Essen. . Wir trafen Carmela de Feo und begleiteten sie in ihrer Rolle als La Signora. Mit ihrem spröden Pott-Charme verkaufte sie Vanille, Amarena und Stracciatella in einem Eiswagen auf Zollverein. Sie brachte dabei zwar keine Herzen zum schmelzen. Dafür kugelten sich die Kunden vor Lachen.

Ihr Mann ist am Morgen vor dem Dreh mit dem Wagen in Essen-Rüttenscheid vorgefahren. Damit Carmela de Feo schnell aus der Haus- und durch die Autotür schlüpfen konnte. „Die Nachbarn wissen nicht, wer ich bin“, erklärt die 41-Jährige ihre Geheimaktion, die an die Superspionin Mata Hari erinnert. „Also die im Haus wissen es schon, damit sie sich nicht wundern, warum ich so komisch bin. Aber die anderen haben heute nur etwas Schwarzes vorbeihuschen sehen: Was war das? Eine Ratte?“

Hat Carmela de Feo erst einmal die löchrigen Perlonstrümpfe hochgezogen, die Bluse mit der Brosche keusch geschlossen, das Muttermal ganz und gar nicht Marilyn-Monroe-gleich auf die rechte Wange – oder doch lieber aufs Kinn? – gemalt, dann ist sie nicht mehr die kreative Frau und sympathische Mutter von zwei Kindern aus dem richtigen Leben, sondern die schrill-schrullige und von Männern – „zu Unrecht!“ – verschmähte: La Signora.

La Signora träumt von Rom

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    Für unsere Serie „So lacht das Revier“ zog sich die RuhrGEBIETERIN das Haarnetz tief in die Stirn, um Kunden mit einem Eiswagen auf Zollverein einzufangen. Vanille, Amarena, Stracciatella – bei ihrem spröden Charme gab sich so mancher Mann die Kugel. „Danke für Ihren Einkauf“, trötet La Signora und verfolgt den eisschleckenden Zollverein-Arbeiter mit ihrem Akkordeon und dem Steigerlied.

    Während sich Carmela de Feo heute von jetzt auf gleich in die italienische Gouvernante aus dem Pott verwandelt, brauchte sie früher 20 Minuten, um in die Rolle einzutauchen. „Das Problem war eher das Herauskommen“, erinnert sie sich an ihre Anfänge 2008. „Da bin ich von der Bühne gegangen und habe Kollegen und Veranstalter zusammengestaucht, weil ich noch so sehr La Signora war. Dabei bin ich ja eigentlich nett. Schreiben Sie das: Ich bin eigentlich nett.“ Dann lacht sie ihr herzliches Lachen, bei dem man La Signoras böses Gegacker nur erahnen kann.

    Mit der Mimik die Menschen kitzeln

    Wie hat sie selbst gemerkt, dass sie auch andere zum Lachen bringt? „Das war Zufall“, sagt Carmela de Feo, die Akkordeon an der Folkwang Schule in Essen studiert hat. „Ich habe ja in einem Tango-Duo gespielt: Coco-Lorez. Franziska Dannheim, die heute Opern singt, war die Frontfrau und ich die Akkordeonistin, also Beiwerk. Die Texte waren manchmal so skurril, dass ich sie irgendwann mit meinem Gesicht kommentiert habe. Und plötzlich fingen die Leute an zu lachen.“

    Aus einem Tango-Abend wurde ein Comedy-Abend. Und Carmela de Feo wollte nur noch mehr die Leute mit „schrägen Sachen“ amüsieren. Nach und nach entwickelte sie die Rolle der La Signora, die mit ihrer Mimik die Menschen kitzelt. So auch beim Eisverkauf auf Zollverein: In einem Moment hängt das linke Augenlid runter und die Zunge aus dem rechten Mundwinkel. Im nächsten hebt sie die Oberlippe an, dass ihre vorgeschobenen Zähne auch einem Pferd gut stehen würden. Das sieht blöd aus, aber vor allem: sehr lustig.

    Frauen auf der Comedy-Bühne sind auch heute noch ein seltenes Vergnügen. Sich zudem so hässlich zu geben, wie es La Signora tut, kostete anfangs doch bestimmt Überwindung? „Nein, im Gegenteil“, sagt Carmela de Feo. „Ich habe Probleme damit, schön auf der Bühne zu sein. Da sieht man jeden kleinen Fehler. Aber wenn du hässlich sein musst, dann kannst du nicht genügend Fehler haben.“ So freute sie sich, als ihre kleine Tochter zur Welt kam. „Danach musste ich den Bauch gar nicht mehr extra rausstrecken.“

    In La Signoras Hässlichkeit sieht sie auch einen Grund für ihren Erfolg: „Frauen vergleichen sich ja immer. Dann sehen sie mich und fühlen sich gleich besser.“

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    Mit hohem Tempo im langen Rock

    Nach dem Dreh schaut ein ergrauter Zollverein-Besucher gebannt auf die Ausrüstung, die unser Kameramann einpackt. Der Neugierige geht in die Hocke, hypnotisiert von der Technik. Das Eis in seiner Hand tropft. „Wären se ma früher gekommen“, haut ihn La Signora an. „Wären se berühmt geworden. Getz is es zu spät.“ Es ist diese direkte Art, mit denen sie die Menschen zunächst irritiert, um sie dann zum Lachen zu bringen. Spontan reagiert sie auf jede Situation. Und das in einem Tempo, dass sie eigentlich in ihrem langen Rock stolpern müsste.

    La Signoras biederes Äußeres will nicht so recht passen zu ihrer rotzfrechen Art. Und während sie sich als die „Errrrotick“ auf zwei Beinen präsentiert, bewegt sie sich so ungelenk wie ein Tapir auf Drogen. La Signora lebt von den vielen Widersprüchen. Nur wenn jemand auf Italienisch bei ihr Eis bestellt, dann wundert er sich, dass er auf Italienisch eine Antwort bekommt. „Oft denken die Menschen, das Italienische gehört nur zur Rolle.“ Aber Carmela de Feos Eltern kommen wirklich aus Italien. Sie selbst ist in Oberhausen groß geworden, dem sie wie einst die Missfits ein Lied gewidmet hat.

    Ihre Eltern leben auch heute in Alstaden. „Als ob das Ruhrgebiet nach all den Jahren immer noch ein Zwischenstopp wäre.“ Carmela de Feo hat sich früh dafür entschieden, zu bleiben und dazuzugehören. Einen speziellen Ruhrgebiets-Humor kann sie nicht ausmachen. Aber einen speziellen Menschen-Schlag: „Die Menschen hier sind sehr offen, bodenständig, sie sind nicht hinterhältig oder gehässig.“

    Und auch die Sprache mag sie, die La Signora spricht. Ohne den Pott-Dialekt bis auf die Spitze zu treiben. Carmela de Feo: „Ich sage so Wörter wie: Schrubben. Weil man dat hier so sagt und es so schön bodenständig klingt: Schrubben.“ Sonst beschreibt sie lieber, als es genau zu benennen, besonders wenn es ans Eingemachte geht. „Untere Bastion“, zum Beispiel. „Da weiß doch jeder, was ich meine.“ Und schon ist das Eis gebrochen.

    Viel Eis hat La Signora auf Zollverein nicht verkauft, wie in unserem Video zu sehen ist. Aber das ist kein Grund, traurig zu sein. Dafür wurden Tränen gelacht.