Essen. Thomas Rother war Künstler und Bewahrer der Bergbaugeschichte. Der Kunstschacht auf Essens Zeche Zollverein war sein Lebenswerk. Ein Nachruf.
Er selbst nannte sich „Kunst-Kumpel“, obwohl er in seinem Leben kein Gramm Kohle gefördert hat. Gleichwohl sind Thomas Rother und die Zeche Zollverein auf besondere Weise untrennbar miteinander verbunden. Denn kaum einer hat den Wandel vom Bergwerk zum Welterbe so hautnah miterlebt und in gewisser Hinsicht sogar mitgestaltet wie Rother. Nun ist der „Kunstschacht“-Betreiber, den man auch als langjährigen WAZ-Journalisten, Schriftsteller, Bildenden Künstler und Ruhrgebietshistoriker kennt, kurz nach seinem 86. Geburtstag friedlich eingeschlafen, wie seine Familie mitteilt.
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Thomas Rother war der erste Künstler, der die stillgelegte Zeche Zollverein für sich entdeckte und Anfang der 1990er Jahre eine alte, heruntergekommene Maschinenhalle von Schacht 1/2/8 zusammen mit seiner Frau Christa zu seinem Wohn- und Arbeitsort machte. Der Kunstschacht Katernberg wurde sein Lebenswerk, beinahe bis zuletzt bewohnt und bis unter die Decke angefüllt mit Ruhrgebiets-Geschichte. Ein Montan-Museum, das Rother ebenso leidenschaftlich wie kompromisslos geprägt und vor allen Angriffen des Zeitgeistes verteidigt hat.
Mischung aus Industriemuseum und Atelier, Kumpel-Antiquariat und Möbel-Trödel
Wer ihn im Kunstschacht besuchte, dieser eigenwilligen Mischung aus Industriemuseum und Atelier, Kumpel-Antiquariat und Möbel-Trödel, Wohnung und Werkstatt, Wunderkammer und vollgestopftem Bergbau-Gedächtnis, der spürte, dass hier jemand seinen Lebenstraum lebte. Dieser Traum handelte vom Bewahren, ohne bloß nostalgisch zu sein, vom Erhalten, ohne die Augen vor der Zukunft zu verschließen. Thomas Rother war auf Zollverein beides – Bewahrer und Pionier zugleich. Mit ihm zog auf dem verwaisten Zechengelände ein neues Verständnis ein, dass dieser verlassene Ort der Maloche auch ein Ort der Kunst und Kultur sein kann.
Das Projekt „Grenzrosen“ wirbt für ein friedliches Miteinander in Europa
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Rother, dieser herzenswarme, aber manchmal auch streitbare und widerständige Spurensucher und Visionär war auch ein Grenzgänger, dessen visionäres Denken nicht an den Ruhrgebiet-Grenzen Halt gemacht hat. Mit seinen europaweiten Projekt „Grenzrosen“ hat Rother an den Grenzen Deutschlands zahlreiche Skulpturen zur Völkerverständigung installiert.
Dass man für Frieden und Freiheit manchmal auch weitreichende Entscheidungen treffen muss, hat der am 6. Mai 1937 in Frankfurt/Oder geborene Rother früh erfahren. 1955 flüchtete der gelernte Maurer, der später Publizistik, Soziologie und Germanistik studierte, aus der damaligen DDR in den Westen. Mit seiner Wahlheimat Ruhrgebiet hat er sich danach wie kaum ein anderer auseinandergesetzt. Artikelserien über die Familien des Ruhrgebiets wurden ebenso als Bücher veröffentlicht wie seine Publikation von Bergarbeiterliedern („Arschleder zwickt“), 1981 erhielt Rother den Luise-Rinser-Preis für seinen Roman „Das plötzliche Verstummen des Wilhelm W.“
Dass Zollverein ein „Monument des Andenkens an die Arbeit zigtausender Bergleute und ihrer Familien bleibt und als lebendiger Kunstort Menschen berührt“, das war Rothers Lebenswunsch. Wer sein Erbe nun weiterführt, muss sich zeigen. Die Gründung einer Stiftung Kunstschacht steht in Aussicht.
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