Bochum.. In Bochum-Stahlhausen findet man den Gegenentwurf zum immer gleichen „Tank und Rast“: An der „Raststätte A 40“, die früher eine Gaststätte war, treffen sie sich am Stammtisch - und gehen es noch gemütlich an. Eine Atmosphäre wie aus einer anderen Zeit.

Ewald ist der Weiteste. Er kommt aus Herne, fünf Kilometer von hier weg, und er kommt, weil schon sein Schwiegervater hierhin gekommen ist ganz früher. Es ist halb acht morgens, noch dunkel draußen; mit vier Männern sitzen sie unter dem Schild „Stammtisch“ in der „Raststätte A 40“ und unterhalten sich sparsam. Ein weiterer kommt hinzu und erklärt sein eindrucksvolles Humpeln: „Ich hab Kni’.“

Ewald sagt: „Ich hab zwei.“

Vier, acht, zehn Mann, so treffen sie sich hier zu Kaffee und Zeitung: Arbeiter, Angestellte, Chefs aus dem benachbarten Gewerbegebiet, „nicht immer alle und nicht jeden Tag,“ sagt Ewald, und doch zum Nachbarn Christoph: „Aber du bist immer dabei, du müsstest echt Absagen schicken, wenn du wegbleibst.“ Christoph ist der Meiste. Er dreht sich gerade halb um zur Chefin. „Ich hätt’ gern zwei halbe Erdbeer.“ Kurz darauf kommt ein Marmeladenbrötchen.

Früher wurde im Keller gespielt...

Die „Raststätte A 40“ bei Bochum-Stahlhausen ist die unwahrscheinlichste, die es gibt, ein entschlossener Gegenentwurf zum glatten Immergleich von „Tank und Rast“: eine frühere Kneipe, die das auch heute nicht leugnet. Sie blieb irgendwie, während vor ihren mäßig interessierten Augen die Reichsstraße 1 zur Bundesstraße 1 zur Autobahn 430 zur Autobahn 40 wurde. Man erzählt sich, früher wurde im Keller gespielt. Und zwar nicht Skat.

Eine Gaststube also mit sechs Tischen. Polsterstühle, dunkle Holzdecke. Drei Spielautomaten. Die Speisekarte erinnert an eine Imbissbude, und die Preise tun das freundlicherweise auch. Man kommt auch von hinten an das Gebäude ran, über Stadtstraßen: Aber dafür können die, die von der Autobahn kamen, nicht mehr direkt auf die Autobahn zurückfahren. Und das Alter der Anlage verliert sich tief im letzten Jahrhundert: „Zu der Zeit hab’ ich noch nicht gelebt, so lange steht die schon“, sagt Sandra Julitz. Sie ist 45.

Raststätte mit Stammkunden

Sie ist die Pächterin hier und die Frau, die rennt und macht und tut. Brötchen schmieren, Kaffee ausschenken, Tisch abräumen, Kreidetafel beschriften: „Mittagstisch Erbsensuppe mit Mett- oder Bockwurst 4,50.“ Kassieren, (draußen eine rauchen), volle Aschenbecher zum Abfall tragen. Ihr früher Tag beginnt um 5, dann fahren sie und ihr Mann Werner Julitz (52) aus ihrer Herner Wohnung zu Bochums aufgewecktestem Metzger, holen Wurst und Würste, dann zur Raststätte, 5.30 Uhr ist es jetzt, aufschließen, Licht an, Kaffee aufsetzen, Ofen anmachen für Brötchen. „Dann kommen auch schon die Ersten.“ Was es doch für ungewöhnliche Marktnischen gibt! Diese heißt: Raststätte mit Stammkunden.

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Man erkennt Durchreisende hier an einer gewissen Ausschweifigkeit des Ausdrucks („Ich hätte gerne einen Kaffee to go zum Mitnehmen“), während alle anderen sich so verhalten, als seien sie auf der Deutschen Meisterschaft für Lakonik. „Hallo. Salami und Leberwurst.“

Dann ist da der, der ohne jedes Wort 1,20 auf die Theke legt und seinen Kaffee bekommt. Oder der, den Sandra Julitz schon von weitem kommen sieht: Während er sich nähert, beginnt sie bereits, ein Mettbrötchen zu schmieren, zwei Hälften, viele Zwiebeln, wie immer. Endrundenreif ist aber dieses Gespräch, das hier in seiner kompletten Ausführlichkeit wiedergegeben werden soll: „Alles klar?“ – „Alles klar!“ – „Drei?“ – „Drei!“ – „Vom letzten Mal steht noch 1,20, da hast du’n Deckel gemacht.“ – „Alles klar!“

Einverständiges Schweigen

Am Stammtisch sitzen jetzt andere, einverständig schweigend bei Kaffee und Zeitung; Gespräche brechen aus, wenn ein Weiterer kommt: „Soo, wat is sons’?“ – „Wo warsse denn?“

Doch offen gesprochen, ist nicht ganz klar, wie lange es noch gut geht mit der „Raststätte A 40“. Ihr ebenso originelles Gegenstück in Fahrtrichtung Dortmund liegt längst begraben unter der Westkreuz-Baustelle, die die Autobahn verbreitert. „Die wollen die Ausfahrt zumachen“, sagt Sandra Julitz; viele Lasterfahrer nutzen nämlich die wilde Ausfahrt für den kurzen Weg ins Gewerbegebiet. Seit zehn Jahren werde schon darüber geredet, sagt sie: „Mir gibt ja keiner Auskunft.“ Ihr Mann Werner wirft ein: „Da hängen ja auch noch Leute dran. Interessiert sich keiner für.“

Aber es ist Hoffnung. Samstags bringen die Männer vom Stammtisch inzwischen ihre Kinder mit. So haben sie selbst es ja auch gelernt. Alles klar?