Kapstadt. . Von Argentinien über Alaska und Asien bis nach Afrika. Vor 13 Jahren hatte das argentinische Ehepaar Zapp einen Traum und fuhr mit einem Oldtimer in Richtung Alaska. Mittlerweile haben die Zapps 250000 Kilometer hinter sich gebracht und unterwegs vier Kinder bekommen.

Wir treffen uns in einem Apartmentblock in Kapstadt. Schon komisch für die Zapp-Familie. Denn ihr Zuhause ist ihr Auto. Seit 13 Jahren reisen die Argentinier darin um die Welt. Anfangs waren es nur Calendaria und Herman, verliebte Eheleute, die ihren Traum wahr machen wollten. Heute sind sie zu sechst. Denn auf seinem Weg rund um den Erdball hat das Paar vier Kinder bekommen – jedes auf einem anderen Kontinent.

Eltern, deren Nachwuchs in einem Zelt auf dem Autodach schläft? Erwachsene, die ihren Beruf an den Nagel hängen, ihre komfortable Bleibe aufgeben, Verwandte und Freunde zurücklassen für eine Tour durch Wüsten, Regenwälder und Hochgebirge? Kinder, deren Spielzimmer der Rücksitz eines klapprigen Oldtimers aus dem Jahr 1928 ist? Eine Familie, die lieber bei anderen Familien übernachtet, als im Hotel? Sind die noch zu retten?

Herman begrüßt mich mit einer Umarmung. ,,Komm rein, wir haben wieder Glück, ein Fan, der von uns gelesen hat, hat uns seine Wohnung überlassen.” Seine Stimme ist tief. Wenn er spricht, rollt er das R. ,,Die Kinder lernen gerade mit meiner Frau, ich schnippel nur noch schnell die Tomaten.” Auf dem Fußboden liegen Legosteine und Stifte, ein hochgewachsener Junge reicht mir die Hand. ,,Ich bin Pampa. Schön, dich kennenzulernen!” Während ich mich noch sortiere, reicht Paloma (6) mir ein Stück Papier, darauf zu sehen: Ein Mädchen mit Flügeln und Herzen. ,,Habe ich für Dich gemalt.” Die Zapp-Welt, ich reibe mir die Augen: Soll es wirklich so einfach sein?

Der schwerste Tag war der erste

Vieles ist nicht so kompliziert, wie es andere einem einreden wollen, sagt Calendaria später. Die drahtige Südamerikanerin, die lieber ,,Cande” genannt werden möchte, gerät ins Schwärmen, wenn sie von ihrem Aufbruch erzählt. ,,Alle haben uns für verrückt erklärt. Eltern, Freunde, Kollegen… Dass wir unser bequemes Leben aufgeben wollten für eine Gleichung voller Unbekannten?” Sie sind trotzdem gefahren, vor mehr als einem Jahrzehnt, haben ihre Jobs als Krankenschwester und IT-Fachmann gekündigt, ihr Haus verkauft, ihr Erspartes zusammengeklaubt – und auf ging’s Richtung Norden. ,,Der schwerste Tag unserer Reise war der erste”, sagt Cande noch heute. ,,Aber nichts ist so stark wie ein gemeinsamer Traum.”

Umkehren wäre Aufgeben

Dass Traum und Wirklichkeit manchmal auseinander klaffen, mussten sie schon nach zwei Monaten erfahren. ,,Wir schliefen auf dem Boden, es gab keine Toiletten, kein warmes Wasser zum Duschen – wir hatten schreckliches Heimweh.” Umkehren wäre Aufgeben, habe Herman damals gesagt. Also fuhren sie weiter. In sechs Monaten von Argentinien bis nach Alaska, so lautete der Plan – und dann zurück nach Hause und Kinder kriegen. Doch das ging nicht auf. ,,Nach vier Monaten waren wir erst in Ecuador – und als unser Erspartes aufgebraucht war, waren wir nicht mal in den USA.” Wieder Niedergeschlagenheit. Was machen wir ohne Geld? Wir verdienen es, beschloss das Paar. Cande begann zu malen, Zeichnungen von Vögeln. ,,Ich dachte, das wird mir nie jemand abkaufen – aber die Leute haben die Bilder gekauft.” Ein Mann, bei dem sie Unterkunft fanden, schlug vor, Postkarten zu drucken. ,,Eine geniale Idee, wir druckten Postkarten mit einem Bild von uns und einer Weltkarte auf der Rückseite. Wer sich kein Bild leisten konnte, kaufte eine Postkarte. Wir haben den Leuten gesagt, wenn ihr uns helfen wollt, kauft eine Karte, davon können wir einen Liter Benzin bezahlen.” Als immer mehr Leute ihre Geschichte hören wollten, fing das Paar an zu schreiben. Erst in Notizbücher, später in gedruckter Buchform und im Internet. Heute lebt die Familie von den Erlösen ihres Bestsellers.

Unterwegs im Oldtimer von 1928
Unterwegs im Oldtimer von 1928

Gerade in der ersten Zeit habe sie sehr viel gelernt, sagt Cande. Über andere Menschen: ,,Vor unserer Abreise haben uns die meisten gewarnt: Passt bloß auf, die Menschen sind gefährlich, man wird euch etwas antun. Aber die Menschen waren bisher das beste an der Reise. Wenn das Auto kaputt war, wenn wir einen Schlafplatz brauchten, immer war jemand zur Stelle. Wir haben viel Freundlichkeit erfahren.” Cande lernte auch über sich selbst: ,,Ich hätte nicht gedacht, zu was ich fähig bin. Ich dachte nicht, dass ich einfach malen kann oder einen Motor reparieren.”

Als Cande und Herman nach zwei Jahren Alaska erreicht hatten, war klar, dass sie weiter machen mussten. Mit Reisen. Und mit Kindern. Wieder so eine Sache, bei der andere es besser wussten. ,,Wenn ihr Kinder wollt, müsst ihr heim kommen”, sagten Familie und Freunde. Aber warum? ,,Viele Leute meinen, unsere Kinder verbringen ihre Leben im Auto. Aber wir fahren nicht lange pro Tag. Kinder, die ständig zur Schule und zum Sport gefahren werden, verbringen mehr Zeit im Auto”, sagt Cande. Die Zeit im Auto sei ,,Familienzeit. Da singen wir, wir lernen und spielen. Die Kinder haben ihr Spielzeug in Schubladen unter dem Rücksitz.” Wie ist es für dich, Pampa, dein Kinderzimmer auf dem Rücksitz? ,,Ich finde es super im Auto, das ist mein Zuhause – sonst bin ich draußen und erlebe Abenteuer.”

Unterricht bei Mama

Wenn Pampa (10) nicht gerade zur Schule geht – bei Mama, genau wie sein Bruder Tehue (8) und seine Schwester Paloma (6). Auch ein Moment des Zweifelns sei das gewesen, gesteht Mama Cande, ,,ob unsere Idee mit dem Reisen richtig ist”. Denn dass die Kinder lernen müssen, steht für das Paar außer Frage. ,,Ich habe mich dann im Internet über das argentinische Schulsystem informiert – und festgestellt, dass es fantastisches Material gibt für Eltern, die ihre Kinder nicht regulär beschulen können.” Cande lernte also lehren. ,,Ich versuche, das Lernen dem Reisen anzupassen. Wenn wir am Strand sind, ist der Sand die Tafel. In Korea haben wir eine Gongfabrik besucht. Bei der NASA haben wir den Start eines Space Shuttles miterlebt. Das habe ich in den Unterricht integriert.”

Aber gab es denn nie diesen Moment, wo ihr dachtet: Jetzt geht es nicht mehr? ,,Was meinst Du?“, fragt Cande zurück. Krankheiten? ,,Es war noch nie jemand ernsthaft krank.“ Streit? ,,Bisher haben wir uns immer wieder vertragen.“ Und wenn die Visa nicht rechtzeitig kamen? ,,Haben wir eben gewartet.“ Und das Heimweh nach Opa und Oma, den Geschwistern, den Eltern? ,,Ja, das kennen wir. Aber zum Glück gibt es Skype.“

Mit der Reise kam ein Rhythmus

In 13 Jahren ist die Familie Zapp 250 000 Kilometer gereist, sie durchquerte beide amerikanische Kontinente, Australien und Asien und macht nun den ersten Stopp in Afrika. Mit der Reise kamen ein Rhythmus und eine Philosophie: ,,Wir bleiben länger, wo es uns gefällt. Wir fahren weiter, wenn es sich richtig anfühlt. Wir sind keine Touristen. Wir müssen nicht zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein.” Dass Kinder und Reisen sich ausschließen, über das Vorurteil können die Zapps nur lachen. ,,Wir müssen unsere Kinder nicht tagsüber betreuen lassen und abends gehetzt von der Arbeit kommen.”

Inzwischen ist es Nachmittag geworden, wir sitzen um den geliehenen Tisch in der geliehenen Wohnung und essen Toast und Salat. Als gäbe es nichts Wichtigeres. Als sei die Zeit stehen geblieben. Irgendwann, ja, da wollen die Zapps zurück nach Argentinien, ,,nach Hause”, nennt es Cande. Wann das sein wird? ,,Mal sehen.”