Dortmund. . Defekte Aufzüge, falsche Abrechnungen, fehlende Ansprechpartner. In NRW befinden sich 350. 000 Wohnungen in den Händen von Finanzinvestoren. Dortmund-Westerfilde gilt als Beispiel dafür, wie ein ganzer Stadtteile durch Verkäufe an Investoren in eine Abwärtsspirale geraten kann.

Jeden Tag geht Hatice Atceken an der verschlossenen Fahrstuhltür vorbei. Sie biegt zum Treppenhaus ab. Hatice Atceken wohnt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in der sechsten Etage. Sie schleppt Lebensmittel, Wasserkisten und Kinderfahrräder 80 Treppenstufen hinauf. „Seit fast zwei Jahren ist der Aufzug kaputt“, sagt Hatice Atceken. Sie wohnt in Dortmund – doch was sie erlebt, kennen tausende Mieter, überall. Defekte Aufzüge, falsche Abrechnungen, fehlende Ansprechpartner: die Leiden der Mieter.

Elf Jahre wohnt Hatice Atceken mit ihrer Familie im Wohnpark am Hackländer Platz. Ihre Kinder sind sechs, zehn, elf, 15 und 17 Jahre alt, die Familie lebt auf 98 Quadratmeter in einer viereinhalb Zimmer Wohnung. Kostenfaktor: 744 Euro warm. „Früher war ich hier sehr zufrieden“ , sagt Hatice Atceken. Früher, damit meint sie die Zeit, bevor die luxemburgische Fondsgesellschaft Octagon Residential S.A.R.L. die Immobilie kaufte. Das war im Jahre 2007. „Seither verkommt hier alles. Der Innenhof ist verdreckt und innerhalb des Gebäudes kümmert sich niemand.“ In der Wohnung von Hatice Atceken fallen die Türrahmen aus ihren Befestigungen, die Heizung funktioniert nicht richtig – doch das erwähnt sie nur nebenbei.

Es ist der defekte Fahrstuhl, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Mein Mann kann nichts in die Wohnung tragen, er hatte einen Bandscheibenvorfall. Ich habe dem Hausmeister Bescheid gegeben, aber da passierte nichts.“ Schließlich zog Hatice Atceken mit Hilfe des Mietervereins Dortmund und Umgebung e.V. vor Gericht. Mit Erfolg. Das Amtsgericht Dortmund entschied, dass der Aufzug repariert werden muss. „Dortmund ist bundesweit die Stadt mit der höchsten Zahl an Finanzinvestoren auf dem Wohnungsmarkt“, sagt Tobias Scholz, Wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins.

Desolates Erscheinungsbild - Spielplätze verkommen

In ganz Nordrhein-Westfalen befinden sich 350.000 Wohnungen in den Händen von Finanzinvestoren. Probleme gibt es überall: In Sprockhövel-Haßlinghausen verlassen Mieter ihre Wohnungen, weil die Verwaltung auf Mängelanzeigen kaum noch reagiert, in Duisburg-Hamborn kam es zu Mieterverdrängungen, weil gute Wohnungen verkauft wurden und die Siedlung für ein Factory Outlet Center abgerissen werden sollte. Dortmund-Westerfilde gilt als Beispiel dafür, wie ein ganzer Stadtteile durch Verkäufe an Investoren in eine Abwärtsspirale geraten kann. „Spielplätze verkommen, Wohnungsleerstände tragen zum desolaten Erscheinungsbild bei“, sagt Tobias Scholz.

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Wenn Wohnungen nur noch als Finanzanlagen und nicht mehr als soziales Gut gesehen werden, führt das zwangsläufig zu Problemen. „Die Zahl der unzufriedenen Mieter nimmt immer weiter zu“, sagt Tobias Scholz. Personal für Verwaltung und Service würden zunehmend reduziert, Investitionen und Instandhaltungen heruntergefahren, jede Möglichkeit zur Mieterhöhung dagegen genutzt. Viele Mieter stehen dem hilflos gegenüber.

Auch Hatice Atceken hätte den Schritt vor Gericht ohne den Mieterverein nicht gewagt. Dort stand sie nicht etwa einem Vertreter der luxemburgischen Fondsgesellschaft als Hauseigentümerin gegenüber, die Octagon Residential S.A.R.L. ließ sich gesetzlich durch eine Wiesbadener Immobilienverwaltung vertreten: die Hexagon Service GmbH. Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte Vorstandschef Jörg Bourgett, dass der defekte Aufzug in den vergangenen zwei Jahren mindestens zwölf bis 14 Mal repariert worden sei - und stets sofort wieder zerstört wurde. „Dafür haben wir eine mittlere fünfstellige Summe investiert.“ Die Mieterin Hatice Atceken sagt: „Das stimmt nicht, der Aufzug wurde nicht repariert.“ Jörg Bourgett sagt: „Zwischenzeitliche Reparaturen einzugestehen, machen sich als Mieter natürlich nicht gut, wenn man vor Gericht zieht.“

Hält das Versprechen?

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Die Hoffnung, durch die Besitzerin Octagon eine klärende Antwort zu bekommen, zerschlägt sich schnell. Die Rufnummer auf der Internetseite der Fondsgesellschaft existiert nicht. Und Jörg Bourgett, der Vorstand der Hexagon, erklärt irgendwann auf ausdrückliche Nachfrage, dass ein Anruf in Luxemburg auch überflüssig sei, weil er selbst als Geschäftsführer von Octagon fungiert.

Immerhin verspricht er in dieser nicht unmaßgeblichen Doppelfunktion: „Der Aufzug wird bis spätestens Ende dieses Jahres repariert werden, wir haben schon ein Unternehmen beauftragt.“ Hatice Atceken sagt, dass sie das erst glaubt, wenn sie es sieht. Sie hat außerdem schon ein neues Problem. Kürzlich flatterte ihr die Nebenkostenabrechnung ins Haus. 4489,30 Euro fordert die Hexagon Service GmbH von der Familie. Dieses Mal, so vermutet Tobias Scholz, muss der Fehler im Abrechnungsgerät liegen. Hatice Atceken hält den Brief in der Hand. Sie hat sich furchtbar aufgeregt, doch jetzt ist sie ganz ruhig. Sie sagt: „Ich habe Nachbarn, die haben das alles nicht mehr ausgehalten und sind fortgezogen. Ich bleibe hier wohnen.“