Paris. . Der ehemalige französische Kinderstar („Joe le Taxi“) hat 20 Liebeslieder gesungen für ihr neues Album „Love Songs“. Wie funktioniert das, wenn die eigene Beziehung mit Schauspieler Johnny Depp nach 14 Jahren in die Brüche geht?

Ein Montag, ein warmer Tag in Paris. Am frühen Abend sind wir im Park Hyatt Hotel am Place Vendôme mit Vanessa Paradis, 40, verabredet. Am selben Tag steht in den Gazetten, dass ihr Ex-Partner Johnny Depp seine Beziehung zu Schauspielkollegin Amber Heard wieder aufgenommen hat. Man würde gern wissen, was Vanessa darüber denkt. Doch Fragen zu ihrem Privatleben möchte Paradis nicht beantworten. Seit der Trennung vor zwei Jahren schweigen beide zu dem Thema. Vanessa und Johnny waren 14 Jahre lang ohne Trauschein liiert, ihre Kinder Lily Rose und Jack sind 14 und 11 Jahre alt.

Anlass des Interviews ist ihr neues Album „Love Songs“. Es besteht aus 20 Liedern, davon acht von Benjamin Biolay. Ungeschminkt begrüßt sie ihre Gesprächspartner mit festem Händedruck. Sie trägt eine graue Jeans von Acne, einen schlichten beigen Sweater von Uniqlo und in der rechten Hand eine selbst gedrehte Zigarette, die ihr immer wieder ausgeht.

Kann man in 20 Songs erklären, wie die Liebe funktioniert?

Vanessa Paradis: Vielleicht kann man die Liebe überhaupt nicht erklären. Meine Überzeugung ist: Man muss nicht alles analysieren. Manche Dinge lässt man lieber unerklärt und einfach für sich stehen.

Was fällt Ihnen zum Thema Liebe ein?

In der Liebe gibt es kein Richtig und kein Falsch. In einer Beziehung haben immer beide recht, denn beide interpretieren die Dinge aus ihrer persönlichen Perspektive. Egal, ob einem das passt oder nicht, ob man das positiv oder negativ findet.Liebe bedeutet Freiheit, und in Freiheit ist alles erlaubt. Die Liebe lässt sich nicht einsperren. Jedem bedeutet die Liebe oder eine bestimmte Liebesbeziehung etwas anderes. Und man kann niemandem vorschreiben, aus welchem Blickwinkel er die Liebe zu betrachten hat.

Was haben Sie ganz konkret über die Liebe herausgefunden, während Sie am „Love Songs“-Album gearbeitet haben?

Dass sich Dinge verändern können. Dass die Liebe nicht notwendigerweise bleibt, wie sie ist. Weil sich die Welt um dich verändert, weil du dich veränderst, weil alle sich verändern.

Ich tanze unheimlich gerne, besonders wenn ich glücklich bin

Und Veränderungen sind gut?

(zögert): Ja, alles in allem sind sie das.

Im Video tanzen Sie wild. Gehen Sie auch im echten Leben gern tanzen?

Ich tanze unheimlich gerne, besonders wenn ich glücklich bin und mich wohl fühle. Tanzen ist ein tolles Ausdrucksmittel.

Ist Tanzen ein gutes Mittel, um sich den Liebeskummer aus dem Leib zu schütteln?

Oh ja, davon bin ich überzeugt. Wenn du tanzt, kannst du alles ausdrücken und auch los werden: Dein Glück, deine Begierde, deine Traurigkeit, auch deinen Ärger und deine Wut. Wenn ich tanze, dann ist das für mich so ähnlich wie auf einen Sandsack einzuschlagen – ich kann alles rauslassen. Und mich unheimlich lebendig fühlen.

Die Songschreiber haben Ihnen einen Reigen komponiert – die Liebe existiert auf „Love Songs“ in allen möglichen Schattierungen, sie ist harmonisch, dramatisch, unerwidert, kaputt, leidenschaftlich. War die Arbeit an dieser Platte für Sie wie eine Therapie?

(überlegt): Ich bin mir nicht sicher. Natürlich, all diese Geschichten führen dazu, dass du über dein eigenes Liebesleben nachdenkst, das schon. Du wirst dir bewusst, dass Liebe nie stillsteht, dass sie nicht vorhersehbar ist. Die Liebe atmet, sie bewegt sich.

Gibt es für Sie ein Fazit?

Die Liebe ist kein Märchen.

Benjamin Biolay hat acht der 20 Lieder geschrieben. Hat er den Startschuss für das Projekt gegeben?

Nein, ich hatte schon einige Songs vorliegen, er hat aber alles produziert und die ganze Platte zum Leben erweckt, er wohnte mit mir quasi im selben Musikprojekt zusammen.

War das eine spezielle Chemie zwischen Benjamin und Ihnen? Bei solchen delikaten Themen wie der Liebe muss man sich ja bestimmt sehr vertrauen.

Na klar. Benjamin ist ein unglaublich talentierter und liebenswerter Mann, es war toll mit ihm. Wir waren beide sehr leidenschaftlich und merkten schnell, dass es genau die richtige Verbindung ist. Es kam bei mir auch schon vor, dass ich mit Topleuten arbeitete, die sich dann nicht als besonders gute Menschen entpuppten, aber mit Benjamin fühlte ich mich in dieser intimen Umgebung im Studio sehr wohl.

Diese Aufnahme ist etwas Bleibendes, etwas Unvergängliches

Und dann ist da der Song „New Year“, dessen Musik Sie zusammen mit Ihrer Tochter Lily-Rose und Ihrem Ex-Partner Johnny Depp geschrieben haben. Ist „New Year“ daheim im Wohnzimmer entstanden?

Ja, aber schon vor langer Zeit. Johnny hatte den Refrain geschrieben, und eines Tages, als unsere Tochter noch kleiner war, sang sie einfach eine Melodie auf Johnnys Musik. So entstand das Lied, das wir damals auch aufgenommen hatten. Ich behielt die Aufnahmen, die ich wirklich wunderschön fand, und beschloss, sie nun zu einem kompletten Song auszubauen. Das Lied entstand total natürlich. Es war nicht so, dass ich meiner Tochter gesagt hätte „Komm, schreib doch auch mal was“, nein, es geschah einfach.

Ist es etwas Besonderes, fast die gesamte Familie in diesem Lied zu vereinen?

Oh ja. Das ist sehr wertvoll. Wahrscheinlich ist es nichts Außergewöhnliches, wenn eine Familie zusammen musiziert, aber für mich ist dieser Song jetzt wie ein Schatz. Diese Aufnahme ist etwas Bleibendes, etwas Unvergängliches. Das finde ich unendlich schön und sehr, sehr kostbar.

Das Erfolgsgeheimnis einer Liebe habe auch ich noch nicht ergründet

Ihre Tochter ist jetzt im selben Alter, in dem Sie waren, als der Hit „Joe le Taxi“ rauskam. Denken Sie darüber nach?

Na klar, jeden Tag, denn jeden Tag werde ich mindestens einmal in einem Interview danach gefragt (lacht). Und klar, es ist interessant und ein bisschen komisch. Damals war ich das Kind, heute bin ich die Mama.

Können Sie den frühen Erfolg im Nachhinein erklären?

Nein. Mir hat der Song gefallen, den Leuten hat „Joe le Taxi“ gefallen, der Erfolg war gigantisch, womit niemand gerechnet hätte. Ich meine, der Song basierte auf einem Rumba, das war auch damals eine Nummer, die nicht kommerziell klang, die nicht als Hit konzipiert war und die dadurch wohl herausstach in den späten Achtzigern.

Ist der Erfolg eines Songs genauso wenig vorherzusagen wie der Erfolg einer Liebesbeziehung?

Puh. Ich weiß nicht, ob ich das beantworten kann, ohne mir in einem Satz dreimal selbst zu widersprechen. Das Erfolgsgeheimnis einer Liebe habe auch ich noch nicht ergründet, und es ist ja auch immer unterschiedlich und von der jeweiligen Konstellation der Beteiligten abhängig. Ich muss dieses Thema zurückstellen. Wenn wir das wirklich besprechen wollen, dann brauchen wir dazu einen ganzen Abend (lacht).

  • Vanessa Paradis: Love Songs (Barclay/ Universal)