Braunschweig. Es gibt „Waschkörbe“ voller Einsprüche und komplizierte Einzelfälle. Und ab wann werden in Niedersachsen eigentlich Verspätungszuschläge fällig?
Mühsam nährt sich das Eichhörnchen… Der alte Skatspielerspruch kann einem bei der Betrachtung des Themas Grundsteuererklärung einfallen. Wie – schon wieder die blöde Grundsteuer? Nein, immer noch.
Kurze Einleitung: Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für Kommunen. 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das System der Steuererhebung verfassungswidrig sei und so nur noch bis Ende 2024 erhoben werden dürfe. Deshalb wurde die Steuer neu geregelt. Eigentümerinnen und Eigentümer, von denen einige weniger, einige aber auch mehr Geld bezahlen werden, mussten neue Grundsteuererklärungen abgeben. Man könnte auch sagen: müssen, denn die liegen längst nicht alle vor. „Mit Stand vom 30. Mai 2023 sind in Niedersachsen rund 3,1 Millionen Grundsteuererklärungen eingereicht worden. Dies entspricht einer Abgabequote von 87,42 Prozent“, teilte Dr. Sabine Hirsch vom Landesamt für Steuern auf Anfrage unserer Zeitung mit.
Vier Wochen Frist – und dann?
Anders gesagt: Mehrere Monate nach Fristende (deutschlandweit Ende Januar 2023) fehlen in Niedersachsen noch knapp 450.000 dieser Erklärungen. Und als ob so ein Sieben-Achtel-Ergebnis nicht schon mager genug wäre, kommt hinzu, dass die Zahl der fehlenden Erklärungen vor zweieinhalb Monaten nur auf 430.000 taxiert wurde. Rückschritt also – was man damit erklärt hat, dass bei der „Bereinigung“ der Zahlen die mehrfach eingegangen Erklärungen wieder herausgerechnet wurden. Inzwischen hat die niedersächsische Steuerverwaltung Erinnerungsschreiben an alle Steuerpflichtigen verschickt, die noch keine Erklärung abgegeben haben. Den Angeschriebenen werde darin eine Frist von vier Wochen eingeräumt. Und dann? Laut Ministerium könne es durchaus zur „Festsetzung eines Verspätungszuschlags“ kommen – und zur Schätzung der noch ausstehenden Fälle.
Die Verspätung wird theoretisch ab Februar berechnet. Allerdings weisen die Behörden auf Anfrage der dpa darauf hin, dass „in der Regel“ bei Abgabe der Grundsteuererklärung innerhalb der Frist des Erinnerungsschreibens von einem Verspätungszuschlag abgesehen werde. Die Höhe des Zuschlags soll für jeden angefangenen Monat 25 Euro betragen. Keine Unsummen – aber auch nicht nichts…
Das Terrain ist eh umstritten. In Deutschland haben laut „Handelsblatt“ mehr als drei Millionen Menschen Einspruch gegen ihre Bescheide zur neuen Grundsteuer eingelegt. Wie die Zeitung darlegt, hätten einige Bundesländer deshalb Beamte von anderen Aufgaben abgezogen, was nun wieder den Bundesvorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Florian Köbler, auf die Palme bringt, der „tagesschau.de“ seine Befürchtung mitteilt, dem Staat entgingen durch den damit verbundenen Verzicht auf dringend notwendige Betriebsprüfungen Millionen Euro an zusätzlichen Steuern. „Es liegen wäschekörbeweise Einsprüche in den Finanzämtern, die zum Teil noch gar nicht erfasst sind“, sagte Köbler der Website. Nicht nur die erwarteten fünf bis zehn Prozent Klagen kämen zusammen, sondern fünfzehn bis zwanzig. Für Niedersachsen ist dies aber nur bedingt relevant. Begründung: Als Ursache für die hohe Zahl der Einsprüche gilt die Musterklage zur Grundsteuer, die sich auf ein Bundesmodell zur Berechnung der Grundsteuer bezieht, das von elf Bundesländern angewendet wird – und nicht von Niedersachsen.
Erst schien alles gut...
Wie kompliziert aber auch bei uns die Lage sein kann, zeigt exemplarisch eine Beschwerde aus der Leserschaft unserer Zeitung. Hier wird folgendes Problem vorgebracht: Sowohl für ein Haus plus Garage als auch für weitere Garagen wurde eine gemeinsame Erklärung abgegeben, worauf erstens ein Grundsteuerbescheid bezüglich sämtlicher Flurstücke eingetroffen sei. Nun sei aber eine „Erinnerung“ hinterhergeschickt worden, derzufolge es um verschiedene „wirtschaftliche Einheiten“ gehe, die in gesonderten Erklärungen hätten abgehandelt werden müssen.
Das sorgt für Ärger in der Leserschaft: Besonders angesichts des gültigen Bescheids fühle man sich veräppelt. Doch auch Dr. Sabine Hirsch vom Landesamt für Steuern stellt auf Anfrage unserer Zeitung klar, dass alle Eigentümerinnen und Eigentümer eines Grundstücks verpflichtet gewesen sind, für jede wirtschaftliche Einheit eine Grundsteuererklärung einzureichen. Und nun der Knackpunkt: „Die Entscheidung, welche Flurstücke zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen sind, trifft das zuständige Finanzamt und bewertet jede dieser wirtschaftlichen Einheiten für sich in jeweils einem Bescheid mit eigenem Aktenzeichen. Eine wirtschaftliche Einheit kann dabei aus einem Flurstück, aber auch aus mehreren Flurstücken bestehen. Das bedeutet, dass technisch auch mehrere Flurstücke in einer Grundsteuererklärung und damit unter einem gemeinsamen Aktenzeichen erfasst werden können. Dagegen können nicht mehrere wirtschaftliche Einheiten in einer Erklärung zusammengefasst werden.“
Das klingt zwar verständlich, aber natürlich nicht unkompliziert. Der Zusatz, man habe vor dem 1. Juli 2022 Informationsschreiben verschickt, die sich „jeweils auf eine darin genannte wirtschaftliche Einheit“ bezogen, hilft bei dem konkreten Problem in unserer Leserschaft heute nicht weiter. Immerhin aber sei es möglich, fügte die Expertin auf Nachfrage hinzu, dass die Tatsache, dass eine offiziell ausstehende Grundsteuererklärung bereits unter einem anderen Aktenzeichen eingereicht wurde, dem Finanzamt formlos mitgeteilt werde könne. Und über Paragraph 174 der Abgabenordnung könnten Finanzämter solche Fehler auch begradigen.
Unaufmerksame und Unwillige mögen das Gros des fehlenden Achtels in Sachen Grundsteuererklärung bilden. Doch hinzu scheinen sich diverse Sonderfälle zu gesellen. Denn der ganze Verwaltungsakt, um den es geht, ist echt aufreibend.