Essen. In der kalten Jahreszeit häufen sich in Deutschland alljährlich die Schäden durch Wind und Wetter. Den Gerichten liegen daher zahlreiche Fälle von Schadenersatzforderungen oder Mietmängeln vor. Wie die Urteile zeigen, wird jedoch von Fall zu Fall anders entschieden.
Im Herbst und Winter wüten immer wieder Unwetter und Stürme – wie just an diesem Wochenende. Aber wer zahlt, wenn ein umstürzender Baum, ein Baugerüst oder Teile des Kamins für Schäden sorgen?
Mit dieser und anderen Sturmfragen müssen sich immer wieder die Gerichte beschäftigen, wie die folgende Übersicht interessanter Urteile zeigt:
Platane oft genug kontrolliert
Keinen Sturm benötigte der Ast einer Platane, um abzuknicken – und beträchtlichen Schaden an einem geparkten Fahrzeug zu verursachen. Schuld war die sogenannte Massaria-Krankheit, eine bekannte Pilzerkrankung, die sich durch eine Verfärbung offenbart.
Der Geschädigte kritisierte, die Kontrolle der Stadt als Eigentümer – zweimal im Jahr vom Boden aus durchgeführt – sei nicht ausreichend gewesen. Das sahen die Richter anders. Ohne konkrete Anhaltspunkte sei diese Überwachungsfrequenz ausreichend gewesen. (Oberlandesgericht Hamm Aktenzeichen I-11 U 100/12)
Versicherung muss zahlen
Bei einem Sturmschaden besteht auch dann ein Versicherungsschutz, wenn Teile des versicherten Gebäudes nachweislich sanierungsbedürftig sind. So lautete das Urteil in einem Fall einer in Mitleidenschaft gezogenen Dachdeckung. Eine Frau verlangte von ihrer Wohngebäudeversicherung Ersatz für den Sturmschaden. Die verweigerte die Zahlung jedoch mit der Begründung, die Schindeln seien nur deshalb herabgefallen, weil sie sanierungsbedürftig gewesen seien.
Ob dem so war oder nicht, war aus Sicht der Richter jedoch nicht entscheidend. Die Versicherung müsse vielmehr schon deshalb zahlen, weil der Versicherungsnehmerin weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. (Oberlandesgericht Koblenz Aktenzeichen 10 U 1018/08)
Nicht rechtzeitig gefällt
Wenn der für die Verkehrssicherungspflicht Zuständige bereits weiß, dass ein Baum krank und umsturzgefährdet ist, dann muss er auch umgehend dementsprechend handeln und die Gefahr beseitigen. Eine Kommune hatte eine von einem Pilz befallene Hybridpappel bereits zum Fällen vorgesehen. Das galt jedoch als nicht dringlich und wurde darum aufgeschoben – ein fataler Fehler, der beinahe ein Menschenleben gekostet hätte. An einem Septembertag stürzte die Pappel auf die Straße und traf ein fahrendes Auto.
In diesem Fall musste die Gemeinde haften und neben dem Sachschaden auch für ein angemessenes Schmerzensgeld aufkommen. Ihr wurde aus Sicht der Richter zum Verhängnis, dringend gebotene weitergehende Untersuchungen zum Zustand des Baumes unterlassen zu haben. (Oberlandesgericht Rostock Aktenzeichen 5 U 334/08)
Sturmschaden als Nebenkosten?
Ein Eigentümer wollte bei der Nebenkostenabrechnung die Kosten für das Fällen eines durch einen Sturm in Mitleidenschaft gezogenen Baums geltend machen. Das darf er, wie vom Mieter ausgeführt, jedoch nicht. Laut Gericht habe schließlich ein „singulär schweres Ereignis“ – ein sogenannter Jahrhundertsturm – vorgelegen.
Deswegen komme auch eine finanzielle Beteiligung des Mieters an den Kosten für das Fällen nicht in Frage. Das sei höchstens dort denkbar, wo öfter mit schweren Naturkatastrophen wie dieser zu rechnen sei. (Landgericht Krefeld Aktenzeichen 2 S 56/09)
Schaden durch Mülltonne
Ein außergewöhnlicher Fall führte zur juristischen Auseinandersetzung zwischen einem Eigentümer und seinem Mieter. Bei einem schweren Gewitter wirbelte der Wind die in einem Hof abgestellte (und mit einer Feststellbremse gesicherte) Mülltone herum und drückte sie gegen ein geparktes Auto.
Dessen Eigentümer – der Mieter – verlangte Schadensersatz. Zu Unrecht, wie die Richter entschieden. Zwar sei der Container nicht voll und daher zu leicht gebremst gewesen. Dennoch habe der Hausbesitzer seine Pflichten nicht verletzt. (Landgericht Coburg Aktenzeichen 33 S 38/06)
Die Versicherung griff nicht
Ab wann ist ein Haus ein Haus? Diese Frage stand im Streit eines Versicherten gegen eine Versicherung im Mittelpunkt. Die Richter befanden, dass ein Gebäude ohne intakte und komplette Außenhülle (Mauern, Fenster, Türen und Dach) nicht nur besonders anfällig gegen die Naturgewalten eines Sturms sind.
Es sei auch noch kein „bezugsfertiges Gebäude“, weshalb die Police gegen Sturmschäden auch noch nicht greife. (Oberlandesgericht Rostock Aktenzeichen 6 U 121/07)
Schlecht gerüstet
Bauunternehmen müssen beim Aufbau eines Gerüsts mit großer Sorgfalt vorgehen. Denn die Konstruktion muss im Zweifelsfall auch schlechtem Wetter standhalten. Weil sich jedoch bei einem Sturm mit einer Windgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern Gerüstteile lösten und Schäden an Fassade und Dach verursachten, wurde das Unternehmen, das sich auf höhere Gewalt berief, zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.
In der Urteilsbegründug wurde argumentiert, ein Gerüst müsse auch gewöhnlichen Stürmen trotzen können, wie sie im Winter hin und wieder vorkommen können. (Landgericht Mannheim Aktenzeichen 4 O 3/05)
Mietmangel auch bei Sturmschaden
Ein Mieter darf die Miete bei Vorliegen eines Mietmangels mindern – selbst dann, wenn eine Naturkatastrophe für den Mangel verantwortlich ist. Das entschied das Gericht im Fall einer Wohnung, bei der durch einen Schneesturm Wasser von der Zimmerdecke tropfte.
Es liege ohne Zweifel ein Mietmangel vor, lautete das Urteil. Eine Minderung der Miete um 30 Prozent sei darum rechtmäßig. (Amtsgericht Kiel Aktenzeichen 13 C 9/80)
Kamin auf Abwegen
Bei einem schweren Orkan lösten sich vom Kamin eines Wohnhauses Steine und trafen unter anderem ein geparktes Auto,. Während der Eigentümer auf ein außergewöhnliches Naturereignis verwies, war das Gericht anderer Ansicht. Es war aufgrund der Beweislage vom schlechten baulichen Zustand des Kamins überzeugt.
Und urteilte, der Eigentümer habe versäumt, dafür Sorge zu tragen, dass seine Immobilie inklusive aller dazugehörigen Teile auch ungewöhnlichen Witterungsverhältnissen wie einem Sturm Stand hält. (Amtsgericht Berlin-Schöneberg Aktenzeichen 17 b C 181/07)