München. Kinder haben einen anderen Bezug zum Garten als Erwachsene. Mit gepflegten Beeten und englischem Rasen können sie nicht viel anfangen. Sie wollen etwas erleben - für sie ist das Heranwachsen von Sonnenblumen vom kleinen Samen zur meterhohen Blume ein Abenteuer.
Der Garten ist für Kinder ein Paradies. Sie klettern in den Bäumen und toben über den Rasen. Und das, was wir Erwachsene als Arbeit empfinden, ist für Kinder das reinste Vergnügen: Pflanzen setzen, Beete harken, das Gießen im Hochsommer. Die Buchautorin Birgit Kuhn aus München hat sich ein paar Nachbarskinder geschnappt und mit ihnen gemeinsam herausgefunden, was dem Nachwuchs bei der Gartenarbeit besonders Spaß macht. Und wie Eltern sie einbinden können.
Frau Kuhn, was reizt Kinder an der Gartenarbeit?
Birgit Kuhn: Wir Erwachsene verstehen das als Arbeit. Wir haben eine Vorstellung, wie der Garten aussehen soll, und wir haben das Ergebnis vor Augen, die Ernte. Kinder sind nicht zielorientiert, sie leben im Moment, im Hier und Jetzt. Sie wollen einfach nur Neues entdecken, Sachen ausprobieren. Sie finden es daher richtig toll, wenn sie etwas einpflanzen können, wenn sie mit Materialen, die sie im Garten selbst finden, hantieren können. Wenn einfach etwas heranwächst. Sie staunen über Veränderungen - wie eine Pflanze, die sie vor zwei Wochen eingepflanzt haben, gewachsen ist.
Wie kann man das fördern?
Kuhn: Indem man die Kinder anleitet, etwa sagt: Schau dir mal die Pflanze an, die du vor zwei Wochen eingepflanzt hast! Was ist damit passiert? Sie wollen fühlen, die Blätter anfassen. Sie wollen sehen, was passiert, wenn man nicht gießt. Dann werden die Blätter schlapp. Richten sie sich durch das Gießen wieder auf?
Solche Zusammenhänge zu erkennen, führt zu einem großen Staunen, und das ist für die Kinder einfach spannend. Eltern sollten sie anstoßen und darauf hinweisen.
Soll ich mein Kind in meinen Bereichen mithelfen lassen oder ihm ein eigenes Beet oder eine eigene Aufgabe überlassen?
Kuhn: Das kommt auf die Erfahrung an. Das Problem ist, dass Kinder sehr wenig über Pflanzen wissen. Sie wissen ja nicht einmal, was man von einer Pflanze erntet - beim Rhabarber ist es der Stängel, bei einer Karotte die Wurzel, beim Apfel die Frucht. Bei der Haselnuss wird der Samen genommen. Und bei einer meiner Lieblingspflanzen für Kinder, der Kapuzinerkresse, werden die Blätter und Blüten verwendet. Das muss das Kind erst einmal entdecken. Sonst macht das keinen Spaß.
Hat ein Kind in den vergangenen Sommern ein bisschen mitgemacht und mir geholfen, erinnert es sich etwa an den Kürbis und kann ihn in diesem Jahr selbst pflegen. Oder es fragt von selbst nach eigenen Erdbeeren, weil die im letzten Jahr so gut geworden sind.
In Ihrem Buch "Gärtnern für Kinder" geben Sie an, dass schon Dreijährige bestimmte Arbeiten wie gießen oder Erde in Kübel schaufeln übernehmen können.
Kuhn: Klar können Dreijährige schon helfen. Aber das ist auch immer eine Frage der Sicherheit. Man muss sich den Aufbau der Gartengeräte anschauen, da ist viel Spitzes und Scharfkantiges dran. Gießen geht aber immer, auch mit einer kleinen Schaufel hantieren. Dafür reicht auch die Aufmerksamkeitsspanne.
Aber das Aussäen ist schwieriger: Viele Samen sind ja sehr feinkörnig. Es kann leicht passieren, dass das Kind aus Versehen die ganze Tüte verschüttet. Und das führt zu Enttäuschungen - auch, weil die Eltern sich darüber beklagen. Ein Saatband aber geht bei einem geschickten Dreijährigen schon. Ein bisschen Sand und Erde drauf, dann gießen. Oder man nimmt Sonnenblumenkerne, die sind groß.
Und was ist mit einem eigenen Beet?
Kuhn: So ab sechs Jahren kann ein Kind damit umgehen. Natürlich nur, wenn es schon ein paar Mal vorher miterlebt hat, wie man sich darum kümmern muss. Dann sollte man es auch fragen, welche Pflanze ihm bisher am besten gefallen haben, und diese auswählen.
Welche Aufgaben sollten Eltern selbst übernehmen?
Kuhn: Pikieren ist für Kinder noch nichts, sie verletzten die Pflanzen. Und dann ist das Kind enttäuscht. Das bringt nichts. Es ist für Kinder viel komplizierter, als man denkt. Als ich die Projekte für mein Buch umgesetzt habe, habe ich mit den Kindern immer erst gesprochen und ihnen erklärt, was jetzt gemacht wird, was dann passiert, wieso und warum. Erst dann haben wir die Aufgaben umgesetzt. Von selbst waren die wenigstens so kompetent, dass sie von sich aus gewusst haben, was ansteht - und das, obwohl es sich um nicht mehr so kleine Kinder gehandelt hat.
Welches Einsteigerprojekt empfehlen Sie?
Kuhn: Kresse auszusäen. Dafür braucht man nur einen Teller und Küchenkrepp. Man gibt ein bisschen Wasser auf den Krepp und dann kann das Kind den Samen darauf verteilen. Und kommt an eine Stelle ein ganzes Häufchen, macht es den Samen nichts aus, wenn man diese mit dem Finger verstreicht. Das können selbst Kinder im Krippenalter.
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Nach ein paar Tagen kann man die Kresse schon ernten - sogar die Kinder selbst mit einer Kinderschere. Das ist der ganz, ganz schnelle Erfolg. Kresse hat außerdem den Vorteil, dass sie keine Erde braucht. Die Ernte wird somit nicht verunreinigt, man muss nichts waschen.
Worauf sollten Eltern bei der Pflanzenauswahl achten?
Kuhn: Oftmals wird für Kinder die Feuerbohne empfohlen. Aber sie hat einen Nachteil: Sie ist giftig. Man kann davon ausgehen, dass ein Kind schon mal daran knabbert. Und die Feuerbohne wird gerne von Schnecken gefressen - das ist enttäuschend. Und das Schneckenkorn ist auch wieder gefährlich. Am besten schauen Eltern, dass sie unempfindliche Pflanzen nehmen, die noch dazu schnell heranwachsen.
Sie beschreiben in Ihrem Buch viele Ideen, die über das einfache Pflanzen, Gießen und Ernten hinausgehen. Wie man Kräuteröl herstellt oder Blumen presst.
Kuhn: Kinder sollten auch lernen, sich selbst zu versorgen. Etwas Alltagskompetenz zu erlernen. Wie kann ich selbst Nahrung produzieren und diese haltbar machen - zum Beispiel Marmelade und Saft herstellen. Also das, was früher gang und gäbe war. Aber diese Kompetenz ist ja in den letzten Jahrzehnten immer mehr verloren gegangen. Ich möchte keine Krise heraufbeschwören, zu der man diese Kompetenz wieder dringend braucht. Aber es ist doch ein schönes Erlebnis, wenn man erst etwas erntet und dann weiterverarbeiten und haltbar machen kann.
Kinder freuen sich, wenn sie die Erdbeeren nach Monaten als Marmelade naschen können. Dafür brauchen Kinder natürlich die Hilfe von Erwachsenen. Aber sie können auch Sachen alleine machen, zum Beispiel Kräuter sammeln und diese trocknen. So zeigt man den Kindern auch, wie Lebensmittel entstehen. Die getrockneten Kräuter sind das gleiche, was man im Supermarkt im Glas kauft. Oder Lavendelsäckchen, die man sonst in der Drogerie bekommt. Das ist ganz einfach und es duftet wunderbar - und kann ein Geschenk für die Oma sein. (dpa)