Glees/Rüdesheim. Klostergärten sind bekannt für ihre Heilpflanzen. Besonders spannend für Hobbygärtner ist der sogenannte Hildegard-Garten: Er bietet eine kleine Hausapotheke sowie zahlreiche Zierpflanzen und essbare Wildkräuter.
Altes Wissen wird heute wieder hochgeschätzt. So auch das der Klöster, die für ihre Heil- und Apothekengärten bekannt sind. Die Äbtissin Hildegard von Bingen schrieb vor rund 900 Jahren Beobachtungen über Heilpflanzen auf - diese und ihre Schlüsse haben bis heute nicht an Aktualität verloren.
Hobbygärtner können dies als Inspirationsquelle nutzen und ein Medizinbeet voller wohltuender Kräuter anlegen. Aber nicht nur das: Spannend an der Lehre der Nonne ist, dass sie auch typische Zierpflanzen beinhaltet. So erhält ein moderner privater Hildegard-Garten hübsche Pflanzen zur Dekoration und eine Hausapotheke für etwa Erkältungen.
Altes Wissen
Hildegard von Bingen (1098-1179) beschrieb in ihrer Sammlung «Physica» rund 300 Kräuter, Sträucher und Bäume - und deren Heilwirkung auf den Menschen. «Hildegard von Bingen war nicht die Erste, die das klösterliche Wissen niedergeschrieben hat», sagt Matthias Alter, Gärtner im Kloster Maria Laach in Glees in der Eifel. Aber man bezieht sich heute häufig auf sie, die Hildegard-Medizin, den Hildegard-Garten.
Gärtnern wie Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen hatte zu ihrer Zeit natürlich weniger den Hobbygärtner im Blick. Sie beschrieb in ihren Schriften vielmehr die heilende Wirkung der Pflanzen, die Ernte und Verarbeitung. Dabei hat sie sich ganzheitlich mit dem Pflanzenreich auseinandergesetzt.
«Sie hat Kräuter vom Wegesrand, landwirtschaftlich angebaute Pflanzen und Gartengewächse gleichwertig betrachtet», erklärt Hiltrud Gutjahr, Schwester in der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim. «Brennnesseln spielen beispielsweise eine bedeutende Rolle.» Sie haben etwa als Tee eine reinigende Wirkung auf den Organismus. Darüber hinaus befasste Hildegard sich mit Heilungskräften von Pflanzen aus anderen Regionen wie dem Ingwergewächs Galgant, das Herz und Kreislauf unterstützt.
Nutz- und Zierpflanzen nebeneinander
In vielen Gärten spielen Brennnesseln heute keine Rolle mehr. Sie gelten gar als Unkraut, das man loswerden möchte. Dabei können sich Hobbygärtner von Hildegards Konzept inspirieren: Brennnesseln bewusst im Garten zu halten, aber ihre weitere Aussaat und Verbreitung durch die intensive Nutzung der Pflanze in der Küche verhindern. Brennnessel lassen sich etwa in einen Salat geben.
Interessant sind die Ideen auch aus gestalterischer Sicht: In einem Hildegard-Garten wachsen Nutzpflanzen wie Sellerie, Knoblauch, Weinrebe, Fenchel, Quendel, Wermut, Petersilie, Rettich und Kürbis. Aber auch heutige Zierpflanzen wie Akelei, Pfingstrosen, Eibisch, die Königskerze, Damaszenerrosen sowie Madonnenlilien und Schwertlilien finden hier einen Platz. «Zu der Lilie sagt Hildegard beispielsweise, dass der Duft der Blumen das Herz des Menschen erfreut und ihm richtige Gedanken bereitet», berichtet Klostergärtner Alter. Früher nutzte man diese Pflanze auch für die Heilung.
Außerdem wendete Bingen die Mischkultur an: Bestimmte Pflanzen können sich in unmittelbarer Nachbarschaft in einem Beet gegenseitig fördern und zum Beispiel vor Schädlingen beschützen - dazu raten auch heute noch Gartenprofis. So sind zum Beispiel Bohnen und das Bohnenkraut gute Nachbarn, und Sellerie und Fenchel sollte man etwa wechselweise auf demselben Fleck anbauen. Auch die Kombination von Erdbeeren und Knoblauch entspricht der Lehre der Heiligen Hildegard Bingen: Die Mischung fördert gegenseitig gesundes Wachstum.
Sogar auf kleinstem Raum
Konkret rät Adler dazu, Kräuter anzubauen, die bei den häufiger auftretenden Erkältungen helfen. «Es macht Sinn, wintergrüne Kräuter wie Thymian, Rosmarin und Salbei im Garten zu kultivieren.» Als Tee wirken sie schleimlösend und entzündungshemmend. Man kann daraus Tinkturen herstellen, die bei Bedarf schnell zur Verfügung stehen.
Anlegen lässt sich ein solcher Apothekergarten mit Kräutern sogar auf kleinstem Raum, etwa in einer Kräuterspirale. Das sich spiralförmig windende, aufsteigende Beet bietet mehreren Pflanzen optimale Lebensbedingungen. Sowohl die Intensität, mit der die Sonne die Pflanze erreicht, als auch die Zusammensetzung der Erde verändert sich im Verlauf der Spirale. Absteigend nimmt der Sandanteil immer weiter ab, dem Boden wird humusreiche Erde und Kompost zugesetzt.
«Sechs bis acht verschiedene Kräuter finden auf einer Kräuterspirale für den Hausgarten Platz» erklärt Alter. «Im oberen Bereich wächst auf trockenem, durchlässigem Boden in der vollen Sonne Lavendel, Rosmarin und Thymian.» Petersilie, Basilikum und Wermut eignen sich für die hellen Plätze weiter unten. Und für die Minze empfiehlt Alter einen schattigeren Platz im unteren Verlauf der Spirale. «So bekommt die Pflanze keine rote Spinne, sondern wächst gesund und kräftig.»