Köln. . Die einzige Jockeyschule Deutschlands unterrichtet seit zehn Jahren in Köln. Nur wenige bringen die Vorraussetzung für diesen Traumberuf mit. Doch nicht jedes Leichtgewicht, das den Weg hoch zu Ross wagt, sitzt bis zum Ende der Ausbildung fest im Sattel.

Manchmal treibt es ihn schon ganz früh hinaus. Wenn der Raureif das Gras unter den Füßen knirschen lässt und der Atem weiße Wölkchen bildet. „Es gibt nichts Schöneres, als die Pferde morgens im Nebel“, sagt Kai Schirmann. Wie oft er sie schon fotografiert hat, weiß der 47-Jährige nicht, aber es sind Bilder, die er nie vergessen wird, weil sie sich auf seiner Netzhaut eingebrannt haben, und weil sie erklären, warum er der geworden ist, der er ist: Geschäftsführer des „Fördervereins zur Jockey Aus- und Weiterbildung“, der einzigen Schule dieser Art in Deutschland.

Die „German Jockey School“ unterrichtet auf der Galopprennbahn in Köln-Weidenpesch. In diesem Jahr wird sie zehn Jahre alt. Schirmann war selbst früher Jockey. Ein Knochenjob: „Die Leute sehen immer nur die Jockeys in den weißen Reiterhosen und den glänzenden Jacken, die auf den tollen Pferden sitzen“, sagt er. „Tatsache ist, dass man morgens um sechs aufsteht und erstmal fünf Pferde reiten muss, dass man, wenn die Familie um den Ostertisch sitzt, ein Rennen in Bremen hat. Statt Weihnachten zu feiern, in Mülheim reitet, und auch Silvester verpasst, weil man da in Dortmund oder in Neuss auf der Bahn ist.“ Ein Beruf, den man nur aus Berufung ergreift, „weil er knüppelhart ist, du reitest bei unter Null Grad, der Eisregen prasselt auf dich nieder, die Hose ist so dünn, dass du irgendwann deine Beine nicht mehr spürst, deine Finger sind steif gefroren und du musst sie immer wieder unter warmes Wasser halten.“

Derzeit gibt es in Deutschland 56 junge Menschen, die eine Ausbildung zum Pferdewirt absolvieren und dabei den Schwerpunkt aufs Rennreiten setzen. Viel ist das nicht. Aus gutem Grund: „Die Menschen in Deutschland werden immer größer und dadurch auch schwerer.“ Gut wären 51 bis 53 Kilo bei einer Größe, die zwischen 1,65 und 1,72 m liegt. Das erklärt, warum 50 der 56 Auszubildenden weiblich sind. Kleine, leichte Männer haben Seltenheitswert.

Nicht alle Bewerber sind reitfähig

Die angehenden Pferdewirte haben eine abgeschlossene Schulausbildung und sind zumeist zwischen 18 und 21 Jahren alt. Kurz vor ihrer Zwischenprüfung in Langenfeld, in der Landesreit- und Fahrschule – die Ausbildung dauert insgesamt drei Jahre – werden alle für fünf Tage nach Köln eingeladen. Das kostet die Lehrlinge nichts, die Kosten trägt der Förderverein, hinter dem, als Hauptsponsor, die Unternehmerfamilie Jacobs steht.

Die richtige Körperhaltung wird auf dem elektrischen Pferd geübt.
Die richtige Körperhaltung wird auf dem elektrischen Pferd geübt. © Thomas Brill

Am Ende dieser fünf Tage erhalten sie eine Urkunde, die ihnen die Reitfähigkeit bescheinigt, sowie eine Beurteilung. Nicht alle fallen gut aus. „Manche haben den perfekten Körperbau, aber es fehlt ihnen an Kraft“, sagt Schirmann, „andere sitzen wie ein Sack Zement auf dem Pferd und bekommen die richtige Haltung nicht hin.“

Gelernt wird in Weidenpesch zwischen Mai und Oktober, jeweils eine Woche lang, montags bis freitags, von 6.30 bis 17 Uhr. Auf dem Plan stehen das Satteln der Pferde, ein bis vier „Lots“ (erst vier Runden im Schritt warm traben, dann vier Runden durch den Wald und eine Runde auf der 2000-Meter-Sandbahn), das Besprechen der gelaufenen Runden anhand von Fotos, die Schirmann macht, Theorie, das Training auf dem elektrischen Pferd, um die Zügel- und Körperhaltung zu üben, das Starten aus der Box, sowie die Pflege der Pferde. Nach jedem Lot müssen die Vollblüter mit den sehnigen Flanken unter die Dusche. „Rennen ist Hardcore“, sagt Schirmann, „und viele vertun sich, was das angeht.“

Aufs richtige Pferd gesetzt haben diese Azubis.
Aufs richtige Pferd gesetzt haben diese Azubis. © Thomas Brill

Die Tierverbundenheit von Mädchen gibt anfangs häufig den Ausschlag: „Aber wenn die sich mal verlieben und einen Freund haben, dann fragt der ,Musst du immer sonntags arbeiten?’ Bei Jungs ist das anders.“ Mehr als 90 Prozent der professionellen Rennreiter in Deutschland sind männlich. Auch Joy-Josefine Fleischmann aus Franken in Bayern weiß das: „Man braucht viel Zeit und viel Kraft, und man darf sich so schnell nicht entmutigen lassen. Hier herrscht ein etwas anderer Ton, manchmal trifft man auch auf ältere Männer, die sagen, ,Frauen haben hier nichts zu suchen.“

Die 23-Jährige ist fest entschlossen, Rennreiterin zu werden: „Wenn alles gut läuft und man’s wirklich gut macht, dann ist das ein Wahnsinnsgefühl. Wie Fliegen.“ Mit 1,63 Metern und 49 Kilo ist sie perfekt in Form. Und um ihre Ausbildung zu machen, hat sie ihr Zuhause gegen ein Zimmer auf dem Gelände des Stalls getauscht, in dem sie arbeitet: „Man hat nicht viele Freunde und auch nicht viel Freizeit.“ Auch der Kölner Florian Pehl ist (19) dabei. Mit 1,60 Meter und 51 Kilo bringt er hervorragende Voraussetzungen mit. Die Arbeitszeiten sieht er entspannt und auch den Einwand seiner Eltern („Mach’ doch lieber was Normales“) hat er entkräften können.

Nur fünf Prozent vom Gewinn bekommt der Jockey

Kai Schirmann macht inzwischen wieder Fotos. Der letzte Lot ist gleich zu Ende. Zu dem, was er weitergibt, gehören auch bittere Wahrheiten. Etwa die, dass man mit Rennreiten nicht zwangsläufig reich wird: „Fünf Prozent vom Gewinn bekommt der Jockey, zehn Prozent der Trainer, ein halbes Prozent der Stall und der Rest geht an den Besitzer.“ Nicht alle der 20 Auserwählten unter den Auszubildenden werden zu den Gewinnern zählen.