Bochum. . In den 70er-Jahren war Roger Hodgson mit seiner Band Supertramp ganz weit oben, dann wurde es lange Zeit still um ihn. Ein Gespräch mit dem Sänger über die Stärke des Glaubens, die Zufriedenheit im Leben und die Kraft der Musik.

Viele Jahre lang ruhte der Name Roger Hodgson in den Archiven der Pophistorie, man hörte keinen Laut vom ehemaligen Sänger von Supertramp. Zwanzig Jahre währte die Bühnenabstinenz, auch weil der Musiker damit beschäftigt war, sich juristisch mit seinen ehemaligen Mitmusikern auseinanderzusetzen. Seit ein paar Jahren aber tourt Hodgson (63) wieder regelmäßig. Er enthält der Welt natürlich nicht seine Millionenseller vor: „Dreamer“, „Logical Song“ oder „It’s Raining Again“ – und klingt besser als in den 70er-Jahren. Wir sprachen mit dem damaligen Superstar über sein spätes Comeback.

Herr Hodgson, Sie haben 1983 Supertramp verlassen, doch vor zehn Jahren gingen die anderen Musiker wieder als Supertramp auf Tour – mit einem anderen Sänger. Was haben Sie dabei empfunden?

Hodgson: Damals hat es mich nur deshalb aufgeregt, weil es gegen alle Absprachen mit Rick Davies geschah. Als ich Rick die Rechte am Namen Supertramp zugestand, hatten wir abgemacht, dass Supertramp allein dazu dienen sollte, seine Musik weiterzuführen. Das war das einzige, was mir weh getan hat, dass er sich nicht an die Absprachen gehalten hat. Aber heute denke ich darüber gar nicht mehr nach. Ich bin glücklich damit, meine Songs zu spielen und dass so viele Menschen ein so wunderbares Verhältnis zu diesen Songs haben. Heute bin ich älter, weiser und glücklicher als damals.

Waren Sie in den 70er-Jahren, in der großen Zeit von Supertramp, unglücklich?

Als alles begann: Supertramp im Jahr 1970 auf Großbritannien-Tour mit Rick Davies, Roger Hodgson, Richard Palmer-James, Robert Millar und Dave Winthrop (v.l.).
Als alles begann: Supertramp im Jahr 1970 auf Großbritannien-Tour mit Rick Davies, Roger Hodgson, Richard Palmer-James, Robert Millar und Dave Winthrop (v.l.). © Getty

Ich denke, ich war damals schon irgendwie glücklich, aber ich war sehr schüchtern und hatte nicht das Selbstvertrauen, das ich heute besitze. Man sollte ja immer weiser und glücklicher werden, je älter man wird. Kinder zu haben, hat übrigens sehr dazu beigetragen. Kinder sind wundervolle Lehrer für uns. Ich habe im Laufe der Jahre eine Menge über mich selbst und über das Leben gelernt. Und nachdem ich zwanzig Jahre vom Tourleben pausiert habe, stellte ich bei meiner Rückkehr auf die Bühne fest, dass ich heute viel mehr zu geben habe, weil ich viel mehr inneren Frieden verspüre.

Dabei sah es in den 80er-Jahren so aus, als würden sie zumindest nie wieder ein Instrument spielen können . . .

Für mich kam ein lebensverändernder Moment, als ich mir beide Handgelenke brach. Bei vielen Menschen kommen vielleicht große Veränderungen in ihrem Leben, wenn sie an Krebs oder ähnlichen schweren Leiden erkranken. Für mich war es, als die Ärzte mir damals sagten: Sie werden niemals wieder Musik spielen können. Monate­lang, während meine Arme in Gips waren, wusste ich nicht, ob sie recht hatten oder was werden sollte.

Aber Sie hätten doch noch weiter singen können?

Aber das wäre ja nicht dasselbe gewesen. Ich dachte: Ich werde wohl nie wieder Musik spielen können. Am Anfang war ich deshalb sehr deprimiert, weil die Musik so ein großer Bestandteil meines Lebens war. Aber dann, eines Tages, sagte ich mir: Ich werde nicht akzeptieren, was die Ärzte sagen. Ich hatte immer eine große spirituelle Stärke in meinem Leben und ich sprach zu Gott, ich schrie ihn an, ich betete sehr viel. Im Grunde sagte ich zu ihm: Hör mal, wenn ich niemals wieder Musik spielen kann, dann hol mich hier ab, dann bin ich mit meinem Leben am Ende. Und ich denke, diese Leidenschaft und dieser Entschluss brachten mir meine Handgelenke zurück – natürlich neben einer unglaublichen Menge Physiotherapie und einer Menge Arbeit und Entschlossenheit, die ich mir abverlangte.

Jedes Konzert könnte das letzte sein

Wie lange hat die Heilung gedauert?

Ich brauchte eineinhalb Jahre, bevor ich wieder Klavier spielen konnte. Mit der Gitarre ging das ein klein wenig schneller.

Immer noch besser, als sich einfach aufzugeben, oder?

Es hat mir gezeigt, dass man im Leben niemals für selbstverständlich nehmen sollte, was einem geschenkt wurde. Deshalb spiele ich auch jedes Konzert möglichst so, als wäre es das letzte.

Wie sehr hat Ihr Glauben Ihnen durch diese harte Zeit geholfen?

Es hat mir unglaublich viel geholfen, so wie er mir durch alles hilft. Ich gehöre keiner speziellen Religion an, aber ich glaube an eine höhere Macht. Und es gibt eine höhere Bestimmung im Leben. Daran liegt es, dass es mir so wichtig ist, zu dienen und anderen Menschen etwas zurückzugeben. Zufällig habe ich einen Song darüber geschrieben: „Give A Little Bit“. Ich weiß, für mich, dass das Geheimnis des Glücks nicht darin liegt, steinreich zu werden und viele tolle Häuser zu besitzen. Das ist nicht der Weg zum Glück. Es ist vielmehr, den Menschen etwas zu geben und das zu lieben, was man tut. Ich fühle mich gesegnet, dass ich tun kann, was ich liebe, dass ich nämlich Musik spielen kann. Und so kann ich der Welt etwas zurückgeben.

Muskelmänner fangen an zu weinen

20 Jahre abseits der Bühne: Hat sich die Musikindustrie nicht in dieser Zeit grundlegend verändert?

Die Musikindustrie hat sich ganz schön verändert, aber ich kümmere mich nicht weiter darum. Für mich ist Musik eher eine Möglichkeit, eine Verbindung zu Menschen herzustellen. Meine Songs sind meinem Herzen und meiner Lebenserfahrung entsprungen. Und meiner Freude, meinem Schmerz, meinen Fragen und meiner Leidenschaft. Als Künstler geht es mir eher darum, auszudrücken, was in meinem Herzen vorgeht. Und das hat bei vielen Menschen überall auf der Welt eine Menge ausgelöst, weil sie ganz ähnlich gefühlt haben. Künstler sollten im wahrsten Sinne Stimmen der Menschen sein, egal ob wir nun über unsere Schmerzen singen oder über den Zustand des Planeten, darauf kommt es nicht an. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es mir gelungen ist, mit meinen Songs die Menschen zu berühren. Ich kann den Menschen zumindest für zwei Stunden helfen, ihren Problemen zu entkommen, sie aufzuheitern und mit Hoffnung und Freude erfüllen.

Ihre Songs bedeuten den Menschen also noch immer sehr viel?

Ich weiß nicht, warum das so ist, aber Musik hält unsere Erinnerungen wach. Musik und… Geruch. (lacht). Sie berührt uns im Herzen, durch die Barrieren und Hindernisse unseres Lebens hindurch. Was die Musik zu einem wahren Heilmittel macht? Dass sie den Menschen dabei hilft, ihr Herz wieder zu spüren. Es ist jedes Mal ein Wunder. Man spielt einen Song, vor einem sitzt ein echter Muskelmann und er beginnt zu weinen.

  • Roger Hodgson tritt am 29. August beim Zeltfestival Ruhr in Bochum auf. Neben dem ehemaligen Sänger von Supertramp kommen wieder eine Menge anderer Stars.
  • So spielen am Ufer des Kemnader Sees Joe Cocker (18.8.), Frida Gold (17.8.), die Fantastischen Vier unplugged (21.8.), The Gaslight Anthem (20.8.), Bosse (18.8.), Cro (19.8.), Deichkind (1.9.), die Söhne Mannheims (16.8.), Silbermond (22. & 23.8.) sowie Selig (20.8.).
  • Karten erhalten Sie in den Leserläden unserer Zeitung (www.derwesten.de/vvk), bei der Hotline 0201/804-6060 und unter www.ruhrticket.de