Frankfurt/Main. Der DFB stellt Nia Künzer als neue Sportdirektorin vor. Die Weltmeisterin soll einen neuen Plan A für die Fußballfrauen entwickeln.
Das Scheinwerferlicht schien Nia Künzer fürs Erste fast wieder ein bisschen ungewohnt. Bei ihrer Vorstellung als neue Sportdirektorin beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) war der Weltmeisterin von 2003 eine gewisse Zurückhaltung durchaus anzumerken. Es hätte nicht zu ihrem Wesen gepasst, wenn die 43-Jährige sich gleich bei der ersten Pressekonferenz auf dem Campus mit großspurigen Ansagen profiliert hätte. Sie möchte zuerst in Gesprächen zuhören, will in viele Bereiche erst hineinhorchen, bevor sie Urteile fällt. Aber eines konnte sie bereits selbstbewusst versichern: „Ich will mich nicht ganz von der Bubble auffressen lassen.“ Und kritischer Geist möchte sie natürlich auch bleiben.
Eine der bekanntesten Persönlichkeiten aus dem Fußball der Frauen hat sich für den Zeitraum von drei Jahren an den DFB gebunden. Fast beiläufig verriet die studierte Pädagogin, dass sie von ihrem alten Arbeitgeber, dem Regierungspräsidium Gießen als Dezernatsleiterin für Integration, Sozialbetreuung und Ehrenamt, lediglich für diesen Zeitraum beurlaubt worden sei. Da hat jemand offenbar nicht geplant, dauerhaft im Fußballbusiness zu arbeiten. Die Zeitspanne könnte aber ausreichen, um das vor allem das bei der WM in Australien so fürchterlich entgleiste Nationalteam wieder auf die richtige Spur zu setzen.
Nia Künzer ist eine Frau für Reformen
Die oft zu Unrecht auf ihr „Golden Goal“ im WM-Finale 2003 reduzierte Frau will ausloten, was andere Verbände möglicherweise besser machen – und setzt auf den Reformwillen im eigenen Haus. Seit Jahresbeginn komplettiert die in Botswana geborene Tochter eines Entwicklungshelferehepaares die sportliche Führung und steht nun auf einer Stufe mit dem für die Männer zuständigen Rudi Völler und dem für den Nachwuchs verantwortlichen Hannes Wolf.
Sie ist bereits die 14. ehemalige Nationalspielerin, die nun Auskommen und Aufgabe beim DFB findet. Nia Künzer beschreibt sich selbst als Person, die in ihrem Leben „vier Stränge unter einen Hut“ bekommen hat: ihre Rollen als Fußballerin, die ohne ihre vier Kreuzbandrisse viel mehr als 34 Länderspiele gemacht hätte, und als Fernsehexpertin, die insgesamt 17 Jahre die Frauen-Länderspiele in der ARD begleitete, seien öffentlich ja bekannt, weniger aber ihr beruflicher Werdegang oder ihr familiärer Background als zweifache Mutter.
Angeschlagene Frauen-Nationalelf: Künzer sieht Potenzial
Gemäß ihrem neuen Jobprofil wird sich ihr Fokus zwangsläufig auf die Frauen-Nationalelf richten, die nach ihrer Ansicht noch immer über einen „hochwertigen Kader“ verfüge. Was auch ihr auffiel: „Es fehlt ein bisschen Sicherheit, Vertrauen, Konstanz und Leichtigkeit.“ Mängel, die auch Interimstrainer Horst Hrubesch nicht umfassend vertreiben konnte. Für die DFB-Frauen geht es bald im Rahmen des Final Four der Nations League um die Olympia-Qualifikation. Das Halbfinale in Lyon gegen Frankreich (23. Februar) bietet die erste Chance, das Spiel um den dritten Platz gegen die Niederlande und Spanien wäre bei einer Niederlage die zweite Möglichkeit. Platzt jedoch der Paris-Traum, wäre auch die Hrubesch-Mission beendet. Dann bräuchte es schnell einen Nachfolger, weil im April die Qualifikationsspiele zur EM 2025 in der Schweiz starten.
„Wir müssen in verschiedenen Szenarien denken. Wir sind dran. Ich bin mir bewusst, dass es eine Aufgabe wird, an der ich gemessen werde“, sagte Künzer, die Namen wie von Colin Bell (Nationaltrainer Südkorea) oder Jill Ellis (ehemalige Weltmeistertrainerin der USA) als Alternative nicht kommentierte wollte. Nach dem WM-Desaster unter der ehemaligen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte sie im ungewohnt scharfen Zungenschlag angemerkt: „Viele sprechen davon, dass es keinen Plan B gab. Mir kam es eher so vor, als hätte es keinen Plan A gegeben.“
Beim Anforderungsprofil für einen Bundestrainer oder Bundestrainerin gehe es aus ihrer Sicht jetzt um Führungs- und Sozialkompetenz, Kommunikation und eine Spielidee. Am liebsten wäre es auch ihr, würde der 72 Jahre alte Hrubesch noch bis zum Olympischen Fußballturnier bleiben. Dann könnte eine solch weitreichende Entscheidungen noch besser vorbereitet werden. Die Sportdirektorin beginnt bei ihren Vorgesetzten mit einem Bonus: Präsident Bernd Neuendorf pries eine „empathische Person“, die auch mal „querdenken und uns herausfordern darf“. Es wäre ja nicht mehr zeitgemäß, „wenn man nur Ja-Sager um sich schart“. Ihre Ernennung sei zudem ein wichtiger Baustein für die „Pluralität des DFB“. Für Geschäftsführer Andreas Rettig passt sie wegen ihrer vielfältigen Vita „wie keine Zweite“ in das Anforderungsprofil; bereits nach den ersten Gesprächen habe für ihn festgestanden: „Nia oder nix!“