Muse spielten bei den Olympischen Spielen. Ihr Sänger Matthew Bellamy erklärt, warum er ständig neue Herausforderungen sucht und sich wohl bald neu orientiert. Ein Gespräch zum neuen Album „The 2nd Law“.

Es scheint nur angemessen, dass die Herren Matthew Bellamy (Gesang), Dominic Howard (Schlagzeug) und Chris Wolstenholme (Bass) die Promotiontour für ihr sechstes Album mit einem Privatjet zurücklegen. Denn in den 18 Jahren ihres Bestehens haben sich Muse in den Rockolymp vorgearbeitet. Ihr letztes Album „Resistance“ schaffte es in 19 Ländern an die Spitze der Charts und katapultierte die Britrockband auch in Deutschland in die großen Arenen. Am 28. September erscheint ihre Platte „The 2nd Law“. Beim Interview in einem Berliner Luxushotel erzählt Matt Bellamy (34) von musikalischen Höchstleistungen und inspirierenden Vaterfreuden.

Mr. Bellamy, die Muse-Single „Survival“ war der offizielle Song zu den Olympischen Spielen 2012 in London. Hatten Sie damit gerechnet, dass Sie mit dem Lied so polarisieren würden?

Matthew Bellamy: Ich denke, das wussten wir. Wir haben oft polarisiert mit unserer Musik, selbst bei unseren Hardcore-Fans. Auch für „Supermassive Black Hole“ ernteten wir damals harsche Kritik. Und „Survival“ ist ja genau genommen gar kein richtiger Popsong, denn er hat nicht mal einen Refrain! Es war ein Experiment, etwas zu kreieren, das so extrem ist wie der Anlass des Songs.

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Müssen sich Muse mittlerweile zwingen, noch epischer zu klingen, weil Sie an einem Punkt angelangt sind, wo Sie sich selbst kaum mehr übertreffen können?

Bellamy: In Bezug auf „Survival“ ist das genau die Bedeutung des Stückes: bis zur Verzweiflung um sein Überleben zu kämpfen! Dieses Gefühl haben wir versucht einzufangen. Die Angst, uns zu wiederholen, hat immer unsere Herangehensweise bestimmt. Aber der Unterschied ist, dass man es diesmal unserer Platte auch anhört. Denn „The 2nd Law“ ist definitiv die vielfältigste Ansammlung von Songs, die wir je aufgenommen und auf einem Album zusammengefasst haben.

Sie sollen für „The 2nd Law“ auch mit diversen Gastmusikern zusammengearbeitet haben.

Muse
Muse © WMG

Bellamy: Das Orchester war größer als alles, was wir jemals auf einer Platte gehabt haben. Allein der Chor bestand aus 32 Personen. Wir hatten dann noch vier ältere Herren aus Stevie Wonders Backingband im Studio, die Trompete und Saxofon spielten. Auf gewisse Art haben wir versucht, auf dem Album die Balance zu schaffen zwischen technologischer, elektronischer Musik und organischen Klängen. Es gibt so viele großartige Musiker auf der Welt, und so viel Musik wird ohne sie gemacht. Ich wollte wenigstens einen Teil davon bei uns miteinbinden.

In Ihrem Privatleben hat es in den letzten zwei Jahren drastische Veränderungen gegeben: Sie sind mit Hollywood-Schauspielerin Kate Hudson verlobt, Vater geworden und von Italien nach Los Angeles umgezogen. Hat sich das auch auf die Platte ausgewirkt?

Bellamy: Auf alle Fälle! Meine Musik entsprang immer einer Art Randzone meines Gehirns, die mich verrückt sein lässt und für die Verschwörungstheorien und apokalyptischen Voraussagungen in unseren Songs verantwortlich ist. Diese Seite an mir hat sich nicht groß verändert. Aber es sind neue, persönliche Elemente hinzugekommen, die unserer Musik mehr Menschlichkeit verleihen. Mit der Single „Madness“ habe ich beispielsweise ein Liebeslied für Kate geschrieben.

„Follow Me“ klingt indes wie ein Wiegenlied!

Bellamy: Das ist es auch. Es ist der Song, der am meisten von dem Gefühl beeinflusst wurde, ein Vater für meinen Jungen sein zu wollen. In den ersten Wochen, wo ein Baby sehr zerbrechlich ist, hat man viele Arten von Ängsten. Das habe ich alles in diesem Lied rausgelassen. Am Anfang des Songs ist der Herzschlag meines Babys zu hören. Ich habe den Beat mit meinem iPhone aufgenommen, als Bing noch im Bauch seiner Mutter war.

Schmeichelt es Ihnen, aufgrund Ihrer Beziehung nun ständig in den Glamourmagazinen abgelichtet zu sein?

Bellamy: Mir ist das einfach nur peinlich! Jedes Mal denke ich: Hoffentlich bekommt die Bilder kein Muse-Fan zu Gesicht!

Was kann für Muse jetzt überhaupt noch kommen?

Bellamy: Es wird für uns drei eine Zeit sein, um darüber zu reflektieren und nachzudenken, mal etwas völlig Neues zu machen. Unseren Plattenvertrag mit Warner über sechs Alben haben wir erfüllt. Das kann eine Chance sein, etwas auf anderem Wege herauszubringen – losgelöst von Alben. Und musikalisch könnte es bedeuten, etwas sehr Minimalistisches, fast schon Akustisches zu machen. Das Ende von „Survival“ klingt so episch, mehr geht einfach nicht. Vielleicht ist es also an der Zeit, bei Null anzufangen.

Sie machen Witze: Muse mit Akustikklampfen im Club?

Bellamy: Nun, es wäre zumindest interessant, das mal auszuprobieren.

  • Muse „The 2nd Law“ (Warner, ab 28.9.) Live: 15.12. Hamburg, Arena