Herne. . Dem Komiker Martin Fromme fehlt seit seiner Geburt ein halber Arm. Darüber hat er nun ein satirisches Buch geschrieben: „Besser Arm ab, als arm dran“.

Martin Fromme ist ein Tausendsassa: Seit 25 Jahren ist er eine Hälfte des Wanne-Eickler Stand-up-Duos Der Telök, im TV-Format „Para Comedy“ verulkte er Passanten mit versteckter Kamera, hatte einen Gastauftritt bei „Stromberg“ und moderiert seit einem Jahr den Behinderten-Talk „Selbstbestimmt“ auf mdr. Jetzt hat Fromme, dem von Geburt an der linke Unterarm fehlt, ein Buch geschrieben: „Besser Arm ab, als arm dran“ ist ein bissig-satirischer Behinderten-Ratgeber und alles andere als lammfromm. Im Interview spricht er über Political Correctness, geschockte Zuschauer und Normalität.

Wenn ich jetzt frage, ob Sie Rechts- oder Linkshänder sind – finden Sie das dann lustig?

Fromme: (lacht) Genaugenommen kann ich mit beiden Armen irgendwas unternehmen. Das ist keine Frage, die mich irgendwie nerven würde oder so. Übrigens: Wir können uns auch duzen.

Bekloppt, wenn man erst die richtigen Wörter suchen will

Klar, gern. Wie wichtig sind politisch korrekte Begriffe im Umgang mit Behinderten?

Absolut bekloppt, wenn man immer erst die richtigen Wörter suchen will. Natürlich soll keiner Krüppel oder Spasti sagen. Aber wer jetzt auf bestimmten Termini wie ,Mensch mit Handycap‘ oder so rumreitet, der sieht ja nicht den Menschen, sondern nur die Behinderung. Wer darauf besteht, bitte sehr, der soll sich irgendwie ‘ne Eins in sein Fleißheftchen eintragen. Für mich ist das nicht wichtig.

Du bist in diesem Jahr 50 geworden – siehst aber nicht so aus. Machst Du Sport?

Ich sah irgendwie immer schon jünger aus als ich war. Mit Mitte 20 haben mich die Leute noch nach dem Ausweis gefragt, wenn ich in einen Film ab 18 wollte. Bis vor fünf Jahren hab ich aber tatsächlich sehr aktiv Badminton gespielt.

Aber nicht im Behinderten-Sportverein nehm ich an?

Ne! Behindert, das gab’s für mich nicht. Auch dank meiner Eltern. Ich sollte als Kind eigentlich in eine Contergan-Klasse. Da haben meine Eltern gesagt: Ne, nix da. So bin ich dann auf eine ganz normale Grundschule und ein ganz normales Gymnasium gekommen.

Die Leute sind da häufig verkrampft

Hattest Du denn mal das Gefühl, dass es für Dich schwieriger ist, Frauen kennenzulernen als für Männer mit zwei kompletten Armen?

Bei meinem Aussehen, ich bitte Dich! Ne, im Ernst, da hatte ich nie ein Problem mit, weder in der Schule noch sonst wo. Ich bin verheiratet, hab das, was man heute Inklusion nennt, immer gelebt.

Aber die Leute auf der Straße gucken manchmal, oder?

Ja, die Neugier der Leute ist natürlich da. Wenn ich durch die Straßen geh, ist das manchmal so, als würd ich mit ‘nem Hitlerbärtchen rumlaufen. Dieser halbe Arm ist einfach ‘ne Sensation, weil in der Gesellschaft die Natürlichkeit im Umgang mit Behinderungen fehlt. Die Leute sind da häufig verkrampft.

Wobei Du damit ja auch spielst. Ist Dein fehlender Arm in gewisser Weise Dein Kapital als Komiker?

(überlegt) Hm, klar, es ist halt mein Alleinstellungsmerkmal. Es ist ein Humormittel gewesen, das ich eingesetzt habe wie Mike Krüger seine große Nase oder Marty Feldman seine Glubschaugen. Aber auf der Bühne, sei es mit Der Telök oder solo, reduziert sich das auf fünf Prozent der gesamten Show.

Bei einer Nummer läufst Du hysterisch auf die Bühne und suchst Deinen „verloren gegangenen“ Arm. Bei Harald Schmidt ging das nach hinten los.

Ja, das hat da nicht funktioniert. Die Zuschauer waren total geschockt, erstmal hat keiner gelacht. Die Menschen im Studio waren nicht vorbereitet, dass ein Behinderter kommt, und wussten nicht, ob sie lachen dürfen. Man muss ihnen erlauben, zu lachen, das dauert ‘ne gewisse Zeit. Im Nachgang war mir das eine Lehre. Ich wollte zu viel und die Redaktion wollte zu viel.

Das Bild von Behinderten in den Medien ist: Held oder Opfer

Warum sehen wir eigentlich so wenige behinderte Menschen im deutschen Fernsehen?

Das musst Du die Verantwortlichen fragen. Mal als Beispiel: Vor einem halben Jahr gab es diesen ARD-Spielfilm „Inklusion“ über Behinderte. Da waren keine behinderten Schauspieler zu sehen. Begründung: zu zeitaufwendig und zu teuer. Das muss man sich mal vorstellen. Inklusion kostet Zeit und Geld und wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender einen Spielfilm darüber dreht, dann hat der auch die Verpflichtung, behinderte Akteure zu suchen. Wo sind behinderte Menschen in Spielfilmen zu sehen? Nirgendwo.

Bobby Bredelow, der Trisomie 21 hat, sieht man jedoch ab und an.

Stimmt, aber der spiegelt auch nur eine Facette. Häufig sind dessen Rollen auf lieb und nett geschrieben. Aber unter Behinderten gibt’s genauso Arschgeigen wie unter Nicht-Behinderten. Es gibt behinderte Verbrecher, Pornodarsteller und es gibt einfach auch totale Vollidioten. Das Bild von Behinderten in den Medien ist ja immer: Held oder Opfer. Da schwingt dann Mitleid oder Bewunderung mit für ganz normale Dinge. Da heißt es dann: Oh toll, der Behinderte geht einkaufen. Oder ins Kino. Das wird dann mit besonderer Lebensfreude gleichgesetzt, obwohl es ganz normal ist.

Ist das Ziel Deines Buchs, mit diesem Bild endlich aufzuräumen?

Es gibt in Deutschland über sieben Millionen behinderte Menschen aber keine satirische Literatur über dieses Thema. Mein Buch ist das erste. Ziel ist erstmal, sehr gut zu unterhalten. Die Leser sollen lachen. Aber dahinter will ich die Ernsthaftigkeit auch nicht verlieren. Ich hinterfrage da bestimmte Themen humoristisch, überspitze das auch, damit der Leser sich selbst hinterfragt. Zum Beispiel: Dürfen Behinderte Sex haben? Das provoziert dann auch.

Provoziert hast Du auch mit der Rolle des fiesen Gernot in einer „Stromberg“-Folge. Folgt bald eine Schauspielkarriere?

Ich hab ja 25 Jahre Bühnenerfahrung und würde das zumindest mal so andenken, warum eigentlich nicht. Also Leute, immer her mit den Angeboten – ablehnen kann ich ja dann immer noch.