Berlin. . Die Autorin Juli Zeh taucht ein in die Tiefen des Allzumenschlichen – so auch im neuen Roman „Nullzeit“. Dabei erzählt sie eine Geschichte aus zwei teils gegensätzlichen Sichten. Die Diskrepanzen werden dabei im Laufe des Romans immer deutlicher.

Jede Affäre hat zwei Seiten (es sei denn, es handelt sich um eine Dreiecksgeschichte); selten aber gehen die Interpretationen des gemeinsam Erlebten so auseinander wie in Juli Zehs neuem Werk. Denn was Sven, Tauchlehrer, und Jola, seine Schülerin, uns wechselseitig weismachen wollen, kann so nicht stattgefunden haben. Aber wie dann?

Vergöttert und gequält

Jola, ambitionierte Schauspielerin einer deutschen Seifenoper, will sich mit einem exklusiven Tauchtraining auf eine potenzielle Rolle in einem Kinofilm vorbereiten. Theo, ihr Begleiter, ist ein deutlich älterer Schriftsteller, der Jola einerseits vergöttert, andererseits mit Zynismen quält – und, so erfahren wir aus Jolas Tagebucheinträgen, mit körperlicher Gewalt.

Sven lebt mit seiner Freundin Antje auf einer namenlosen Insel, die Insider als Lanzarote erkennen dürften, er hatte in Deutschland Jura studiert (wie Juristin Zeh), das Studium aber abgebrochen. „Langsam wurde mir klar, warum ich Literatur nicht mochte“, heißt es einmal: „Genau wie bei der Rechtswissenschaft handelte es sich um Urteilskunst. Der Autor gebärdete sich als höchster Richter, stellte den Sachverhalt fest, rief Zeugen auf und verkündete am Ende das Urteil.“

Sex am Strand

Nicht so in diesem Roman. Juli Zeh ist eine versierte Plotterin. Während Sven als Erzähler von Jolas Annäherungsversuchen und seiner abweisenden Haltung berichtet, erzählt Jolas Tagebuch vom Sex am Strand und Svens Liebesbekundungen. Diese Diskrepanzen offenbaren sich langsam, so wie man sich einen Tauchanzug Stück für Stück vom Leib pellen muss; die Paarlügen zwischen Jola und Theo, Antje und Sven führen uns in die Tiefen des Allzumenschlichen. Dem Beziehungswirrwarr über Wasser setzt Juli Zeh eine Unterwasserwelt entgegen, die von geschmeidiger Schönheit ist: „Unter Wasser waren die Beziehungen einfach, Bedürfnisse eindeutig und Reaktionen radikal.“

Zuletzt aber bleibt Sven auch unter Wasser nicht vom Feriengastdrama verschont. Der Showdown kommt leider eher schwach und erwartbar daher. Die Auflösung aller Rätsel aber verweigert Juli Zeh klugerweise dann doch, so dass die letzten Seite dieses durchaus spannenden Psychodramas noch einmal tiefer eintauchen in menschliche Abgründe.

  • Juli Zeh: Nullzeit. Schöffling, 256 Seiten, 19,95 Euro