Essen. Wir glauben, viel über den historischen Christus zu wissen. Aber in der Bibel stecken Widersprüche. Etwa hier: Wann wurde Jesus wirklich geboren?
„Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein“, so singen viele gläubige Christenmenschen auch an diesem Heiligabend. Und wer sich ein wenig in der Bibel auskennt, hat sich vermutlich schon einmal gefragt: Warum eigentlich Bethlehem? Oder: Jesus, kam der nicht aus Nazareth?
Natürlich gibt das Lukasevangelium Auskunft, dass Maria und Josef nach Bethlehem reisen mussten, weil der Kaiser Augustus das Volk zählen ließ – und Josef aus dem Geschlecht Davids stammte. Schon hier beginnen die Ungereimtheiten um die Geburt und das Leben Jesu. Aus zweierlei Gründen. Zum einen ist die Faktenlage außerhalb der Evangelien schütter, denn neben der Bibel fanden Christus und seine Anhänger so gut wie keine Beachtung. Zum anderen: Die Evangelisten, der früheste von ihnen war wohl Markus, haben nicht vor 70 n. Chr. mit der Niederschrift des Geschehens begonnen. Und in sieben Jahrzehnten, da kann sich ja mal das ein oder andere Detail verwischen.
Herodes starb schon 4 v. Chr.
Werfen wir also einen Blick auf den Geburtstag Jesu. Als historischer Anhaltspunkt gelten die Lebensdaten des von den römischen Besatzern eingesetzten Königs Herodes. Der ist aber bereits im Jahre 4 v. Chr. gestorben. „Wenn die Geschichte von der Tötung der Erstgeborenen wahr sein sollte, dann muss man davon ausgehen, dass Jesus mindestens 4 v. Chr. geboren worden ist. Man geht heute sogar eher davon aus, dass es 6 bis 8 v. Chr. gewesen ist“, sagt Meret Strothmann, Historikerin für Alte Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Damit, so könnte man nun spitz mutmaßen, hätte Christus das seltene Kunststück vollbracht, ein paar Jahre vor der eigenen Zeitrechnung geboren worden zu sein.
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Auch der Ort, also Bethlehem, scheint nicht besagter Volkszählung geschuldet zu sein. Zum Zeitpunkt von Christi Geburt gab es zwar regelmäßig Volkszählungen, um die Steuerlast für die Bevölkerung festzusetzen. Doch vermerkten die Römer nur eine Volkszählung für das Jahr 6 n. Chr. Und die wurde nicht am Heimatort durchgeführt, sondern am Wohnort der zu Zählenden. Josef hätte also nicht aus dem Dörfchen Nazareth mit der hochschwangeren Maria ins über 150 Kilometer entfernte Bethlehem reisen müssen, nur um sich zählen zu lassen.
Allerdings steht im Alten Testament zu lesen, dass der Erlöser aus der „Stadt Davids“ kommen würde – und so wurde vermutlich der Lebenslauf im Sinne der Prophezeiung gebeugt.
Kein Militärdienst am Sabbat
Die Welt, in die Jesus geboren wurde, war an Reibungspunkten nicht arm: Seit mehr als 60 Jahren waren die Römer als Besatzungsmacht im Land. Und während einige Juden sich sehr wohl mit der fremden Macht arrangiert hatten, blieben andere in Opposition. „Die Stellung der Juden zu den Römern war eine sehr gespannte, sie haben aufeinander gelauert – und sind sich dann aber auch mit Respekt aus dem Weg gegangen. Es war so, dass die Römer den Juden eine Reihe von Privilegien eingeräumt hatten.
So mussten die Juden am Sabbat keinen Militärdienst leisten und durften den Opferfeiern fernbleiben, schon weil Schweine dargebracht wurden“, so Meret Strothmann. Herodes und später sein Sohn Herodes Antipas spielten ein wichtige Rolle dabei, er war von den Römern eingesetzt, um zwischen jüdischer Oberschicht und Römern zu vermitteln – weswegen die Lage in Galiläa nicht eskalierte. „Herodes wollte es beiden Seiten rechtmachen und er war dabei nicht ungeschickt“, sagt Strothmann.
Der unauffällige Jesus
Über die Kindheit von Jesus ist wenig bekannt, wohl aber, dass er vier Brüder und vielleicht auch Schwestern gehabt haben soll – was von den Verfechtern der Jungfräulichkeit Marias aufs Heftigste bestritten wird. Nach seiner Geburt treffen wir ihn erst im Tempel in Jerusalem wieder, wo er seinen Eltern weglief und mit den Gelehrten sprach: „Dieses Ereignis ist meines Wissens einmalig“, sagt Meret Strothmann. Dass Gelehrte sich mit einem Kind über die Auslegung der Schrift auseinandersetzten, hatte es nie zuvor gegeben.
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Die Unauffälligkeit war es, die Jesus in der schwierigen Besatzungslage so lange hat wirken lassen. Er war ein Mensch, der für die kleinen Leute da war und so von den Großen lange unbeachtet blieb. „Vielleicht hätte Jesus selbst gefordert, sich der Obrigkeit gegenüber konform zu verhalten. Er hat ja selbst gesagt: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist – aber gebt Gott, was Gott gehört. Er war also wirklich kein Revolutionär“, so Strothmann, auch wenn er gerne als solcher dargestellt wurde.
Die Christen blieben oft unbeachtet
Auch die Christen selbst wurden von den Geschichtsschreibern für die nächsten Jahrzehnte weitgehend vernachlässigt. Es musste erst 60 n. Chr. werden, bis ein gewisser Flavius Josephus in seiner jüdischen Geschichte bemerkt, dass es zur Zeit des Kaisers Augustus einen Menschen namens Jesus gegeben habe, der zahlreiche Wunder bewirkte. Doch das ist schon alles – und zu dieser Zeit, so darf man annehmen, weilte Jesus Christus schon längst nicht mehr im irdischen Reich.