Witten. . Man kennt ihn als DJ ATB: André Tanneberger. Mit seinem Album landete er gerade in den Top 5. Im Interview kurz vorm Abflug nach Australien spricht er von seiner Liebe zum Ruhrgebiet, warum er nie in New York leben könnte und wie er Energie tankt, um nachts durchzumachen.

Heute ist es alles andere als selbstverständlich, dass ein DJ mit einem neuen Album mal eben in die deutschen Top 5 einsteigt und in Polen sogar auf Platz 1 landet. Doch für André Tanneberger alias ATB ist sein neues Album „Contact“ vom Charts-Rang her das erfolgreichste seiner fast 20 Jahre andauernden Musik-Karriere. Wir besuchten den Wittener, der bekannt ist für seinen housigen und trancigen Dancesound in seinem Heimstudio und sprachen mit ihm über lange Partynächte, seine weltweiten Touren und die Partyszene nach der Loveparade-Katastrophe.

Herr Tanneberger, Sie sind ja nicht nur bei uns, sondern auch international erfolgreich. In welchen Ländern mag man Sie besonders?

An den CD-Verkäufen lässt sich heute nur noch schwer sagen, wo man Erfolg hat und wo nicht. Ich fliege jetzt nach Australien und bin auch in Osteuropa sehr oft. In den USA bin ich ständig unterwegs, auch in Südamerika. Ich kann zum Beispiel nach El Salvador fliegen und spiele da vor 2000 Leuten und die singen praktisch alle meine Songs mit, obwohl dort meine CD offiziell gar nicht veröffentlicht ist. Und trotzdem hat sich die Musik irgendwie ihren Weg gesucht. Es ist für mich schon fast leichter zu sagen, wo die Musik nicht stattfindet. In Japan zum Beispiel. Aber da geben wir jetzt Gas.

Sie sind ständig unterwegs. Sind Sie des Reisens noch nicht müde geworden?

Man merkt natürlich schon, wenn man viel „on the road“ ist. Bei mir ist es so: Wenn ich lange unterwegs bin, freue ich mich wieder auf zu Hause. Aber wenn ich lange zu Hause bin oder lange im Studio bin, dann fühle ich auch, dass ich wieder raus will. Dass ich Auftritte machen möchte oder andere Länder wiedersehen möchte. So war ich früher gar nicht. Vor 15 Jahren musste man mich aus dem Studio prügeln.

Sie haben ja die 40 gerade überschritten. Halten Sie ihren nächtlichen Ausdauerjob als DJ noch gut durch?

ATB im Interview

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    Sehr wichtig ist, dass man sich nicht verausgabt. Und ich bin ja jetzt tatsächlich ein bisschen im fortgeschrittenen Alter, da kann ich mit den 20-Jährigen nicht mehr mithalten, die dann wirklich fünf, sechs Gigs die Woche haben. Das halten die aber auch nicht ewig durch. Ich achte darauf, dass ich, nachdem ich drei, vier, fünf Gigs „in a row“ hatte, mal ein paar Tage zu Hause bin, um wieder die Batterie aufzuladen.

    Ist es denn härter geworden, die Nächte durchzuhalten?

    Das ist tatsächlich eine Trainingssache. Und oft ist es eben so, wenn ich weit weg bin wie jetzt bald in Australien, dass dort Nacht ist, wenn bei uns Tag ist. Dann ist es für mich sogar leichter, da in der Nacht zu arbeiten. Natürlich ist man da auch ab und zu mal kurz müde, aber das ist für mich kein Grund zum Jammern, ich mach das ja trotzdem gerne.

    Sie waren vor beinahe vier Jahren bei der Loveparade-Katastrophe dabei, haben sogar einen Song für die Opfer geschrieben. Wie hat sich die Partyszene seitdem verändert?

    Die Partyszene hatte sich eigentlich schon vor der Loveparade-Katastrophe so ein bisschen verändert. Wir hatten ja in Deutschland eine Zeit, in der die Medien sich komplett abgewandt haben von elek­tronischer Musik. Weil es irgendwann mal einen Overflow gab und die Qualität auch ganz stark nach unten gegangen ist. Und ich habe in Deutschland in 20 Jahren immer wieder beobachtet, dass es mit der Musik hoch- und runterging. Das aber von der Loveparade abhängig zu machen, wäre so ein bisschen unfair der Musik gegenüber.

    Inwiefern?

    Die Musik, die Künstler und ihre Aussage, die hatten mit der Katastrophe selbst ja überhaupt nichts zu tun. Und will man jetzt die Musik dafür bestrafen, dass organisatorisch da so katastrophal viel schiefgegangen ist? Man kann nur hoffen und beten, dass so was nie wieder passiert. Und nichtsdestotrotz merke ich, dass die Szene in Deutschland wieder besser wird.

    Sind die Partys in den letzten Jahren aus Ihrer Sicht sicherer?

    Früher wurde überall gefeiert, aber da ist ja nix passiert. Das Problem ist einfach immer: Je mehr Massen sich auf etwas zu bewegen, desto mehr muss man natürlich auch das vernünftig organisiert haben. Das hat man eigentlich schon überall ganz gut im Griff. Ich bin teilweise auch in Ländern unterwegs, wo es viele Vorschriften nicht gibt, da stehe ich auf Bühnen irgendwo in Südamerika, die drei, vier Meter hoch sind und wo noch nicht einmal ein Geländer da ist. Da muss man halt die Augen immer ein bisschen offen halten. Aber auch da ist noch nie etwas passiert. Die Loveparade war nicht einfach nur ein Denkzettel, sondern eine ganz schlimme Katastrophe. Und so was darf einfach nicht passieren.

    Sie wohnen ja nach wie vor in Witten. Ist die Stadt denn eine gute Ausgangsbasis für eine weltweite DJ-Karriere? Oder spielt der Wohnort heute keine Rolle mehr?

    Das ist es genau. Wo man wohnt, sollte man sich einfach wohlfühlen. Und ich fühle mich im Ruhrgebiet einfach wohl. Für mich ist das besonders Bochum/Witten, für mich ist das alles eins. Manche mögen mich dafür steinigen. Aber ich bin eigentlich der gefühlte Bochumer, bin aber auch gerne hier in Witten. Weil das so ein bisschen das Randgebiet vom Ruhrgebiet ist. Das heißt, ich fahre in die eine Richtung und habe Trubel, hab Kultur, hab auch in Bochum das Bermudadreieck. Und ich fahre in die andere Richtung, wo ich schöne Natur habe und auch ein bisschen die Ruhe, die ich brauche.

    Haben Sie nie ans Wegziehen gedacht?

    Ich könnte mir nie vorstellen, in irgendeiner Großstadt zu leben. Berlin ist nichts für mich, Hamburg und München sind schöne Städte, ich möchte da aber nicht leben. Auch L.A. oder New York: Ich brauche das nicht, da zu wohnen. Wenn man die Gelegenheit hat zu reisen, muss man da nicht wohnen. Der Satz: Ich leb jetzt in L.A. klingt schön, aber ob das so schön ist, da zu leben? Ich kann es mir nicht vorstellen. In New York werde ich nach drei Tagen nervös, mir fehlt dann das Grün, mir fehlt die Weite. Nur Betonschluchten und diese Masse an Menschen, das macht mich nervös. Ich muss mich zurückziehen können. Und dazu ist dieser Platz hier perfekt.

    • ATB: Contact (Kontor). Live: ATB under the stars 30. & 31.5. Bochum, Planetarium (jeweils 20 & 22 Uhr)