Recklinghausen. Mietspiegel sind Zerrspiegel. Statt das tatsächliche Mietniveau wiederzugeben, bilden sie Mietsteigerungen ab. Eine Ursache für die Mieterhöhungen liegt im Konstrukt der Mietspiegel selbst. Denn sie geben nicht das Mietniveau wieder, sondern nur die Vertragsänderungen der vergangenen vier Jahre.
Wer heute eine Wohnung anmietet, muss damit rechnen, dass sie in den nächsten Jahren wesentlich teurer wird. Auch vielen Bestandsmietern stehen Mieterhöhungen bevor. Denn im Moment kennen die Mietpreise nur eine Richtung: nach oben. "Die aktuellen Mietspiegel in den prosperierenden Wohnungsmärkten weisen aus, dass Vermieter durchaus ihren gesetzlichen Spielraum für Mieterhöhungen ausnutzen", sagt der Geschäftsführer des Mieterschutzbundes, Claus O. Deese.
Eine Ursache für die Mieterhöhungen liegt im Konstrukt der Mietspiegel selbst. Es gibt sie in vielen Städten und Gemeinden. Sie werden allgemein als Abbild des ortüblichen Mietniveaus angesehen. Das sind sie aber nicht, denn sie geben nicht das durchschnittliche Mietniveau wieder, sondern nur die Vertragsänderungen der vergangenen vier Jahre. Die günstigen Bestandsmieten bleiben außen vor. Das verzerrt das Bild.
"In die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete und damit auch in die Mietspiegel fließen nur die Mieten ein, die in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind", erklärt der Mietexperte. Das sind in der Regel höhere Mieten nach Neuvermietungen, Modernisierungen, aber auch Mieterhöhungen im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete. "Dadurch setzt sich automatisch der Preisanstieg in Gang, den wir jetzt vielerorts beobachten", sagt Deese.
Perpetuum mobile
Und so funktioniert es: Wenn Vermieter die Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete erhöhen wollen, müssen sie das begründen. "Das von den Gerichten am meisten akzeptierte Begründungsmittel ist der Mietspiegel", sagt Deese. Die hohen Mieten, die aus Neuvermietungen und Mieterhöhungen in den vergangenen vier Jahren zustande gekommen waren, sind nun der Maßstab für weitere Mietsteigerungen. "Die fließen dann wiederum in den kommenden Mietspiegel ein. Ein Perpetuum mobile für Mieterhöhungen", sagt Deese.
Um zu hohe Mietsprünge zu vermeiden, gilt aktuell eine Kappungsgrenze von 20 Prozent. Das bedeutet, dass die Miete innerhalb von drei Jahren nicht um mehr als 20 Prozent steigen darf, auch wenn die ortsübliche Miete dadurch nicht erreicht wird. "Nach dem neuen Mietrechtsänderungsgesetz soll die Kappungsgrenze in ausgewählten Gebieten künftig nur noch bei 15 Prozent liegen", erklärt der Experte.
Das gilt für Ballungsgebiete und Städte, in denen das Mietniveau besonders hoch ist. Welche das sind, muss noch von den Bundesländern festgelegt werden. "Da es aber gerade in diesen Städten kaum noch Bestandsmieten gibt, die wesentlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, hat das wenig positive Auswirkungen auf die Mieter", betont Deese.
Wege aus der Preisspirale
Mieter haben kaum Möglichkeiten, dem permanenten Preisanstieg etwas entgegenzusetzen. "Sie müssen ihr Budget realistisch einschätzen. Wenn sie schon beim Einzug die Miete nur mit Ach und Krach zahlen können, wird das in Zukunft nicht einfacher werden." Besser sei es, eine kleinere Wohnung zu nehmen oder ins Umland größerer Städte zu ziehen, wo die Wohnkosten noch günstiger sind.
Um der Preisspirale zu entkommen, kann es auch sinnvoll sein, einen Staffelmietvertrag abzuschließen. "Es muss aber vorher ganz genau durchgerechnet werden, ob sich das lohnt." Von Indexmietverträgen rät Deese dagegen ab. "Da kommt der Mieter vom Regen in die Traufe. Denn in den Bundeswohnungsmietindex, der dabei zugrunde gelegt wird, fließen die bundesweit erhöhten Wohnungsmieten mit ein."
Eine andere Möglichkeit für Mieter ist es, mit dem Vermieter zu verhandeln. Im Mietvertrag können zum Beispiel Mietsteigerungen für die nächsten Jahre einvernehmlich ausgeschlossen oder zumindest begrenzt werden. "Ob der Vermieter da mitmacht, ist aber fraglich." (dapd)