Dresden. Die Ernte teilen, die Kosten auch - das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft begeistert immer mehr Menschen. In der Nähe von Dresden startet jetzt das Projekt “Dein Hof“. Hier bekommen Mitstreiter jede Woche frisches Gemüse der Saison geliefert - und können auch mal selbst Hand anlegen.
Der rote Traktor mit dem angehängten Pflug rumpelt über den Acker. Henry Müller muss sich konzentrieren, für den Gärtner ist die Aufgabe Neuland. "Ich pflüge zum ersten Mal." Der 32-Jährige bereitet die rund einen Hektar große Fläche vor. Hier in Radebeul, ganz in der Nähe der Elbe, sollen bald Möhren, Fenchel und anderes Gemüse wachsen. Bis zu 200 Menschen können damit versorgt werden. Müller hat das Projekt "Dein Hof" gemeinsam mit Lisa Ennen ins Leben gerufen. Nun steht die erste Saison bevor.
Solidarische Landwirtschaft heißt die Idee, an der immer mehr Menschen Gefallen finden. Mehrere Privathaushalte teilen sich die Kosten für Anbau, Landwirt und laufende Hofkosten. Dafür bekommen sie jede Woche frisches Gemüse geliefert - das ganze Jahr über. Rund 50 solcher Höfe gibt es nach Angaben des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft in Deutschland. Tendenz steigend.
"Es findet eine immer stärkere Entfremdung zwischen Produzent und Verbraucher statt, das wollen wir anders machen", sagt Lisa Ennen. Bei "Dein Hof" wissen die Verbraucher, woher ihr Gemüse kommt, können bei freiwilligen Arbeitseinsätzen selbst Hand anlegen. Das spiele für viele angesichts von Lebensmittelskandalen eine immer größere Rolle, so die beiden Initiatoren.
Kisten mit Bio-Produkten der Saison
Rund 60 Euro pro Monat zahlen die Mitstreiter bei "Dein Hof." Damit können Lisa Ennen und Henry Müller wirtschaften, sind durch die im Voraus gezahlten Beiträge unabhängig von Preisschwankungen oder Ernteausfällen. An fünf Abholstationen stehen jede Woche Kisten für die Mitglieder bereit - gefüllt mit Bio-Produkten der Saison.
In Sachsen gibt es mehrere Solidarhöfe, etwa in Taucha bei Leipzig oder in der Sächsischen Schweiz. Im Osten von Leipzig bewirtschaftet Stadtgärtner Marian Schwarz rund ein Viertel Hektar Anbaufläche nach solidarischem Prinzip. Dutzende Gemüsekulturen baut er an, 50 Menschen zahlen dafür einen monatlichen Beitrag. 2010 hat Schwarz angefangen, die Flächen zu beackern. "Seitdem ist das Verständnis und Interesse stetig gestiegen." Allerdings sorgt er sich um die Zukunft des Projekts, denn 2015 läuft der Pachtvertrag aus. Geeignete Flächen zu finden ist gerade in der Nähe von Großstädten schwer.
Claudia Clemens von der Vereinigung ökologischer Landbau Gäa sieht in der Idee auf jeden Fall Zukunft. "Solche Projekte sind interessant, um Landwirtschaft ein Stück in die Stadt zu holen." Kleine Höfe könnten unabhängig wirtschaften, Verbraucher mitbestimmen, was auf den Feldern wächst.
Die Lust auf Land wächst
Auf den Trend zur Selbstversorgung setzt auch "Meine Ernte". Das Projekt gibt es deutschlandweit in 23 Städten, seit diesem Frühjahr auch in Dresden. Rund 60 Mietgärten warten auf die Übergabe - fertig bestellt mit Möhren, Kartoffeln oder Zwiebeln. Etwa 20 Pflanzen- und Blumensorten haben Profis in die Erde gebracht, Städter müssen nur noch gießen, pflegen und ernten. "Die Lust der Städter auf Land wächst ständig", sagt Mitbegründerin Wanda Ganders. Mittlerweile sei die Nachfrage größer als das Angebot an Mietgärten.
Vor allem Familien, die wissen wollen, woher das Gemüse auf ihrem Teller kommt, aber auch Studenten oder Rentner holen sich einen Mietgarten. Eine kleine Parzelle kostet nach Angaben von "Meine Ernte" 179 Euro pro Saison, die große 329 Euro - und versorgt eine ganze Familie. "Mit den Händen in der Erde zu wühlen, ist für viele ein schöner Ausgleich", so Ganders. Neben Dresden sind in diesem Jahr auch Städte wie Dortmund oder Heidelberg hinzugekommen. Und für nächstes Jahr steht Leipzig auf dem Plan. (dpa)