Bochum. . Der Sänger der Simple Minds denkt einmal laut über seine Karriere nach – und verrät, wie der mit den Rückschlägen in seinem Leben umgegangen ist. Zurzeit ist die Band mit einem „Greatest Hits“-Programm unterwegs und spielt beim Zeltfestival Ruhr.

In den 80er-Jahren lagen U2 und die Simple Minds in punkto Popularität gleichauf. Doch während die Iren ihren Ruhm fast ununterbrochen mehrten, lief es für die Schotten nicht ganz so glatt. Heute jedoch stehen die Simple Minds („Don’t You“, „Belfast Child“) so gut da wie seit den 80ern nicht mehr, gerade haben sie ihrem „Greatest Hits“-Album noch ein „Greatest Hits live“ hinterhergeschickt, aufgenommen vor 17 000 Fans in der Londoner O2-Arena. Nun spielen sie auch beim Zeltfestival Ruhr. Und Sänger Jim Kerr (55) sprach mit uns über Vergangenheit, Zukunft und den Umgang mit Rückschlägen.

Mr. Kerr, wenn man wie Sie zurzeit mit einem Greatest-Hits-Programm unterwegs ist – wird man da nicht irgendwann nostalgisch?

Jim Kerr: Man richtet schon den Blick zurück. Der Trick dabei ist aber, das Gefühl, das sich in solchen Momenten einstellt, so weit wie möglich zurück in die Gegenwart zu bringen. Und in dieser Hinsicht sind wir gerade in einer sehr interessanten Phase, denn wir haben gerade in dieser Woche die Aufnahmen zu unserem brandneuen Album beendet, während wir noch mit alten Songs unterwegs sind. Deshalb schauen wir zugleich in die Vergangenheit und in die Zukunft. Wir versuchen zwar, den bestmöglichen Eindruck von unserer gesamten musikalischen Laufbahn zu vermitteln, aber wir werden garantiert nicht zu Museumsstücken.

Sind Sie zufrieden mit dem Platz, den Sie heute in der Popwelt einnehmen?

Kerr: Ich sage immer: Wenn man uns im Alter von 18 Jahren erzählt hätte, was die Zukunft für uns bereit hält, was wir erleben würden… Wenn man uns also damals gesagt hätte: Das hier sind die wunderbaren Dinge, die auf euch zukommen, und dies sind die nicht so tollen Dinge, die euch passieren werden. Und wenn man uns dann gefragt hätte, ob wir dieses Leben wollten: Wir wären auf denjenigen zugesprungen und hätten geschrien: „Ja, ja, ja!“

Sie deuten ja schon an, dass es nicht immer gut lief... Wie sind Sie mit den Rückschlägen umgegangen?

Kerr: In erster Linie fühlen wir uns sehr dankbar und hatten nie das Gefühl, dass irgendjemand uns etwas schuldet. Ich denke, diese Philosophie hat uns auch über die Zeiten hinweg geholfen, in denen es nicht so gut gelaufen ist. Wir haben uns sehr privilegiert gefühlt, dass wir unsere Musik spielen und sogar davon leben konnten. Das ist wie ein wahr gewordener Traum. Selbst in den Zeiten, die für uns eher frustrierend und enttäuschend waren, hatten wir immer diese Lebenseinstellung, die uns sagen ließ: Komm schon, was du hast, ist immer noch toll…

Aber Sie hätten sich doch bestimmt gewünscht, dass alles reibungsloser abgelaufen wäre?

Kerr: Nachdem wir etwa 20 Jahre lang zusammengespielt haben, waren wir an dem Punkt angelangt, an dem uns bewusst wurde: Das hier ist nicht einfach ein Beruf, das hier ist unser Leben. Und das Leben ist nicht immer großartig! Niemand hat ein Leben, das von vorne bis hinten immer fantastisch läuft und immer weiter aufwärts, aufwärts, aufwärts geht! Es gibt eben auch mal Perioden, in denen man weniger Energie hat und weniger Ansporn verspürt. Es gibt Zeiten, in denen man seine Zuversicht verliert und in denen schlimme Dinge passieren. Das schlägt sich auch in der Arbeit nieder. Damit muss man umgehen können. Wenn man mich fragt: „Ist das schwierig?“ Dann sage ich: „Ja, es ist schwierig.“

Muss man in solchen Situationen die Ansprüche an sich selbst zurückschrauben?

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Kerr: Man darf da nicht allzu hart mit sich selbst ins Gericht gehen, denn man lernt ja auch aus den Fehlern, die man macht. Und das ist ein wichtiger Punkt dabei. Man muss sich davor hüten, verbittert zu werden. Es gibt nichts Schlimmeres als diese Musiker, die den ganzen Tag herumjammern: Oh, sie spielen meine Songs nicht mehr im Radio, alles Neue, was sie spielen, ist Mist. Ich will wirklich nicht zu einem von denen werden, die ständig rumposaunen: Früher war alles besser. Das ist doch wirklich schrecklich!

Sie haben ja zurzeit auch wieder Oberwasser, nachdem Sie die größte Halle Großbritanniens ausverkauft haben...

Kerr: Ich erzähle jetzt mal was Lustiges über das Konzert in London: Wir haben Samstagnacht dort gespielt vor 17 000 Leuten. Und am Montag danach haben wir eine Session für einen Radiosender in Hamburg gespielt – vor 20 Gästen. Aber wir haben beide Male alles gegeben. Es ist nicht so, dass wir sagen: 17 000 Leute, aaaah! Und 20 Leute, bäh! Diese 20 Leute interessiert nämlich gar nicht, dass wir zwei Tage vorher in der O2-Arena gespielt haben, sondern dass wir jetzt dort vor ihnen spielen. Dieser Tag wird vielleicht der einzige sein, an dem sie uns live sehen werden. Und deshalb muss ich versuchen, jeden Auftritt so gut wie möglich zu machen.

  • Die Simple Minds sind nur einer der Höhepunkte beim diesjährigen Zeltfestival Ruhr (22. August - 7. September). Die schottischen New-Wave-Popper spielen am 4. September in Kemnade. Außerdemsind dort zu Gast: Casper (22.8.), Fettes Brot (23.8.), Sportfreunde Stiller (24.8.), Annett Louisan (25.8.), Tim Bendzko (26.8.), Jamie Cullum (27.8.), Milow (27.8.), Adel Tawil (28.8.), Stoppok (29.8.), Gerburg Jahnke (30.8.), Wise Guys (31.8.), Unheilig (2.9. (ausverk.) & 3.9.). Kartenerhalten Sie in den Ticketshops dieser Zeitung, unter 0201/804-6060 oder unter www.ruhrticket.de