Essen. Biathletin Franziska Preuß meldet sich nach ihrer Auszeit zurück. Statt auf Abstand geht sie nun zum Angriff über.

Nach Ihrem vorzeitigen Saison-Aus im vergangenen Winter suchte Franziska Preuß (29) erst einmal Abstand zur Biathlonwelt – und flog für zwei Wochen nach Thailand. Im Interview spricht die Staffelweltmeisterin von 2015 über die verpasste Heim-WM in Oberhof, gesundheitliche Grenzerfahrungen und das Gefühl, nach zehn Jahren im Weltcup plötzlich wieder im Perspektivkader in eine Vorbereitung starten zu müssen.

Frau Preuß, seit diesem Winter sind Sie Team-Oldie bei den deutschen Biathletinnen. Wie gefällt Ihnen diese Rolle?

Franziska Preuß: Ehrlicherweise ist mir das schnurzegal. Mit 29 fühl’ ich mich jetzt nicht als Oldie. Die anderen im Team sind abgesehen von Selina Gotian ja auch nur drei, vier Jahre jünger als ich.

Älteste in der Mannschaft war vorher Denise Herrmann-Wick, die im März mit 34 ihre Karriere beendet hat. Haben Sie von deren Sieg im Sprint bei der WM in Oberhof im Februar inzwischen eigentlich Bilder gesehen?

Ich war in der zurückliegenden Saison ab Ende Januar ja komplett raus aus der Biathlonwelt. Ich habe danach kein einziges Biathlonrennen mehr verfolgt. Ich brauchte einfach mal Abstand, einen Cut. Von daher wäre es gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich mir das angeschaut habe. Bis in den Mai, als das Training wieder losging, hatte ich meinen Instagram-Account deaktiviert. Und es war echt auch mal schön ohne soziale Medien.

Nachdem Sie sich aus gesundheitlichen Gründen gegen eine Teilnahme an der WM entschieden hatten, haben Sie kurz darauf einen Flug nach Thailand gebucht. So dass Sie während der Titelkämpfe in Oberhof auch physisch ganz weit weg waren. Hat ihr Lebensgefährte Simon Schempp Sie begleitet?

Nein, ich bin alleine geflogen. Bei ihm ging es von der Arbeit, von den Prüfungen und vom Studium her nicht. Aber ich wollte einfach weg, und es war auch eine coole Erfahrung, das alleine für mich so zu verarbeiten. In so einer Situation mal wirklich zwei Wochen mit sich auszukommen. Ich bin auch jemand, der gut mit sich alleine sein kann.

Wie hat es sich für Sie wirklich angefühlt, während so einer Heim-WM, einem gefühlten Karrierehighlight, zu sagen: ‚Ich bin dann mal weg‘?

Die WM in Oberhof abzusagen, war für mich nicht wirklich schlimm. Klar, es war eine WM in Deutschland. Aber Oberhof ist nicht meine Heimat. Das Ganze war ein Prozess, wo ich schon seit dem Sommer gemerkt habe, dass in meinem Körper irgendetwas nicht stimmt und dass er einfach voll rebelliert. Von daher war es fast härter, mir im Januar einzugestehen, dass es körperlich einfach nicht mehr funktioniert. Die WM abzusagen war da eher zweitrangig. Priorität hatte da schon, das Richtige für mich und meinen Körper zu tun und nicht weiterhin irgendetwas übers Knie zu brechen. Und irgendwann streikt der Körper dann total.

Wie wichtig war die Absage der Oberhof-WM mit Blick auf Ihre weitere Karriere?

Das war schon eine längerfristige Entscheidung, wo ich mir letztlich dachte: Wenn ich jetzt richtig entscheide, habe ich vielleicht noch mal eine Chance, wieder ins Biathlongeschäft zurückzukommen. Der Entschluss, die Saison abzubrechen, war zugleich die Entscheidung, noch mal anzugreifen.

Haben Sie vorher auch überlegt, Ihre Karriere zu beenden, mit 28?

Ja. Das geht natürlich nicht spurlos an einem vorbei, wenn man ständig krank daheim hängt. Da hinterfragt man schon, ob das noch alles so gesund ist, was man da macht. Ich habe im Januar, nachdem ich die Saison abgebrochen hatte, gemerkt, in welches Loch ich da körperlich erst einmal gefallen bin. Weil ich es einfach mal zulassen konnte. Davor habe ich ja permanent mental dagegen gearbeitet und das Gefühl der Erschöpfung unterdrückt. Da ist so viel von mir abgefallen. Ich hab’ dann auch fast zwei Monate keinen Sport gemacht, weil ich überhaupt keinen Energieüberschuss hatte. Da habe ich schon gemerkt, dass es höchste Eisenbahn war, jetzt mal einen Cut zu machen.

Und als der Cut da war – wie fühlten Sie sich da?

Es hat sich zumindest immer richtig angefühlt. Und das heißt im Sport, glaube ich, alles. Wenn man nicht mit sich hadert. Das war nicht der Fall. Und das heißt: Die Entscheidung war zu hundert Prozent richtig.

Wie war es für Sie, zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren im Weltcup-Team nicht gesetzt zu sein, sondern erst mal wieder im Perspektivkader anzufangen?

Das war natürlich keine einfache Situation für mich. Als ich das im Mai mitgeteilt bekam, habe ich das schon akzeptiert. Aber als es dann bei der internen Qualifikation um die Wurst ging, habe ich gemerkt, wie angespannt ich war. Dabei war für mich immer klar: Entweder ich schaffe es noch einmal nach vorne. Funktioniert es aber nicht mehr, muss ich mir schon noch mal grundsätzliche Gedanken über das Ganze machen. Ich war dann schon erleichtert, dass ich, nachdem ich im Oktober noch mal zwei Wochen ein bisschen angeschlagen war und nicht trainieren konnte, die Chance beim Weltcupstart in Östersund jetzt bekomme. Ich denke, ich habe mir nach zehn Jahren im Weltcup auch einen kleinen Vertrauensvorschuss verdient.

DSV-Sportdirektor Felix Bitterling sagt, er habe absolut keinen Zweifel, dass noch sehr viel Weltklasse in Franziska Preuß steckt. Wie viel Weltklasse steckt denn noch in Ihnen?

(schmunzelt dezent) Ich hoffe natürlich auch, dass ich wieder dahin komme, wo ich leistungsmäßig schon mal war. Das war das ganze Jahr über auch definitiv meine Motivation. Bei den deutschen Meisterschaften im September [mit drei Titeln für Franziska Preuß, d. Red.] konnte ich schon zeigen, was noch in mir steckt.

Welche Ziele setzen Sie sich für diese Saison?

Es ist nicht ohne, wenn man mal fast eine ganze Saison raus war. Das habe ich 2017 ja schon mal erlebt. Und es ist nicht selbstverständlich, dass es da von Anfang an gleich wieder flutscht. Reinfinden in die Routine, auf den Körper hören, nach jedem Rennen gut regenerieren – und dann schau’ ich einfach, wofür es reicht. Ich stecke mir meine Ziele immer erst, wenn ich weiß, was realistisch ist.

Ihren 29. Geburtstag konnten Sie im März wegen Ihres vorzeitigen Saisonendes zum ersten Mal seit über zehn Jahren wieder zu Hause mit Freunden feiern. Wagen Sie eine Prognose, wo Sie Ihren 30. Geburtstag feiern werden?

(lacht) Wenn alles nach Plan verläuft, werde ich den eher am Flughafen feiern müssen. Das kann man sich manchmal nicht aussuchen. Aber es war schön, in diesem Jahr mal mit Freunden gefeiert zu haben.

Denken Sie gerade nach den jüngsten gesundheitlichen Turbulenzen in Ihrer Karriere momentan nur von Jahr zu Jahr, oder doch schon bis zu den Olympischen Winterspielen 2026?

Schon von Jahr zu Jahr.

Und wenn jetzt alles ganz mies läuft, kann es auch passieren, dass Sie sagen: ‚Ich lass’ es‘?

Ja, das könnte schon sein.