Barcelona. . Rock oder Flop? Fans und Imitatoren des King of Rock’n’Roll gehen zusammenauf Kreuzfahrt. Es ist ein Erlebnis zwischen angejahrter Authentizität und ungehemmter Heldenverehrung.
Es ist früher Abend, hinter der hügeligen Skyline von Barcelona verschwindet langsam die Sonne, und auf dem im Hafen geparkten Fünf-Sterne-Kreuzfahrtdampfer „Norwegian Epic“ füllt sich Deck 18 mit Menschen. Manche von ihnen tragen Elvis-T-Shirts oder das Antlitz des King of Rock’n’Roll auf ihrer Tasche, einige der reiferen Herrschaften haben sich ihr verbliebenes Haar zu einer Tolle geschmiert. Miguel Marquez (50) und seine Gattin Cathy Gonzalez (46) stechen sofort ins Auge: Sie trägt Petticoat, er Westernhemd – und auch sonst mutet das spanische Pärchen an wie direkt aus den Fünfzigern hierher gebeamt! Ein würdiger Anblick auf der Willkommens-Party des dritten TCB-Cruise – einer Themen-Kreuzfahrt durchs Mittelmeer, auf der Elvis gehuldigt wird.
Wobei TCB („Taking Care of Business“) für die Original-Band von Elvis steht, deren verbliebene Mitglieder heute noch aktiv sind und im Laufe der einwöchigen Tour mit weiteren Musikern an Bord spielen wollen. Während sich das Schiff vom Hafen langsam in Richtung offenes Meer bewegt, erwarten alle Beteiligten freudig den ersten Programmpunkt: Knapp 300 Fans treffen auf ein Dutzend Elvis-Veteranen! Jerry Schilling (70), der 23 Jahre engster Vertrauter des King war, sowie Joe Esposito (74), der Elvis während seiner Armee-Zeit in Deutschland kennenlernte und ihm bis zu seinem frühen Tod als Tourmanager folgte, zeigen sich als erstes an Deck. Kaum eine TV-Dokumentation oder Biografie, die ohne die beiden „Memphis Mafia“-Mitglieder auskommt – wie Elvis seinen auserwählten Kreis aus engsten Freunden nannte.
Für den Glamour steht indes Linda Thompson (62). Einst eine Schönheitskönigin in Memphis, war sie nach Elvis’ Ehe mit Priscilla fünf Jahre mit der Rock’n’Roll-Ikone liiert. Wie Elvis als Liebhaber war? Die Frage beschäftigt wohl auch andere, rasch bildet sich um die Blondine ein Kreis aus Interessierten. Und dann sind da natürlich noch die Musiker selbst: Allen voran Gitarrist James Burton (73) und Schlagzeuger Ronnie Tutt (74), die den erfolgreichsten Sänger aller Zeiten zwischen 1969 und 1977 auf Tour begleiteten. Lässig mit Cappy stehen die beiden an der Reling und genießen sichtlich die Aufmerksamkeit. Obwohl Burton es als Solist bis in die Rock And Roll Hall Of Fame geschafft hat, würde sich auf der Straße wohl niemand nach ihm und seinen Kumpels umdrehen. Doch in diesem Moment sind sie Stars, die ein mittelprächtiges Blitzlichtgewitter auslösen und die aus ganz Europa angereisten Fans mit Small-Talk begeistern. Dass sie es hier mit Hardcore-Anhängern des King zu tun haben, steht außer Frage: Die meisten Fans kennen sich schon von anderen Elvis-Gedenk-Veranstaltungen. „Zu meinem 66. Geburtstag bin ich nach Graceland gereist“, erzählt Annemarie John. Heute ist sie 74 und verteilt Visitenkarten auf denen „Größter Elvis-Fan in Hessen“ steht. Das spanische Pärchen berichtet, dass sie durch die Musik ihres Idols zusammenfanden. „Unseren Sohn haben wir Aron genannt, frei nach Elvis Aaron Presley“, meint Miguel.
Die „Memphis Mafia“ spricht
Am nächsten Tag wird weitergeredet, bei einer „Memphis Mafia“-Talkrunde im Rumpf des Schiffes. Eine Fan-Frage fordert die Protagonisten dazu auf, Elvis in zwei Worten zu beschreiben: „Musikalisches Genie“, meint Burton. „Hoffnung, Liebe“, sagt Schilling. „Der Beste“, findet Esposito. Auch 35 Jahre nach seinem Ableben bewirkt der King vor und auf der Bühne feuchte Augen. Jede Antwort wird von den Fans mit Jubel quittiert.
Je länger der Trip dauert, umso mehr hat man das Gefühl, auf einer Zeitreise zu sein. Wenn Elvis lebt, dann an Bord der „Norwegian Epic“, deren plüschiges Inventar auch Graceland gut stünde. Allabendlich wird im Theater des Schiffes die „Legends“-Show aus Las Vegas dargeboten, in der ein Elvis-Imitator Hits des Kings zum Besten gibt. Und im „Fat Cats“-Jazz-Club interpretiert die Hausband von Charlie Love zur späten Stunde gern mal die bluesige Seite des King.
Bald kommt auch Priscilla
Besonders schön ist das gemeinsame Dinner mit der TCB-Band – vorausgesetzt man hat das Glück, am richtigen Tisch zu sitzen. Das Elvis-Pärchen sitzt am richtigen Tisch – nämlich dem, mit James Burton. Miguel löchert das Idol mit Insider-Fragen und macht Erinnerungsschnappschüsse. Er erzählt Burton, dass er im Alltag Gutbetuchten das Golfspielen beibringt. „Auch auf dem Golfplatz trage ich natürlich Tolle“, beteuert der Fan. „Elvis ist nun mal Lebenseinstellung für mich.“ Dann plötzlich fängt Burton an zu beten, für „Elvis, die Fans, die anstehenden Konzerte und das Schiff“ – und alle am Tisch falten ihre Hände.
Aber was wäre ein Elvis-Cruise ohne Musik? Drei Konzerte hintereinander spielt die TCB-Band. Es singt Dennis Jale, ein Österreicher um die 40, der vor Jahren die Idee hatte, seine Liveshows mit der TCB-Band aufs Wasser zu verlegen. Er imitiert Presley nicht, kommt ihm stimmlich und motorisch dennoch nah. Spätestens bei „Suspicious Minds“ hält es niemanden mehr auf den Sitzen. Miguel und seine Cathy tanzen Rock’n’Roll in den Gängen. Euphorisch sagen sie: „Besser kann es nicht mehr werden!“
Im nächsten Jahr stechen die Elvis-Leute erneut in See. Dann hat sich als VIP-Gast Priscilla Presley höchstpersönlich angekündigt.
Weitere Informationen: www.ncl.de; www.tcb-cruise.com