Köln. . Die Lust auf neue Möbel ist gesunken. Nun setzt die Branche auf Retro-Möbel. Dabei könnte Opas Ohrensessel künftig auch im Büro einen Platz finden.
Kuschelige Flokati-Teppiche, orangefarbene Polster und wild gemusterte Kissen: Mit einem Rückgriff auf die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts will die Möbelbranche bei den Verbrauchern wieder die Lust auf den Kauf einer neuen Einrichtung wecken. Seit Montag sind die neuen Trends bei der internationalen Möbelmesse IMM in Köln zu sehen.
Bis zum Sonntag erwarten die Veranstalter rund 150.000 Besucher. Bei der nach Angaben der Veranstalter weltgrößten Möbelschau präsentieren 1355 Aussteller neue Trends. Von Freitag an ist die Messe auch für das breite Publikum geöffnet.
Schwung im Geschäft
Der Wunsch nach neuem Schwung im Geschäft ist groß.
Denn im vergangenen Jahr sind die Umsätze im deutschen Möbelhandel um zwei Prozent auf 32,9 Milliarden Euro zurückgegangen. Einen kleinen Ausgleich bot zwar das gut laufende Exportgeschäft. Der Zuwachs um rund 1 Prozent auf 18 Milliarden Euro konnte die Schwäche auf dem Heimatmarkt aber nicht ausgleichen.
Weder die gute deutsche Konjunktur noch die gestiegene Zahl an Neubauten konnte den Möbelhändlern Rückenwind geben. "Auf die Umsätze der Branche zahlt alles dies im Moment nicht ein", hatte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Möbel und Küchen, Thomas Grothkopp, jüngst geklagt.
Stark gestiegene Preise für Mieten und Immobilien
Die Möbelhändler machen neben dem heißen Sommer 2018 auch die stark gestiegenen Preise für Mieten und Immobilien für die gesunkene Kauflust der Verbraucher verantwortlich. Erst im Spätsommer hatten die Umsätze wieder spürbar zugelegt. So gibt man sich in der Branche optimistisch. Für 2019 rechne die Branche nun wieder mit einer "lebhafteren" Nachfrage, sagte Grothkopp.
Dazu sollen insbesondere Retro-Möbel beitragen. "Die 1970er lassen grüßen", sagt die Trendexpertin des Verbands der Deutschen Möbelindustrie, Ursula Geismann. "Insgesamt zeigt sich das Wohnendeutlich farbenfroh." Im Gegensatz zu den Vorbildern aus dem vergangenen Jahrhundert müssen die aktuellen Möbel laut Geismann aber möglichst unter Einsatz von ökologischen Lacken und Leimen sowie nachhaltigen Materialien gefertigt werden. Auch das Thema "vegane Möbel" sei im Trend, wenn auch rund 85 Prozent aller Möbel ohnehin vegan seien.
Digitale Neandertaler
Angesprochen werden sollen laut Geismann "digitale Neandertaler", die zwar Gemütlichkeit mit Möbeln aus natürlichen Materialien lieben, gleichzeitig aber technisch auf dem neusten Stand sein wollen und mit dem Smartphone hantieren. "In Zukunft werden Industrie und Handel darüber nachdenken müssen, ob die 'digital natives' mit ihren flinken Daumen und linken Händen ein vereinfachtes Montageangebot für komplexere Möbel bekommen müssen."
Die Zeiten einheitlicher Stile und Trends bei der Einrichtung seien ohnehin vorbei, so die Expertin. Die neuen Möbel im Stil der 1970er könnten problemlos mit Anschaffungen im Stil des "Micentury-Designs" der 1940er bis 1960er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gemixt werden. "Es geht heute um kreative und individuelle Variationen. Wohnen ist ein Spiegel der Gesellschaft", sagt Geismann. Dabei kann künftig auch im modernen Büro für Opas Ohrensessel Platz sein. Das traditionsreiche Möbelstück heißt heute allerdings in der aktuellen Version "Einigel-Polstersessel mit schützendem Halt". (dpa)