New York. . Die beiden Bandbrüder Joey und Johnny lassen sich auch durch den Tod nicht bremsen: Vom Sänger erscheint ein Solo-Album, vom Gitarristen eine Autobiogafie für Insider. Letztere offenbart, wie die Macht in der Band verteilt war und worum es Streit gab.

Die Geschichte der Ramones ist einzigartig – und sie ist nicht frei von Tragik. Während Punkrock-Bands von den Sex Pistols bis Green Day die Charts stürmten, warteten die Pioniere des Genres stets vergeblich auf den großen Erfolg. Den Ramones blieb nur die Knochentour über die Clubbühnen der Welt. Breitere Anerkennung für das Quartett aus New York gab’s erst nach der Auflösung im Jahr 1996 – nach exakt 2263 Konzerten. Doch ihren späten Ruhm sollten die vermeintlichen Brüder nicht mehr lange genießen können: Der Tod gleich dreier Bandmitglieder innerhalb von vier Jahren besiegelte das Ende des Quartetts für immer.

Nun gibt’s dennoch Neues von den Ramones – auch wenn es sich dabei eigentlich um ein Solo-Album des Sängers handelt. „Ya Know“, das zweite postume Werk von Joey Ramone (frisch erschienen, ganze 11 Jahre nach seinem Tod) klingt größtenteils wie eins der späten Ramones-Alben. Da diese bekanntlich zu den schwächeren im Gesamtwerk der Band zählen, ist „Ya Know“ wohl eher jenen zu empfehlen, die bereits alle maßgeblichen Platten der Band besitzen.

Natürlich gelten bei der Bewertung eines Albums, das man eine Dekade nach dem Tod des Künstlers aus dem Nachlass zusammengebastelt hat, besondere Maßstäbe. Von Joey stammen auf „Ya Know“ nur Songs und Gesang. Die Instrumental-Spuren wurden von einer Allstar-Riege mehr oder weniger prominenter Musiker und Freunde Joeys unter seinem Bruder Mickey Leigh aufgenommen. Wenn bewährte Kräfte wie Joan Jett oder Produzent Ed Stasium, der für Ramones-Klassiker wie „Rocket To Russia“ verantwortlich zeichnet, im Dienste Joeys arbeiten, kann man sich auf solide Arbeit verlassen. Aus mancher Aufnahme, die nicht ohne Grund in den Archiven landete, wird jedoch noch lange kein guter Song.

Rock’n’Roll ist die Antwort

Umso schöner, dass sich dennoch Erfreuliches auf „Ya Know“ findet: Der Opener „Rock’n’Roll Is The Answer“ ist eine nette Rock-Hymne; „Going No­where Fast“ oder „I Couldn’t Sleep“ hätten jedem Ramones-Album ab Mitte der 80er zur Ehre gereicht. Und wenn es balladesk zugeht, wie beim akustischen „Waiting For That Railroad“, dürfte sich bei so manchem Joey-Fan fraglos Gänsehaut einstellen.

Joey Ramone, New York, 1982. Foto: Laura Levine
Joey Ramone, New York, 1982. Foto: Laura Levine © BMG

Der Höhepunkt des Albums ist jedoch die nostalgische Nummer „Party Line“, die Joeys Vorliebe für den Teenpop- und Girlgroup-Sound der 60er-Jahre spiegelt. Geschrieben hatte Joey den Song eigentlich für die Ramones. Dass er nicht auf einem ihrer Alben erschien, dürfte wohl auch an einem Bandmitglied gelegen haben, mit dem Joey eine innige Feindschaft verband: Johnny Ramone spannte seinem Bandbruder Anfang der 80er die Liebe seines Lebens aus. Seitdem sprachen Sänger und Gitarrist kaum mehr ein Wort miteinander. Musikalisch lag man ohnehin überkreuz – weshalb Hardliner Johnny bei Joeys Kompositionen häufig sein Veto einlegte.

Mit dem Pudel auf Tour

Man kann es nur als seltsamen Zufall bezeichnen, dass sich in diesen Wochen ausgerechnet auch Johnny Ramone aus dem Jenseits meldet: Acht Jahre nach seinem Tod erschien Anfang April die Autobiografie des Gitarristen mit dem Pottschnitt.

Eine deutsche Ausgabe der „Commando“ betitelten Memoiren gibt es bislang nicht. Was kaum verwundern kann, richtet sich das Buch doch nur an den harten Kern der Ramones-Fans. Jene, die wissen, dass es der rechtskonservative George-Bush-Fan und Reagan-Verehrer war, der bei den Ramones hinter den Kulissen die Fäden zog. Und die es zum Beispiel interessiert, dass er 1980 seinen Pudel mit auf Tournee nahm (!). Die Story der Ramones aus der Sicht jenes Mannes, der Auftritte als „Jobs“ ansah und im Anschluss alleine bei Milch und Keksen entspannte, ist naturgemäß eine sehr spezielle.

„Er war eine Qual“

Und doch sucht der Fan, der 2005 in der düsteren Ramones-Doku „End Of The Century“ von der Zerstrittenheit der Band erfuhr, insgeheim nach versöhnlichen Worten Johnnys über seinen einstigen Mitstreiter Joey. Immerhin waren Gitarrist und Sänger die einzigen Bandmitglieder, die von Anfang bis Ende dabei waren, die sämtliche 2263 Konzerte Seite an Seite absolvierten.

„Er war eine Qual“, schreibt Johnny über Joey. Aber auch, dass er niemals ohne ihn aufgetreten wäre. Johnnys letzte Worte über Joey: „Er hat etwas Bleibendes geschaffen, deshalb ist er immer noch unter uns.“ Schön, dass wir Joey nun auch wieder hören können.

  • Joey Ramone: Ya Know (BMG/Rough Trade); Johnny Ramone: Commando. Abrams, 175 S., 15,95 Euro