Knapp drei Stunden vor seinem offiziellen Beginn hat der Ökumenische Kirchentag in München bereits seinen ersten Höhepunkt: „Käßmanns Comeback”, jubelt eine Pastorin aus dem Norddeutschen und meint damit den ersten öffentlichen Auftritt von Margot Käßmann nach ihrem spektakulären Rücktritt vom Bischofsamt und vom Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche in Deutschland im Februar.
Dicht gedrängt stehen wir im dritten Stock einer großen Buchhandlung am Marienplatz. Die Theologin hat ein neues Büchlein geschrieben, gerade einmal 80 Seiten schmal. 12,90 Euro kostet das Bändchen, und jetzt will es Margot Käßmann erstmals im Rahmen einer Signierstunde vorstellen.
„Die ist so toll authentisch“
Doch die gut 300 Menschen, die sich da in der Kinderbuchabteilung zusammen quetschen, wollen vor allem eines: „Die Käßmann sehen, die ist so toll authentisch”, schwärmt eine ältere Dame. „Ich find’ das soooo gut, wie die sich verhalten hat”, stimmt ihre Freundin zu: „Sie hat uns endlich einmal vorgelebt, wie man zu seinen Schwächen stehen kann.” Zwei, drei, vier Bände der Neuerscheinung „Das große Du - Das Vaterunser” halten die geduldig Wartenden in ihren Händen. Ein Autogramm von der „Bischöfin der Herzen” am ersten Erscheinungstag des Bandes und zugleich am Beginn des Kirchentags - Christenherz, was willst du mehr!
Derweil kehren unten immer mehr Menschen um. „Zwecklos”, resigniert ein reiferes Ehepaar aus Braunschweig, „dabei sind wir fast eine Stunde vor der Zeit gekommen.” Die vergeht oben mit Schwitzen und Scherzen. „Ich habe gehört, dass Gott inzwischen auch schon aus der katholischen Kirche ausgetreten ist”, spottet eine Dame, die die 70 ganz sicher überschritten hat. Da lobe sie sich eben diese Käßmann; gerade heraus, ohne taktisches Lavieren und Lügen.
Beifall ist ihr nicht ganz geheuer
Und dann kommt endlich die Hochgelobte selbst. Im schwarzen T-Shirt mit weißen Bündchen und weißem Schal. Sie weiß nicht, ob sie lächeln und ernst schauen soll, die Situation, der Beifall sind ihr offensichtlich nicht ganz geheuer. Sie sagt, dass das Beten wichtig sei. Dass es mehr helfe als Vieles andere, besonders das Vaterunser. „Beten ist ganz einfach”, meint Margot Käßmann. Einmal am Tag genügt, das habe schon Luther gesagt. Die Menschen um sie herum hängen buchstäblich an ihren Lippen. „Eine schöne Frau ist sie auch noch”, schubst eine Frau aus Bielefeld ihren Mann anerkennend in die Rippen. Der antwortet nicht, nickt nur und schaut und schaut.