Oberhausen. Sulaiman Masomi wurde in Kabul geboren und lebt heute in Krefeld. Er vertraut darauf, dass seine verbalen Künste ihre eigene Sprengkraft entwickeln. Mit seinen satirischen Texten wurde er Poetry-Slam-Landesmeister.
„Keine Angst, ich spreche Deutsch“, so lautet einer von Sulaiman Masomis ersten Sätzen, wenn er die Bühne betritt. Und schon hat er einen Lacher geerntet. Der 34-Jährige aus Kabul, der in Krefeld lebt, spielt mit Klischees. Seine Texte sind genauso kaltschnäuzig wie pointiert und brachten ihm erst kürzlich den Titel des Poetry-Slam-Landesmeisters ein, beim Vortrags-Wettstreit in Essen.
Sulaiman Masomi spitzt Stereotype so zu, dass man im Rhythmus seiner Sätze lacht. Bis einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Wie bei seinem Auftritt im Finale der Nationalen Meisterschaften in Bielefeld: „In diesem Raum ist eine Bombe“, sagt er ernst und schweigt. „Glaubt Ihr mir nicht? Ihr wisst gar nicht, wie ernst Eure Lage ist.“ Schweigen. „Schaut mich doch einfach mal an.“ Und dann zeigt Masomi die Sprengkraft seiner Worte . . .
„Ich stelle den Menschen einen Spiegel auf die Bühne“, sagt er später. Wem da beim Hineinschauen nicht wenigstens für ein Sekündchen mulmig zumute war, der darf sich selbst als komplett frei von Islamophobie bezeichnen.
Die Erde hat sich einen schweren Fall von „Menschheit“ eingefangen
Das hat die Züge eines politischen Kabaretts. Dabei spielt Masomi sich nicht nur mit Vorurteilen in den „Migrationsvordergrund“. Es geht ihm meist um „alltägliche Dinge, um witzige Beobachtungen“, die er ironisch, satirisch beleuchtet. Da schickt er auch schon mal, wie neulich beim Auftritt im Ebertbad in Oberhausen, die ganze Erde in die Schule. Die Sonne ist die Lehrerin, die Mitschüler von Pluto, dem Außenseiter, bis Neptun, dem Mitläufer, stellen erschrocken fest, woran die Erde krankt: „Du hast die Menschheit!“
Rund um die Welt reiste Masomi bereits für das Goethe-Institut: Riga, Jerusalem, Kairo . . . An Kabul erinnert er sich nicht mehr. Er war noch zu klein, als seine Familie vor dem Krieg in Afghanistan floh. „Deutschland ist meine Heimat“, sagt er. Und dass er heute als Erwachsener die Vorteile sieht, mit zwei Kulturen aufgewachsen zu sein. Er pickt sich die Werte heraus, die sich für ihn richtig anfühlen: „Ich finde die Rolle der Frau bei den Deutschen viel besser, dass Frauen gleichberechtigt sind. Man soll jetzt nicht denken, dass alle Afghanen frauenfeindlich wären, aber es gibt eben Tendenzen. Auf der anderen Seite finde ich das Familienverhältnis bei den Afghanen besser, das ist viel inniger. Bei den Deutschen behandeln sich manchmal Brüder wie Fremde.“
Redner und Publikum sind ganz nah beieinander
Masomi sagt, was er denkt. Er ist kein Schauspieler, kein geschulter Redner. Beim Sprechen stößt er mit der Zunge an. Doch man hört ihm gerne zu, selbst wenn er nicht ins Publikum schaut, sondern auf die vom vielen Lesen zerknitterten Zettel.
PreisklasseSchon als Grundschüler hat er geschrieben. Fernsehen durfte er nicht. Also textete er und las: Tolkien, Fantasy und „Horror-Sachen. Auch wenn ich nicht alles verstanden habe, habe ich mir alles reingezogen.“ Später beendete er sein Studium der Literaturwissenschaften in Paderborn mit einer Arbeit über Poetry Slam. Ihm gefällt daran, dass die Hierarchie zwischen Redner und Publikum aufgebrochen wird. Die Zuschauer bestimmen, wer in die nächste Runde kommt. Und bei Sulaiman Masomi haben sie das schon oft getan.
- Sulaiman Masomi veröffentlicht Anfang März ein Buch mit Kurzgeschichten: „Ein Kanake sieht rot“, Lektora, 277 S., 12 €