauenburger wollen das nun ändern. In ihrem am 3. September erscheinenden Buch „Alles Currywurst – oder was?!“ veröffentlichen die beiden eindeutige Belege, dass der Vater der Currywurst Peter Johann Hildebrandt ist, in Duisburg besser bekannt als „Peter Pomm“.
Dessen Pusztetten-Stube am August-Bebel-Platz mitten in Duisburg-Marxloh existiert bis heute, fortgeführt von den Enkeltöchtern Iris Tauber und Andrea Schulte. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein in diesem Kleinod deutscher Imbisstradition: An den Wänden hängt ein signiertes Foto von Schauspieler Götz George, der während eines Drehs zum Schimanski-Tatort die Pusztettenstube besuchte. Während anderswo mit Industriechic, Fleisch aus artgerechter Haltung und vielfältigem Bio-Angebot geworben wird, ist sich die Pusztettenstube seit Jahrzehnten treu geblieben. Schmucklose, weiße Kacheln und einige Zeitungsartikel zieren die Wände. Die sehr günstigen Preise (Pommes ab 2 Euro, Currywurst 3,30 Euro) wurden handschriftlich auf der Speisekarte ergänzt. Es gibt ein paar Stehtische, die meisten Hungrigen aber holen sich ihren Imbiss „auf die Hand“.
Schon das erste Taschengeld in Currywurst gesteckt
Gregor Lauenburger, mittlerweile Schulseelsorger in Essen, wuchs nicht weit von der Pusztettenstube entfernt auf. Schon sein erstes Taschengeld habe er mit Vorliebe in Currywurst investiert, „damals noch im Imbiss Spiekermann in Hamborn“, erinnert sich der inszwischen 54-Jährige. Als er seiner Oma eines Tages vom „himmlischen Geschmackserlebnis“ berichtet habe, hätte die sich direkt an ihre Kindheit erinnert – und eben an Peter Pomms.
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Das machte Lauenburger vor einigen Jahren stutzig: Wenn schon seine Oma Currywurst gegessen hat, wie kann es dann sein, dass Hertha Heuwer sie erst 1949 in Berlin erfunden haben will? „Ich wollte der Geschichte auf den Grund gehen“, erinnert sich Lauenburger. In Tim Koch fand er schnell einen currywurstversessenen Mitstreiter: Seit Jahren hat sich Tim Koch dem Kultgericht verschrieben. Er betrieb selbst einige Jahre die Imbisskette „Bobby & Fritz“, setzte sich gar für ein Currywurst-Emoticon ein und versucht seit Jahren, die Berliner Erzählung von der Erfindung der Currywurst zu widerlegen.
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Das ist nun geglückt, vielen Monaten Recherche im Hause der Familie Tauber sei Dank. Gemeinsam mit den Nachfahren Peter Hildebrandts begaben sich Tim Koch und Gregor Lauenburger auf Spurensuche und wurden fündig. „Wir wissen, dass unser Opa sehr früh Currywurst angeboten hat“, sagt Iris Tauber. Nicht ohne Grund prangt bis heute ein Zusatzschild über dem Imbiss in Marxloh: „Currywurst seit 1936“ ist darauf zu lesen und das ist dank der beiden Ruhrgebietsautoren nun auch nachgewiesen.
In alten Unterlagen fanden sie die Belege, darunter eine Rechnung der Hamburger Gewürzmühle über „Currypulver englischer Art“ aus dem Jahr 1936. Dass Hildebrandt seine Erfindung nicht an die große Glocke hing, ist der Zeit geschuldet. „Peter Johann Hildebrandt kam als Einwanderer aus den Niederlanden in den 1920er-Jahren nach Duisburg und wurde nach der Machtergreifung Hitlers denunziert, weil er als Holländer Deutsche angeleitet hatte. Auch das für damalige Verhältnisse exotische Currypulver wurde im Nationalismus nicht gern gesehen“, weiß Lauenburger.
Nachfahre der Hamburger Gewürzmühle bestätigt frühe Geschäftsbeziehung
Bereits am 15. März 1935 meldete Hildebrandt einen selbstständigen „Betrieb für Darmhandel“ im Sternbuschweg in Duisburg an. Die Beziehung zur Hamburger Gewürzmühle bestätigt im Buch auch Finn Schulz, der das Hamburger Unternehmen mittlerweile in vierter Generation führt: „Mein Großvater und andere Oldies haben uns davon schon früher als Kind erzählt, weil es ja immer wieder Stories um Currygewürze und die Erfindung der Currywurst gab.“ Peter Hildebrands Plan war, die groben Bratwürstchen aus eigener Herstellung mit Tomatenketchup und dem „wunderbar aromatischen und exotischen Gewürz zu kombinieren. Dies war also die wahre Geburtsstunde der Currywurst“, schreiben Lauenburger und Koch in ihrem Buch.
Sie vermuten, dass sich Rezeptur und Kombination der Zutaten im Ruhrgebiet schnell herum sprachen. Nach Kriegsende griff Hildebrand seine Currywurst-Idee „offiziell“ wieder auf und vermarktete sie. Der Siegeszug der Currywurst nahm dann seinen Lauf: spätestens jetzt auch über das Ruhrgebiet hinaus bis nach Hamburg, Berlin und in andere Städte und Regionen Deutschlands. Dabei schließen Koch und Lauenburger nicht aus, dass Hertha Heuwer tatsächlich ganz allein auf die Currywurst-Idee kam. „Nur eben 13 Jahre später als Peter Pomm.“ Die Geschichte der Currywurst muss also umgeschrieben werden.